Vereinheitlichung und Mannigfaltigkeit

Von Frieder Reininghaus · 10.10.2012
Das Theater an der Wien zeigt drei Einakter von Giacomo Puccini: Ein Schauerstück, eine sentimental-rührende Geschichte und eine Burleske wurden kombiniert. Schauplatz ist eine Container-Landschaft, die sich immer wieder dem Stück anpasst.
Gleichförmigkeit sei ein Unheil für die Oper, meinte Giacomo Puccini - und verhielt sich entsprechend. Lange wälzte er zum Beispiel die Idee, einen Opernabend mit drei heterogenen Einaktern zu bestücken. Er ventilierte bei seinen Librettisten, ob sie ihm aus Maxim Gorkis Kurzgeschichten über das Leben einfacher Leute eine entsprechende Vorlage schneidern könnten - oder aus dem "Inferno" von Dante Alighieris Commedia divina ("Göttliche Tragödie"; 1311-1321).

Aus dem Gorki-Projekt wurde nichts. Dem Dante-Kontingent entsprang immerhin ein Einakter. Der bildete, als das "Trittico" im Kriegsjahr 1918 an der Metropolitan Opera in New York herauskam, das Schluss-Stück der kleinen Trilogie. Die folgte dem Modell der seit 1897 für Sensation sorgenden Pariser Grand-Giugnol-Produktionen: Ein Schauerstück, ein sentimental-rührende Geschichte und eine Burleske wurden kombiniert.

Das "Trittico" lebt also nicht zuletzt von den Kontrasten zwischen dem hart veristischen Tabarro ("Der Mantel" - basierend auf einem Gegenwartsstück des Jahres 1910 von Didier Gold) und einer partiellen "mystischen Entrücktheit" der Musik zur Klosterwelt des 17. Jahrhunderts im zweiten Stück (Suor Angelica ruht in Fragen der Mutterschaft, Frömmigkeit und nicht ganz wunschfreien Askese) beziehungsweise vom finalen Gegensatz zur heiteren Turbulenz im dritten Teil (mit Gianni Schicci ging es nicht zuletzt um Anknüpfung an die commedia dell' arte, wie sie zum Beispiel Ferruccio Busoni bereits entwickelt hatte).

Im "Theater an der Wien" stellte sich mit der "Trittico"-Premiere nun also die Frage, wie Damiano Michieletto mit der Heterogenität der Stoffe und Werkteile umgeht. Das Disparate wird freilich nicht nur durch verbindende Gesten des Tonsatzes zusammengehalten, sondern auch durch die Doppel- oder Dreifachbesetzungen gerade bei den zentralen Gesangspartien. Bei denen zeichnen sich vornan Roberto Frontali als rasend eifersüchtiger Lastkahnbesitzer und zugleich als bauernschlauer Gianni Schicchi aus. Ekaterina Sadovnikova durch kleinere Auftritte in den ersten beiden Teilen und als Lauretta im dritten.

Jede Realisierung des Werks, in dem Puccini die ganze Palette seiner kompositorischen Möglichkeiten unter Beweis stellte, kann und muss entweder auf erkennbare Verklammerung bedacht sein oder die Gegensätze akzentuieren. Der venezianische Regisseur wählte auf typisch italienische Weise einen "compromesso storico": Er ließ den Bühnenbildner Paolo Fantin eine sich auftürmende Container-Landschaft für die eng begrenzte Transportunternehmerwelt Micheles entwerfen, die im Laufe des Abends variiert wird, am Ende aber wiederkehrt.

Nachdem der am Seine-Ufer bei Paris ankernde Kapitän, dessen Ehe sich nach dem Tod des einzigen Kindes zerrüttete, die untreu gewordene Ehefrau durch die Tötung von deren Liebhaber bestrafte, bleibt Giorgetta - die mit imposanter, in der Höhe nicht immer ganz zielsicherer Stimme ausgestattete Patricia Racette - verzweifelt vor den abgeschabten und angerosteten riesigen Metallbehältern stehen. Die öffnen sich und geben den Blick frei auf eine Verwahranstalt für Frauen, die zeitlich und geographisch nicht genau verortet wird: Die Oberin und zwei Unteroffizierinnen des Ordens setzen mit kalter Herrschaftstechnik, Prügel und eiskaltem Psychoterror Disziplin und Sauberkeit durch (neben einer mit Devotionalienbildern geschmückten kargen Zelle zeigt sich ein Waschraum mit vielen Trögen, an denen die Schwestern Fleiß und Selbstvergessenheit unter Beweis stellen müssen). Die von Michieletto entwickelten Bilder und seine Personenführung konterkariert den Wärmestrom des Puccinischen Tonsatzes nach besten Kräften.

Für die abschließende altflorentiner Erbschleicher-Geschichte um den steinreichen Buoso Donati überziehen sich die Container-Elemente mit altväterlichen Seidentapetenmustern und die Terrassenlandschaft füllt sich mit wertvollem Mobiliar. Am Ende dann, wenn Gianni Schichi in einem kurzen Epilog das Publikum fragt, ob es sich mit der Vielfalt der drei Stück des Abends gut bedient fühle, klappen die Container wieder zu und verweisen so auf einen permanenten Kreislauf bei der Erörterung der Spannungsverhältnisse von Liebe und Tod.

Dem "Trittico" wird wegen der Expressivität der Melodieführung, den differenzierten Gesten und dem Facettenreichtum der Orchesterfarben der Rang eines "Hauptwerks" zugesprochen. Der als Ersatzmann eingesprungene Dirigent Rani Calderon realisiert die verschiedenen "Tinten" der Puccinischen Schreibweise mit dem ORF-Orchester klar erkennbar. Calderon sorgt für Schwung und feine Nuancen. Man kann an diesem Wiener Einakterabend sein helles Vergnügen haben - je länger, desto eindeutiger.