Verborgene Schätze der Natur
Seit 20 Jahren warnt Florianne Koechlin vor der Gentechnologie. Die Schweizerin ist Biologin und Mitglied des Schweizer Ethikrats. Jetzt überrascht sie mit ihrem Buch "Zellgeflüster", in dem sie ein neues Weltbild vertritt: Pflanzen kommunizieren, lernen, erinnern sich, sind vielleicht gar intelligent.
Sind Schleimpilze intelligente Wesen? Haben Tiere eine Seele? Können Pflanzen sprechen? Die Schweizer Biologin Florianne Koechlin nimmt den Leser auf einen ungewöhnlichen Streifzug durch die Natur mit. Sie reist nach Afrika, nach Indien, in die Schweiz und beschreibt, wie an verschiedenen Orten dieser Erde Menschen sich mit ihrer Umwelt beschäftigen.
Florianne Koechlin ist Mitglied des nationalen Ethikrats der Schweiz und eine konsequente Gegnerin moderner Gentechnik. Sie hat jahrelang für ein Verbot genmanipulierter Pflanzen gekämpft. Ein kritisches Buch zum Thema Gentechnik also, dass aber nicht pauschal verurteilt. "Ich weiß längst nicht mehr, was heute richtig und falsch ist", schreibt die 57-jährige Koechlin. Mitte der 1990er Jahren setzte sie sich vehement in einer großen Kampagne gegen den Einsatz von Genmanipulation im Saatgut ein. Doch bei einer Volksabstimmung in der Schweiz, sprach sich die Mehrheit der Bevölkerung für den Einsatz von Gentechnik aus. Das hat die engagierte Biologin ziemlich irritiert. Heute ist sie längst nicht mehr so dogmatisch, aber immer noch kritisch.
Zellgeflüster ist auch ein sehr persönliches Buch, das neben der Wissenschaft von den politischen Erfahrungen der Autorin erzählt. Einer Autorin, die sehr neugierig ist, und das wirkt ansteckend.
Koechlin schreibt über ein Treffen indischer Bäuerinnen, beim dem der Leser schon nach wenigen Sätzen das Gefühl hat, mit dabei zu sein. Es geht um die jährliche Kontrolle des heimischen Saatguts. Eine Art traditionelle Agrarmesse in den Bergen Nordindiens, wo heute wieder altes Saatgut gehandelt wird, weil es langfristig bessere Ernten garantiert. Das Thema klingt zunächst nicht zwangsläufig spannend. Doch die Biologin schildert Farben und Lichteffekte der Landschaft, erzählt von den Gerüchen in der Umgebung, beschreibt den Ausdruck der Gesichter, die Bewegungen der Menschen, ihre Kleidung. Man spürt das Leben in seiner ganzen Poesie. Merkt die Begeisterung, die Koechlins bewegt, und folgt ihr gerne auf der Suche nach Fragen und Antworten über das Leben.
Streifzüge durch wissenschaftliches Neuland nennt die Autorin ihre vielen kleinen Geschichten. Wahre Geschichten, in denen sie Wissenschaft als einen Teil des Lebens vermittelt. Keine Fachbegriffe oder komplizierte Formulierungen, sondern spannende Einblicke in Themen wie Bewusstsein, Intelligenz und Kommunikation in der Natur. Da flüstern Tomaten im Gemüsebeet miteinander und Maispflanzen kommunizieren mit Wespen, die sie vom Raupenbefall retten sollen. Über Duftstoffe erzählen sie sich die wichtigsten Neuigkeiten. Überall in der Natur sind komplexe Netzwerke zu finden, schreibt Koechlin, dank derer jedes Pflänzchen, jedes Tier, jeder Mensch mit seiner Umgebung im Austausch steht. Ununterbrochen werden Informationen weitergegeben. Die Natur ist durchzogen von zahlreichen geheimnisvollen Netzwerken.
Wer sie kennt, braucht keine chemische Schädlingsbekämpfung und gentechnisch resistent gezüchtete Pflanzen, sagt Koechlin. Die Kommunikationsfreude der Natur lässt sich zum Beispiel prima im Gemüseanbau nutzen. Man muss nur dafür Sorge tragen, dass die richtigen Gesprächspartner aufeinander treffen. Und dafür sorgen, dass ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Arten besteht.
Koechlin erzählt hier von einem Besuch in Kenia. Sie fährt weite Strecken mit dem Landrover durch die Landschaft. Trifft auf einer Maisplantage einen Forscher, der in einem Forschungsprojekt den Bauern vor Ort hilf, mit Marienkäfern gegen die gefräßigen Schädlinge im Feld vorzugehen.
Die Biologin sucht das Gespräch zu vielen verschiedenen Kollegen in alltäglichen Situationen, so dass der Leser die Wissenschaftler von ihrer persönlichen Seite kennen lernt. Darunter sind auch zahlreiche renommierte Wissenschaftler, wie die stellvertretende Vorsitzende des deutschen Ethikrats Regine Kollek oder der Physiker und Träger des Alternativen Nobelpreises Hans-Peter Dürr. Mit ihnen diskutiert Koechlin über Technikgläubigkeit, fragt nach Alternativen und versucht so, die unterschiedlichen ethischen Standpunkte herauszustellen. Unterhaltsame und zum Teil provozierende Gespräche, bei denen es um Fragen wie "Haben Pflanzen eine Würde?" geht und gleichzeitig Apfelkuchen gegessen wird.
Pflanzen dürfen aber nicht patentiert und zu Maschinen degradiert werden, fordert Florianne Koechlin. Sie will ganz bewusst einen Gegenentwurf zum vorherrschenden Wissenschafts- und Naturverständnis vertreten.
Ein abwechselungsreiches, kritisches und zugleich einfühlsames Buch, das nicht nur den Gegnern der Gentechnik gefallen dürfte. Die ausführlichen Beschreibungen, die spannenden Interviews und der große persönliche Anteil, den Koechlin in ihren Text gepackt hat, zeigen jedem auf eindringliche Weise, welche verborgenen Schätze die Natur uns zu bieten hat.
Florianne Koechlin: Zellgeflüster
Lenos Verlag Basel
256 Seiten, 20,50 Euro
Florianne Koechlin ist Mitglied des nationalen Ethikrats der Schweiz und eine konsequente Gegnerin moderner Gentechnik. Sie hat jahrelang für ein Verbot genmanipulierter Pflanzen gekämpft. Ein kritisches Buch zum Thema Gentechnik also, dass aber nicht pauschal verurteilt. "Ich weiß längst nicht mehr, was heute richtig und falsch ist", schreibt die 57-jährige Koechlin. Mitte der 1990er Jahren setzte sie sich vehement in einer großen Kampagne gegen den Einsatz von Genmanipulation im Saatgut ein. Doch bei einer Volksabstimmung in der Schweiz, sprach sich die Mehrheit der Bevölkerung für den Einsatz von Gentechnik aus. Das hat die engagierte Biologin ziemlich irritiert. Heute ist sie längst nicht mehr so dogmatisch, aber immer noch kritisch.
Zellgeflüster ist auch ein sehr persönliches Buch, das neben der Wissenschaft von den politischen Erfahrungen der Autorin erzählt. Einer Autorin, die sehr neugierig ist, und das wirkt ansteckend.
Koechlin schreibt über ein Treffen indischer Bäuerinnen, beim dem der Leser schon nach wenigen Sätzen das Gefühl hat, mit dabei zu sein. Es geht um die jährliche Kontrolle des heimischen Saatguts. Eine Art traditionelle Agrarmesse in den Bergen Nordindiens, wo heute wieder altes Saatgut gehandelt wird, weil es langfristig bessere Ernten garantiert. Das Thema klingt zunächst nicht zwangsläufig spannend. Doch die Biologin schildert Farben und Lichteffekte der Landschaft, erzählt von den Gerüchen in der Umgebung, beschreibt den Ausdruck der Gesichter, die Bewegungen der Menschen, ihre Kleidung. Man spürt das Leben in seiner ganzen Poesie. Merkt die Begeisterung, die Koechlins bewegt, und folgt ihr gerne auf der Suche nach Fragen und Antworten über das Leben.
Streifzüge durch wissenschaftliches Neuland nennt die Autorin ihre vielen kleinen Geschichten. Wahre Geschichten, in denen sie Wissenschaft als einen Teil des Lebens vermittelt. Keine Fachbegriffe oder komplizierte Formulierungen, sondern spannende Einblicke in Themen wie Bewusstsein, Intelligenz und Kommunikation in der Natur. Da flüstern Tomaten im Gemüsebeet miteinander und Maispflanzen kommunizieren mit Wespen, die sie vom Raupenbefall retten sollen. Über Duftstoffe erzählen sie sich die wichtigsten Neuigkeiten. Überall in der Natur sind komplexe Netzwerke zu finden, schreibt Koechlin, dank derer jedes Pflänzchen, jedes Tier, jeder Mensch mit seiner Umgebung im Austausch steht. Ununterbrochen werden Informationen weitergegeben. Die Natur ist durchzogen von zahlreichen geheimnisvollen Netzwerken.
Wer sie kennt, braucht keine chemische Schädlingsbekämpfung und gentechnisch resistent gezüchtete Pflanzen, sagt Koechlin. Die Kommunikationsfreude der Natur lässt sich zum Beispiel prima im Gemüseanbau nutzen. Man muss nur dafür Sorge tragen, dass die richtigen Gesprächspartner aufeinander treffen. Und dafür sorgen, dass ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Arten besteht.
Koechlin erzählt hier von einem Besuch in Kenia. Sie fährt weite Strecken mit dem Landrover durch die Landschaft. Trifft auf einer Maisplantage einen Forscher, der in einem Forschungsprojekt den Bauern vor Ort hilf, mit Marienkäfern gegen die gefräßigen Schädlinge im Feld vorzugehen.
Die Biologin sucht das Gespräch zu vielen verschiedenen Kollegen in alltäglichen Situationen, so dass der Leser die Wissenschaftler von ihrer persönlichen Seite kennen lernt. Darunter sind auch zahlreiche renommierte Wissenschaftler, wie die stellvertretende Vorsitzende des deutschen Ethikrats Regine Kollek oder der Physiker und Träger des Alternativen Nobelpreises Hans-Peter Dürr. Mit ihnen diskutiert Koechlin über Technikgläubigkeit, fragt nach Alternativen und versucht so, die unterschiedlichen ethischen Standpunkte herauszustellen. Unterhaltsame und zum Teil provozierende Gespräche, bei denen es um Fragen wie "Haben Pflanzen eine Würde?" geht und gleichzeitig Apfelkuchen gegessen wird.
Pflanzen dürfen aber nicht patentiert und zu Maschinen degradiert werden, fordert Florianne Koechlin. Sie will ganz bewusst einen Gegenentwurf zum vorherrschenden Wissenschafts- und Naturverständnis vertreten.
Ein abwechselungsreiches, kritisches und zugleich einfühlsames Buch, das nicht nur den Gegnern der Gentechnik gefallen dürfte. Die ausführlichen Beschreibungen, die spannenden Interviews und der große persönliche Anteil, den Koechlin in ihren Text gepackt hat, zeigen jedem auf eindringliche Weise, welche verborgenen Schätze die Natur uns zu bieten hat.
Florianne Koechlin: Zellgeflüster
Lenos Verlag Basel
256 Seiten, 20,50 Euro