Verbrecher waren seine Helden

Von Susanne Burkhardt |
Er ließ Diebe, Mörder, Strichjungen und Zuhälter in einem positiven Licht erscheinen. Dennoch wurde Jean Genet zu einem modernen Klassiker der französischen Literatur, Jean-Paul Sartre nannte ihn sogar einen "Heiligen". Am Sonntag jährt sich sein Geburtstag zum hundertsten Mal.
"Je suis né ... mon père reste inconnu.""

Hier erzählt Jean Genet selbst von seiner Geburt am 19. Dezember 1910, er nennt den Namen seiner Mutter Camille Gabrielle und dass er nicht weiß, wer sein Vater ist.

Schon ein halbes Jahr nach der Geburt übergibt die Mutter den Säugling der öffentlichen Fürsorge und verschwindet für immer aus Jean Genets Leben. Der Junge kommt in eine Pflegefamilie, geht zur Schule, wächst behütet auf.

Doch als er 14 ist, beginnt sich sein im Wortsinn "flüchtiges" Naturell abzuzeichnen, der Klassenbeste brennt das erste Mal durch und dabei bleibt es: Jean Genet verbringt Jahre auf der Straße, mit 16 wird er in die berüchtigte Landwirtschaftliche Strafkolonie Mettray überstellt, hier entdeckt er seine Homosexualität und die Faszination für alle Ausgestoßenen dieser Welt.

Um aus Mettray wegzukommen, tritt er in die Fremdenlegion ein, später auch in die reguläre französische Armee. Seine militärische Laufbahn endet 1936 abrupt, er desertiert, keine Ordnung kann ihn halten. Wann wird Jean Genet zum Schriftsteller? Man weiß es bis heute nicht genau. Fest steht, dass er früh viel liest, auch schreibt, in Paris verscheuert er geklaute Bücher auf der Straße.

Immer wieder wird er festgenommen, verurteilt, insgesamt verbringt Jean Genet mehr als vier Jahre im Gefängnis. Dort schreibt er 1943 seinen ersten Roman "Notre-Dame-des-Fleurs", einen Schwulen-Kriminellen-Roman, der das Verbrechen und die Verbrecher feiert, er widmet das Buch einem Mörder. Irgendwie erreicht der Text den berühmten Schriftsteller Jean Cocteau – er wird der große Förderer Jean Genets, der nun rasch zum Liebling der Pariser Intellektuellen avanciert.

In wenigen Jahren verfasst Jean Genet sein Hauptwerk, fünf Romane, darunter "Wunder der Rose" und "Querelle", die den Autor später zur Kultfigur der internationalen Schwulen-Bewegung machen.

Berühmt werden auch seine Theaterstücke. "Die Zofen" oder "Die Wände" erobern weltweit die Theaterbühnen, in den 1960er-Jahren gehört Jean Genet zu den meistgespielten Autoren in Deutschland.

Literarisch verstummt Genet recht bald, doch als Person bleibt er ein Skandalon. In den USA tritt er öffentlich mit den Black Panthers auf, er setzt sich für die Palästinenser ein, trifft sich mit PLO-Chef Yassir Arafat, die Bilder gehen um die Welt. In der Nacht vom 14. auf den 15. April 1986 stirbt Jean Genet in einem Pariser Hotel an den Folgen eines Sturzes, zehn Tage später wird Jean Genet im marokkanischen Larrache in aller Stille beigesetzt.
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