Verbrecherjagd per Mausklick

Von Stephanie Kowalewski · 25.01.2012
Moderne Verbrecher rauben keine Banken aus. Sie zocken Verbraucher über das Internet ab oder hacken sich in Computer, um an geheime Bankdaten zu kommen. Ermittler vom neuen Cybercrime-Kompetenzzentrum in Düsseldorf sollen den Online-Betrügern das Leben schwerer machen.
Der sogenannte Serverraum des neuen Cybercrime-Komptenzzentrums im Düsseldorfer Landeskriminalamt ist vollgestopft mit leistungsstarken Computern. Sie arbeiten rund um die Uhr. Einige der Rechner versuchen zum Beispiel mit Hilfe spezieller Software, Passwörter zu knacken, um an die Daten auf sichergestellten Festplatten zu kommen.

"Ja, der läuft jetzt schon 20 Tage und braucht noch 22 Tage, um alleine diesen Path abzuarbeiten. Und dann muss man schauen, ob er zum Erfolg gekommen ist. Ansonsten muss man es abbrechen, weil wenn eine gute Verschlüsselung da ist, dauert es schon mal ein paar Millionen Jahre, bis man es knacken kann."

Das kommt aber sehr selten vor, sagt Dietmar Scheffler, Hauptkommissar und IT-Forensiker:

"Wir kriegen in der Regel das meiste raus. Auch wenn es lange dauert. Also wenn das Passwort im Bereich von Wörterbüchern ist, dann kriegt man es geknackt. Aber ich will nicht alles verraten (lacht), sonst können sich die Leute darauf einrichten, wie sie sichere Passwörter generieren."

Dietmar Scheffler und seine Kollegen sind Spezialisten im Bereich Cybercrime. Cyberkriminalität - das sind Straftaten, die irgendwie mit dem Internet und Computer zusammenhängen, erklärt Michaela Heyer, Sprecherin des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen:

"Das fängt an mit Mobbing, also Beleidigungsdelikten, Betrügereien über Auktionshäuser, dann gibt es wiederum die Fälle von Skimming, also das Ausspähen der Daten an Geldautomaten bis hin zu komplexen Ermittlungsverfahren, wenn es um Fishing geht, wenn es um Hackerangriffe geht."

Um der stetig wachsenden Zahl solcher Delikte möglichst Herr zu werden, wurde im nordrhein-westfälischen LKA nun das bundesweit erste Cybercrime-Komptenzzentrum gegründet. In der neuen Abteilung werden derzeit Dienststellen zusammengelegt, die vorher getrennt voneinander gearbeitet haben.

"Da wäre beispielsweise eine Dienststelle, die kinderpornografisches Material auswertet, dann haben wir die ZIR, die zentrale Internetrecherche. Das muss man sich so vorstellen, dass die Kollegen quasi im Internet auf Streife gehen und verfahrensunabhängig nach Straftaten und Gefahrensituationen suchen."

Das soll für einen besseren Informationsfluss sorgen, die Effektivität erhöhen und den Online-Betrügern, Mobbern und Hackern das Leben etwas schwerer machen. Derzeit arbeiten hier rund 60 Mitarbeiter, sagt Michaela Heyer. Bis November sollen es 100 sein:

"Nicht jeder kann das. Viele haben vorher schon programmiert, es gibt Kollegen, die im Bereich IT ein Studium absolviert haben und dann gibt es sehr intensive und lang andauernde Schulungen für Polizisten in dem Bereich."

Neben den Polizeibeamten gehören auch Ingenieure, Wissenschaftler und Techniker zum Team. Es gibt Spezialisten für die einzelnen Computer-Betriebssysteme, für Navigationsgeräte, für Spielautomaten, für Skimmer – also die Geräte, die die Täter vor Geldautomaten anbringen um die Daten der Kontokarte zu stehlen, und es gibt Spezialisten für Mobiltelefone. Einer von ihnen ist Dietmar Scheffler, Hauptkommissar und IT-Forensiker:

"Forensik sagt nichts anderes als gerichtsverwertbar. Und wir machen es halt für IT. Wir untersuchen alles, wo Daten irgendwo in Speichern abgelegt sind und versuchen die wieder sichtbar zu machen, sodass der Ermittler weiterarbeiten kann und der Richter sich ein Bild machen kann, um dann zu einem Urteil zu kommen."

Wertvolle Quelle für potentielle Beweise sind Mobiltelefone, ohne die heutzutage auch in der Cybercrcime-Szenen nichts mehr läuft. Um an die darin gespeicherten Daten, Kurznachrichten und Telefonnummern zu gelangen, können die IT-Forensiker auf eine stattliche Sammlung von mehr als 600 unterschiedliche Handys samt Verbindungskabel zurückgreifen. Sie dienen auch schon mal als Ersatzteillager, wenn beispielsweise ein zerstörtes Display ersetzt werden muss. Und selbst aus verkohlten Handys können die Cybercrime-Spezialisten noch wertvolle Daten herausholen, erklärt der IT-Forensiker:

"Dann haben wir dort unsere Maschine zum Auslöten der Chips. Die eben dann mit Heißluft und Infrarot die Wärme von unten und oben auf die Platine zufügt und dann programmiergesteuert die Temperatur eben soweit ansteigt, dass das Lötzinn gerade schmilzt. Und dann kann man den Chip gefahrlos entnehmen, ohne dass er zerstört wird."

Alles was die Forensiker sicherstellen, landet dann bei den Ermittlern des Cybercrime-Kompetenzzentrums. In einem Büro am Ende des langen Flures sitzen gerade fünf von ihnen hochkonzentriert vor dutzenden Bildschirmen und jeder Menge Kabelsalat auf den hellen Tischen. Ihnen ist ein dicker Fisch ins Netz gegangen. Es geht um eine Hackerbande, besonders schwere Computersabotage, mehrere Terabyte sichergestellte Daten und die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, sagt Ermittler Thomas Haberland:

"Die Schwierigkeit ist, in einer wirklich sehr großen Menge von digitalen Daten die verfahrensrelevanten Daten zu finden. Wobei zu betonen ist, dass man natürlich nicht nur sucht nach belastenden Sachen, sondern selbstverständlich auch nach entlastenden Sachen. Also beides."

Mitunter wühlen sich die Beamten wochen- und monatelang durch die sogenannten digitalen Aservate, also die sichergestellten Festplatten, verfolgen, auf welchen Pfaden sich der vermeindliche Täter im Internet bewegt hat, welche E-Mails er gesendet und bekommen hat. Haberland:

"Dazu wird spezielle forensichsche Software eingesetzt, also Sachen auszublenden, die mich nicht interessieren, dass ich sie gar nicht sehe, dass die Anzahl der digitalen Datenmenge reduziert werden kann."

Entdecken die Ermittler bei ihrer Arbeit eine Schwachstelle in einem digitalen System, wird daraus ein Hinweis zur Prävention für Behörden und Verbraucher erarbeitet. Dennoch, räumt IT-Forensiker Dietmar Scheffler ein, sind die Täter den Cybercrime-Spezialisten oft einen Schritt voraus:

"Ja, man kann sagen, immer wenn man eine Gegenmaßnahme getroffen hat, dann lässt sich der Täter natürlich etwas Neues einfallen und wir gucken dann, dass wir da wieder drankommen. Das ist immer so ein Wettlauf."
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