"Verbraucher müssen Zeche zahlen"

Moderation: Birgit Kolkmann |
Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels, rechnet mit einer Verteuerung von Getränken durch die neue Pfandpflicht ab dem 1. Mai. Getränkepreise würden um bis zu zehn Cent steigen, sagte Pellengahr im Deutschlandradio Kultur. Die neue Verordnung zwinge dem Einzelhandel und der Getränkeindustrie Mehrkosten von 1,5 Milliarden Euro auf. Diese würden langfristig auf den Verkaufspreis umgelegt, betonte er.
Kolkmann: Herr Pellengahr, müssen die Verbraucher die Zeche zahlen?

Pellengahr: Die Verbraucher werden am Ende die Zeche zahlen müssen, weil das Dosenpfand Handel und Getränkeindustrie sehr teuer zu stehen kommt. Vor allem die Rücknahmeautomaten, mit denen jetzt ja sukzessive alle Geschäfte ausgestattet werden müssen, sind teuer. Ein solcher Automat kostet ab 15.000 Euro aufwärts. Insgesamt verschlingt das Dosenpfand so etwa anderthalb Milliarden Euro, und diese Kosten werden langfristig in die Getränkepreise eingehen. Getränke verteuern sich durch das Dosenpfand um bis zu zehn Cent.

Kolkmann: Das bisherige System war ja so unbequem, dass manche Flaschen gar nicht zurückgebracht worden sind, sondern im Keller oder im Müll landeten. Da hat der Einzelhandel sehr gut daran verdient, sagen Verbraucherschützer, und zwar bis zu 1,6 Milliarden Euro insgesamt. Das wären genau die Kosten, die Sie jetzt investieren müssen.

Pellengahr: Nein, diese Zahlen über nicht zurückgebrachte Dosen und Einwegflaschen sind weit überzogen. Im Übrigen gehen wir auch davon aus, dass jetzt mit der neuen Pfandregelung viele Flaschen, die zu Hause im Keller, im Kofferraum oder sonst irgendwo gehortet werden, zurückgebracht werden, weil man ja jetzt alle Flaschen überall zurückgeben kann, wo eben solche Flaschen oder Dosen verkauft werden. Man muss Dosen zurücknehmen, wenn man Dosen verkauft. Ein Händler, der nur PET-Flaschen verkauft, muss nur PET-Flaschen zurücknehmen, aber auch die von fremden Händlern.

Kolkmann: Glauben Sie, dass das jetzt vereinfachte System dazu führen wird, dass die Menschen prinzipiell mehr auf Mehrwegflaschen umsteigen werden?

Pellengahr: Wir glauben, dass der Mehrweganteil, also Bier und Mineralwasser in den Kästen, dass der zurückgehen wird durch das Dosenpfand, dass jetzt mehr Einweg verkauft wird. Dass das Dosenpfand also der ursprünglichen Absicht, Mehrweg zu stützen, genau widerspricht. Das ist auch die Erfahrung, die man in Skandinavien und in anderen Ländern mit der Einführung des Dosenpfandes gemacht hat. Es ist also völlig kontraproduktiv.

Kolkmann: Wird es denn irgendwann bald keine Dosen mehr geben oder dagegen mehr?

Pellengahr: Nein, Dosen waren bisher vollständig vom deutschen Markt verschwunden, zumindest fast vollständig verschwunden. Sie kommen jetzt wieder in die Regale. Wie weit dann der Vormarsch der Dosen wieder gelingen wird, das hängt von den Konsumenten ab. Die Konsumenten entscheiden, ob sie Mehrweg oder Einweg kaufen, und die Konsumenten entscheiden natürlich auch, ob sie Einweg in Dosen, in PET-Flaschen oder vielleicht sogar in Glas kaufen. Wir glauben, dass PET weiterhin einen großen Marktanteil behalten wird. Daneben wird es allerdings wohl eine Renaissance der Dose geben. So läuft es zumindest ja in allen anderen Ländern auch.

Kolkmann: Es läuft in allen anderen Ländern auch, sagen Sie. Ist es nicht extrem umweltschädlich?

Pellengahr: Nein, die Dosen sind gar nicht so umweltschädlich, wie immer behauptet wird. Wenn es sich um Aluminiumdosen handelt, dann sind sie hervorragend zu recyceln. Es ist sehr viel Energie bei der Herstellung von Aluminium erforderlich. Das Recycling ist allerdings sehr umweltfreundlich, so dass sich die Ökobilanz einer Aludose mit jedem Recycling-Vorgang erheblich verbessert. Am Ende ist Aluminium eine ökologisch wertvolle Verpackung.

Kolkmann: Kommen wir noch mal darauf zurück, wie jetzt die Umstellung anlaufen wird. Ist der Handel gut vorbereitet, wird es problemlos gehen nächste Woche?

Pellengahr: Der Handel ist bestens vorbereitet. Er hat alle Anstrengungen unternommen. Es wird für die Verbraucher zumindest auf jeden Fall reibungslos funktionieren. Wir haben ausgeschlossen, dass technische Pannen den Start des Dosenpfands für die Verbraucher stören können. Für uns ist es wichtig, dass die Konsumenten überall reibungslos ihre leeren Flaschen und vielleicht auch Dosen abgeben können. Ein großer Teil der Rücknahme wird zu Beginn noch von Hand erfolgen. Dadurch gibt es eben keine technischen Störungen.

Etwa ein Drittel der Geschäfte sind bereits mit Rücknahmeautomaten ausgestattet. Auch diese Automaten funktionieren. Sie funktionieren ja schon seit Wochen. Deshalb werden wir am 1. Mai keine böse Überraschung erleben. Hinter den Kulissen ist es natürlich ein Riesenaufwand, der hier erforderlich ist. Das ist ein sehr spannender Prozess, aber wichtig ist, dass davon die Konsumenten nichts mitbekommen.

Kolkmann: Sie haben eben schon deutlich gemacht, dass der Handel auf Automaten setzt, allerdings da noch nicht ganz so weit ist. Warum setzen Sie nicht mehr auf Jobs?

Pellengahr: Die Rücknahme kann nur von Automaten erfolgen. Das alles von Hand zu machen, ist viel zu teuer. Dann müssen die Dosen und leeren Flaschen durch die Republik zu Zählzentren gefahren werden. Alle Dosen und Flaschen werden beim Verkauf und bei der Rückgabe erfasst über den Strichcode, der auf jeder Flasche ist. Das ist notwendig, um dann anschließend einen Pfandausgleich herzustellen, weil man ja eben auch fremde Dosen zurücknehmen muss. Das geht von Hand nur für eine vorübergehende Zeit. Eine Dauerlösung ist das nicht. Dann brauchen wir die Automaten.

Kolkmann: Wie reagieren eigentlich die Getränkehersteller: Wollen sie nun mehr Mehrweg- oder auch noch sehr viele Einwegflaschen; oder wird sich das ungefähr die Waage halten?

Pellengahr: Auch die Getränkehersteller setzen hier auf Einweg, weil sie gesehen haben in den vergangenen Jahren bei den Insellösungen der Discounter, die ja sehr viel vor allem Mineralwasser in PET-Einwegflaschen verkauft haben: Da hat man die Erfahrung gesammelt, dass die Kunden weiterhin Einweg wollen, dass Einweg eine große Nachfrage hat, und das ist ein Geschäft, in das die Getränkeindustrie auf jeden Fall einsteigen wird. Die Konsumenten entscheiden dann, wie weit die Mehrwegquote sinkt. Dass sie zurückgehen wird, daran kann kein Zweifel bestehen.

Kolkmann: Sie haben zu Eingang gesagt, dass etwa zehn Cent mehr berappt müssen durch das neue System. Da wird Ihnen von Seiten der Verbraucherschützer vorgeworfen, dass Sie da schon versuchen, die Preise wegen der Mehrwertssteuererhöhung jetzt schon vorab ein bisschen hochzukriegen.

Pellengahr: Nein, es sind bis zehn Cent, die durch das Dosenpfand fällig werden. Diese Preiserhöhung muss man am Markt durchsetzen. Im Einzelhandel funktioniert ein sehr, sehr scharfer Wettbewerb, und der schützt die Verbraucher vor ungerechtfertigten Preiserhöhungen. Es werden sicherlich nicht alle Getränke zehn Cent teurer, aber viele, einige können sogar noch ein bisschen teurer werden. Dazu kommen ja Preissteigerungen auf Grund der hohen Energiepreise, und dann die Mehrwertssteuer natürlich ab Anfang nächsten Jahres. Diese Preiserhöhungen werden sich auch über einen längeren Zeitraum hinziehen, aber die Konsumenten müssen sich darauf einstellen, dass Getränke teurer werden.

Kolkmann: Wie viel Pfand wird eigentlich im Jahr in Deutschland bewegt?

Pellengahr: Es sind große Summen, die da bewegt werden. Es sind Milliardenbeträge, es sind etwa dreieinhalb Milliarden an Pfandgeldern, die die Konsumenten bezahlen müssen für etwa 14 Milliarden Einwegverpackungen. Das ist ein großer Betrag. Übrigens auch ein Betrag, der dem Konsum irgendwie entzogen wird. Aber es ist politisch gewollt, und deshalb muss der Handel es machen.

Kolkmann: Ich bedanke mich für das Interview.