Verehrung

Pilgern zu Shakespeare

Das Geburtshaus von William Shakespeare in Stratford-upon-Avon
Geburtshaus William Shakespeare © picture-alliance/ dpa / MAXPPP
Von Jochen Spengler · 23.04.2014
Für die englische Stadt Stratford-upon-Avon ist Shakespeare noch immer ein Segen. Schulklassen und Theaterfreunde besuchen sein Geburtshaus oder das Theater. Sie geben auch ihr Geld für Shakespeare-Tee und Schokolade aus.
Nicht jeder in Stratford kann etwas anfangen mit dem größten Sohn der Stadt.
"Nun ich lebe in Stratford-upon-Avon und für die Stadt ist Shakespeare natürlich bedeutend. Er bringt jede Menge Besucher hierher, aber ich selbst wohne fünf Minuten vom Theater entfernt und ich gehe niemals dorthin. Ich schäme mich, es zuzugeben, aber ich bin nicht so an seinen Stücken interessiert."
Jill ist schulgeschädigt, Mitte 50 und informiert Touristen auf einem schmalen Hausboot im Hafen über die Wasserwege der Region. In Sichtweite: der mächtige Theater-Backsteinbau der Royal Shakespeare Company
Shakespeare ist nicht leicht
"Wir sollten nicht so tun, als sei Shakespeare einfach, ist er nicht. Er ist sehr komplex."
sagt Jacqui o'Hanlon, die für Fortbildung zuständige Direktorin der Company. Deshalb gehe man an die Schulen, toure durchs Land, biete Fortbildung und versuche mit jeder Theaterproduktion bei Jung und Alt das Verständnis für Shakespeares 38 Dramen zu schärfen. Keine leichte Aufgabe, doch:
"Wir haben herausgefunden, dass die Hälfte aller Schulkinder auf der Welt sich irgendwann einmal mit Shakespeare beschäftigt. Das bedeutet, dass jedes Jahr 64 Millionen junge Leute etwas über sein Werk lernen."
"Interessiert Euch Shakespeare?"
"Ja also – ich muss Lust drauf haben. Ab und zu, aber es ist nicht so, dass ich drauf stehe auf Shakespeare."
Florian, Benedikt, Marie und Jasmin kommen von der Johann Julius Hecker-Schule in Berlin-Marzahn. Die Sonne scheint in Stratford, die Jugendlichen streifen durch die Straßen der mit 23.000 Einwohnern überschaubaren Kleinstadt und besichtigen die Sehenswürdigkeiten
Der Dichter steht in vielen Ländern auf dem Lehrplan
In Shakespeares Geburtshaus begeistern gerade zwei Schauspieler eine siebte Klasse aus dem französischen Narbonne mit kleinen Mitmach-Szenen aus "Hamlet" und dem "Sommernachtstraum".
Florence, ihre Lehrerin beteuert, dass Shakespeare auch in Frankreich auf dem Lehrplan steht.
"Sie studieren das in der Klasse, aber in den größeren Klassen. Aber sie haben darüber ein bißchen gesprochen, weil sie wußten, dass wir nach Shakespeare-Haus kommen. Sie haben schon Interesse. Romeo und Juliette - sie kennen schon das auch."

Badeenten im Shakespeare-Look im Souvenirshop im Geburtshaus von William Shakespeare in Stratford-upon-Avon (Grafschaft Warwickshire), aufgenommen am 19.03.2014. Die Stadt nahe Birmingham wäre ein verschlafenes Nest ohne Shakespeare.
Es gibt Shakespeare-Tee, Shakespeare-Schokolade und sogar Badeenten im Shakespeare-Look.© picture alliance / dpa / IDECON-team
Sohn eines Handschuhmachers
Allein das Geburtshaus Shakespeares wird jährlich von einer dreiviertel Million Menschen besucht. Verwaltet wird es vom Birthplace Trust, einer Stiftung, für die es überhaupt nicht verwunderlich ist, dass der Sohn eines Handschuhmachers zum weltweit bedeutendsten Dramatiker wurde:
"Das liegt daran, dass die Geschichten, die er erzählt, sehr universell sind. Den Ehrgeiz eines Macbeth kann ich verstehen, ob ich Japanisch spreche, ob ich in Indien aufgewachsen bin, ob ich in Zentralafrika lebe oder in Südamerika....Oder die Eifersucht eines Othello lässt sich ohne weiteres übersetzen. Das ist nicht an die englische Sprache oder Kultur gebunden."
... sagt die Saarländerin Lisa Peter, die als Dozentin beim Birthplace Trust arbeitet.
"Shakespeares Stücke mussten populär sein, weil er von den Einnahmen gelebt hat", bestätigt Patrick Spottiswoode, Direktor am Globe Theatre in London
"Wenn Du heutzutage Regisseur bist in einem sehr subventionierten Theater, dann kannst Du vielleicht sagen, ich bin nicht interessiert an Popularität. Es spielt keine Rolle, ob sich das jemand anguckt oder nicht, denn ich behalte ja meinen Job. Shakespeare musste Künstler und Geschäftsmann sein und das ist überhaupt kein Widerspruch."
Beschlagener Pfennigfuchser
Und so hätte der beschlagene Pfennigfuchser William Shakespeare heute vermutlich nichts dagegen, dass ihn seine Heimatstadt nach allen Regeln der Kunst vermarktet. Shakespeare-Schokolade und -Tee, -Tshirts und Kappen, CDs, Filme, Bücher – die Auswahl im Souvenirshop neben dem Geburtshaus ist gewaltig und Tim, der hier arbeitet, weiß, was er dem Genie zu verdanken hat.
"Shakespeare war der Beginn der Bücher, dass das geschriebene Wort aufbewahrt und studiert wurde. Das ist der einzige Grund, warum wir seine Werke heute noch auf der Bühne sehen können. Und natürlich war er ein gewiefter Geschäftsmann – so wie wir – wir versuchen's jedenfalls."
Mehr zum Thema