Verfassungsgericht zur Europäischen Zentralbank

"Ein hochpolitisches Urteil"

08:16 Minuten
Verfassungsrichter Peter M. Huber in roter Robe im Gerichtssaal.
Der Verfassungsrichter Peter M. Huber. © picture alliance / Uli Deck / dpa
Stephan Detjen und Christian Demand im Gespräch mit Max Oppel · 13.05.2020
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Was darf die Europäische Zentralbank? Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts setzt sich mit dem schmalen Grat zwischen Geld- und Wirtschaftspolitik auseinander. Doch es berührt auch Grundsätze der Gerichtsbarkeit und bedeutet "Sprengstoff" für die EU.
Das höherrangige Gesetz verdrängt das niederrangige - so gilt es bei den Juristen. Europarecht verdrängt demnach das Bundesrecht des deutschen Staates, und - in Streitfällen - auch das Grundgesetz.
Genau um diese Maxime gibt es eine heftige Auseaindersetzung, nach dem das Bundesverfassungsgericht in der vergangenen Woche in einem Urteil zur Geldpolitik der Europäischen Zentralbank an ihr rüttelte.
Die Karlsruher Richter kamen zu dem Schluss, dass der Aufkauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) teilweise gegen das Grundgesetz verstoße.
Verfassungsrichter Peter M. Huber, der das Urteil als Berichterstatter vorbereitet hat, hat dazu nun zwei Interviews gegeben, eines in der FAZ und eines in der SZ. Ein ungewöhnlicher Vorgang, wie unser Chefkorrespondent im Hauptstadtstudio, Stephan Detjen, meint: "Das Gericht spricht durch seine Urteile, das darf Urteile dann nicht noch nachträglich in den Medien kommentieren." Dass dies doch geschehe, zeige, dass das Gericht von der scharfen Kritik an dem EZB-Urteil getroffen sei.
Der Kulturphilosoph Christian Demand, äußerte hingegen angesichts der heftigen Reaktionen Verständnis für den Schritt des Verfassungsrichters, durch die Medien an die Öffentlichkeit zu gehen: "Das ist ja ein ganz politisches Urteil. Und unter diesem Beschuss noch einmal Darstellung zu betreiben, halte ich für völlig legitim."

"Sprengstoff" für die Europäische Union

Die Auseinandersetzung beziehungsweise der Konflikt zwischen den Gerichtsbarkeiten, der in dem Urteil der vergangenen Woche deutlich wurde, sei lange vorbereitet worden, glaubt Detjen:
"Da gibt es viele Urteile in denen das Bundesverfassungsgericht diesen Anspruch erhoben hat, sich in bestimmten Extremfällen, sich über den EuGH auch hinwegzusetzen."

Auch der Zeitpunkt in einer "ganz heiklen Phase", in der viele EU-Staaten durch die Corona-Pandemie unter wirtschaftlichen Druck geraten, sei bewusst gewählt. Die Richter hätten in das Urteil "Sprengstoff" für die Europäische Union hineingelegt, sagt Detjen.

"Wenn man das Urteil liest, merkt man, das sind Richter, die argumentieren im politischen Raum. Sie haben eben ein bestimmtes Konzept, eine Vorstellung vom Verhältnis der beiden obersten Gerichte. Und da liegen diese beiden Gerichte eben nun konträr auseinander. Und das Bundesverfassungsgericht führt das jetzt in dieser Situation eng."
(huc)
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