Verbraucher

Es war einmal kein König

Von Peter Kessen · 10.03.2014
"Der Konsument ist heute der Spielmacher, er hat so viel Macht wie noch nie!" So schwärmt Marketingexperte Hennig-Thurau von der Universität Münster von der neuen Macht der Konsumenten. Manches spricht für die These, dass der Kunde endlich der König geworden ist, als der er schon lange gilt.
Schließlich können sich Verbraucher heute viel genauer über Preise und Qualität informieren als je zuvor und schlechte Produkte über die immer wichtiger werdenden Bewertungsportale im Internet schnell abstrafen.
Das Feature untersucht die These von der neuen Konsumentenmacht, besucht eine begeisterte Videobloggerin im Kosmetikbusiness, eine engagierte Mutter im Kampf mit einem Weltkonzern und natürlich Kritiker der These. Denn die Hymnen auf den Verbraucher haben in der Geschichte der Ökonomie eine besondere Rolle gespielt.
Einziger Produktionszweck: Der Konsum
Der Begründer der klassischen Nationalökonomie, Adam Smith, schrieb im Jahr 1776 in seinem Klassiker "Der Wohlstand der Nationen“:
"Der Konsum ist der einzige Sinn und Zweck der Produktion, und den Interessen der Produzenten sollte man nur insoweit Beachtung schenken als nötig ist, die Interessen der Verbraucher zu fördern.“
Der britische Moralphilosoph und Volkswirtschaftler Adam Smith
Der britische Moralphilosoph und Volkswirtschaftler Adam Smith© picture-alliance/dpa
Die geistigen Väter der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland verstanden ihren Wirtschaftsliberalismus als ökonomische Form der Demokratie. Die stärkste Form der Verbraucherherrschaft, die Konsumentensouveränität, formulierte Wilhelm Röpke, Professor für Volkswirtschaft und Träger des Bundesverdienstkreuzes, in den 50er-Jahren:

Undatierte Aufnahme des deutschen Soziologen und Wirtschaftswissenschaftlers Professor Wilhelm Roepke. Er wurde als einer der maßgebenden Wortführer des Neoliberalismus in der Wirtschaft bekannt.
Der deutsche Soziologe und Wirtschaftswissenschaftler Wilhelm Roepke wurde als einer der maßgebenden Wortführer des Neoliberalismus in der Wirtschaft bekannt.© picture alliance / dpa / DB Ringier Bilderdienst
"Diese Demokratie des Marktes hat viele Schönheitsfehler …, aber sie ist die einzige Möglichkeit, die Konsumenten, für die produziert wird, zum Herrscher der Produktion zu machen ..., es findet keine Majorisierung der Minderheit statt. Und jeder Stimmzettel kommt zur Geltung. Wir erhalten damit eine Marktdemokratie, die an geräuschloser Exaktheit die vollkommenste politische Demokratie übertrifft."
60er: Neue Freiheit für Unternehmer und Konsumenten
Im Jahr 1962 erscheint das Buch "Kapitalismus und Freiheit“, verfasst von Milton Friedmann: Der Wirtschaftprofessor aus den Vereinigten Staaten wendet sich gegen einen starken Staat, der häufig in die Märkte eingreift. Die Lösung soll in einer neuen Freiheit für Unternehmer und Konsumenten liegen. Gegen den Schulden machenden Sozial-Staat in der Tradition des Ökonomen John Maynard Keynes, für einen neoliberalen, abgespeckten Staat, vor allem im Dienst der Unternehmen.
Initiator des ökonomischen Neoliberalismus
Milton Friedmann erhielt 1976 den Nobelpreis. Er gilt als einer der Initiatoren des ökonomischen Neoliberalismus, der auf vor allem die Privatisierung von Staatseigentum, Deregulierung und geschrumpfte Sozialbudgets fordert. Diese Theorie dominierte die Wirtschaftspolitik von Weltbank und Internationalem Weltwährungsfond seit dem sogenannten Washington Konsensus aus dem Jahr 1990.
"Eine der Hauptursachen für die Gegnerschaft zur freien Wirtschaft ist gerade die Tatsache, dass sie ihre Aufgaben so gut erfüllt. Sie gibt den Menschen das, was sie wollen und nicht das, was ihnen eine kleine Gruppe aufzwingen will. Hinter den meisten Argumenten gegen den freien Markt steckt der mangelnde Glaube in die Freiheit selbst.“
Verwandlung in Konsumbürger
Diese postulierte Konsumentensouveränität hat die Geschichte der Bundesrepublik bestimmt: Währungsreform und sogenanntes Wirtschaftswunder verwandelten eine kriegerische Nation in Konsumbürger. Heute scheint der König Kunde auf einem noch höheren Thron zu sitzen:
Marketing-Professor Thorsten Hennig-Thurau: "Der neue Konsument, der Social Media Konsument, ist in der Tat so, dass er sich eben nicht mit einer Information, wie sie beispielsweise Werbung bietet ... zufrieden stellt.

Ein Finger zeigt auf das Symbol eines Einkaufwagens auf einer Taste einer Computertastatur (gestelltes Foto).
Im Social Web vertrauen Konsumenten bei ihren Kaufentscheidungen vor allem Empfehlungen anderer Kunden.© picture alliance / ZB / Jens Büttner
Im Gegenteil, heute findet in ganz vielen Produktbereichen kein Kauf mehr statt ohne dass Informationen von anderen Konsumenten im Social Web konsultiert werden. Amazons Produktrezensionen sind ein absoluter Standard geworden was Kaufentscheidungen angeht."
Das vollständige Manuskript zur Sendung als PDF-Dokument oder im barrierefreien Textformat.
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