Verblüffend nah an der Mentalität der Chinesen
Ein Projekt des Landestheaters Linz und der Kulturhauptstadt Linz 2009 bringt Bert Brechts "Der gute Mensch von Sezuan" und Franz Lehars "Das Land des Lächelns" unter chinesischer Regie auf die Bühne.
Kann man gut sein? Die Prostituierte Shen Te in Brechts "Der gute Mensch von Sezuan" muss sich immer wieder in ihren hartherzigen Vetter Shiu Ta verwandeln, um zu überleben. Um gut zu bleiben, muss man böse werden. Wenn der aus Singapur stammende Regisseur Ong Ken Sen Brechts 1940 vollendete Parabel inszeniert, dann sind im Zuschauerraum auch Bildschirme eingeschaltet. Ong Ken Sen interessiert nämlich noch etwas anderes: Das Alter Ego, das der gute Mensch braucht, sind Atavare, das virtuelle Second Life und zwar in der bunten Ästhetik eines Mangacomics.
Bert Brechts Studium des chinesischen Theaters führt Ong Ken Sen weiter. Brechts Verfremdungseffekte verfestigen sich bei ihm zu Ritualen und Tänzen, meist wird in grellbunten Kostümen mit Masken gespielt und in modernen Tanz- oder Kampfsportschritten – wie in Kung-Fu-Filmen – die Szene aufgelöst. Und vor allem: Die Prostituierte Shen Te ist keine Frau, sondern ein Schauspieler, der auf gewaltig hohen Stöckeln als aufreizende Prostituierte einherstakst. Karl M. Sibelius ist Shen Te; und auch als böser Mann Shiu Tu wirkt Karl M. Sibelius mit seinem fantastischen Mond-Kragen eher wie eine Königin der Nacht, wie eine Primadonna.
"Das ist in der Pekingoper überhaupt so, dass es nur einen Protagonisten gibt und die anderen leisten sehr viel Arbeit, das ist natürlich für das Ensemble wirklich hart, das ist auch ein Dienen für die anderen. Als Schauspieler ist man ja eitel, wenn die Rolle groß ist man ja glücklich, wenn sie klein ist: na ja. Es hat mir gar nicht eingeleuchtet. Und dann haben wir lange geredet und durch meine private Geschichte, da ich Adoptivvater - mit meinem Freund - einer Tochter bin und dann dieses ganze Thema 'Transsexualität und guter Mensch' - es heißt ja nicht die 'Gute Frau von Sezuan' - und mit mehrmaligem Lesen hat mir das eigentlich sehr eingeleuchtet."
"Der gute Mensch von Sezuan" ist eine Koproduktion des Linzer Landestheaters mit dem Theaterprogramm der Kulturhauptstadt Linz 2009, eine Aufführung also, die über den normalen Spielzeitbetrieb eines Theaters hinausgeht. Dem Ensemble des Theaters konnten zunächst auf diese Weise mehrere Trainingskurse in asiatischer Theater- und Kampfkunst finanziert werden.
"Also wir hatten Workshops, Pekingopernworkshops mit zwei aus Singapur, die dort professionelles Theater leiten, also Martial-Art Tai Chi verschieden Arten haben wir erlernt, Kampftechniken haben wir gelernt; und ich als Shiu Ta habe auch die ganzen weiblichen Techniken angelernt."
Kann man heute noch mit Exotik verblüffen, kann exotische Fremdheit unüberwindbare Gegensätze herstellen? Es ist das Thema von Franz Lehars tragischer Operette "Das Land des Lächelns." – der zweite Teil der Begegnung asiatischer Regisseure mit dem deutschen oder besser österreichischen Stadttheaterbetrieb. In der Inszenierung des Pekinger Regisseurs Liuyi Li ist die konventionelle Operettenpraxis völlig aufgegeben, Land des Lächelns ist nun chinesisches Musiktheater voller Ernsthaftigkeit, mit minimalen, umso wirkungsvolleren Bewegungen. Dabei sind lediglich zwei eigens für diese Produktion komponierte Musikstücke von Wenjing Guo in Lehars Musik montiert worden.
Kein Mobiliar, keine Requisiten, sieht man von zwei Stühlen ab, die große Bühne eingeschlossen von hellsilbrigen Wänden mit einer großen roten Fläche, dazwischen ein langes Wasserbecken, in dem Blumen schwimmen, darüber ein Steg. Im Wasser taucht man zeremoniell das Gewand ein oder man berührt es, wenn man im Duett vorgibt, Tee zu trinken. Stimmt es das Chinesen immer lächeln, wenn sie traurig sind?
"Ja! Natürlich. Natürlich, Lächeln heißt nicht nur tolerant. Lächeln hat noch viel mehr Bedeutungen: Lächeln heißt zum Beispiel stark zu sein, die anderen zu verstehen, hoffnungsvoll sein."
Immer nur lächeln? Gerade weil der Liuyi Li Land des Lächelns so konsequent den Regeln asiatischer Theaterkunst unterwirft und danach choreografiert, wirkt Lehars Operette paradoxerweise nicht folkloristisch, erscheint sie nicht als sentimentaler etwas altbackener Konflikt zweier Kulturen. Vielmehr ist es eine alltägliche Entfremdungsgeschichte eines Paares, das als archetypischer Konflikt choreografiert wird. Der Obereunuch, keine Rolle für einen ausrangierten Komiker, sondern eine Figur voller pathetischer Tragik, die an der Vergangenheit festhalten will. Ausgerechnet der erste Akt, der in Wien spielt, scheint am meisten in Kostüm und Stilisierung dieser chinesischen Theaterpraxis verpflichtet. In der Tat eine Kunst des traurigen Lächelns, das das Innenleben zu verstecken sucht. Liuyi Li hat Lehars Titel als Kunstprogramm genommen.
Von der Wirkung in Asien sind die beiden deutschen Theaterwerke grundverschieden: Bert Brecht gehört zu den meist gespielten Dramatikern in Asien und die durchaus dem zeitgenössischen Festivalzirkus kompatible Produktion des "Guten Menschen" wird voraussichtlich auch in Asien gezeigt werden, aber Lehars "Land des Lächelns", sagt Liu Liuyi, ist noch nie in China gespielt worden. Vielleicht wird sich das ändern, meint er, chinesischer Mentalität käme Lehars Werk verblüffend nahe.
Informationen:
landestheater-linz.at
Bert Brechts Studium des chinesischen Theaters führt Ong Ken Sen weiter. Brechts Verfremdungseffekte verfestigen sich bei ihm zu Ritualen und Tänzen, meist wird in grellbunten Kostümen mit Masken gespielt und in modernen Tanz- oder Kampfsportschritten – wie in Kung-Fu-Filmen – die Szene aufgelöst. Und vor allem: Die Prostituierte Shen Te ist keine Frau, sondern ein Schauspieler, der auf gewaltig hohen Stöckeln als aufreizende Prostituierte einherstakst. Karl M. Sibelius ist Shen Te; und auch als böser Mann Shiu Tu wirkt Karl M. Sibelius mit seinem fantastischen Mond-Kragen eher wie eine Königin der Nacht, wie eine Primadonna.
"Das ist in der Pekingoper überhaupt so, dass es nur einen Protagonisten gibt und die anderen leisten sehr viel Arbeit, das ist natürlich für das Ensemble wirklich hart, das ist auch ein Dienen für die anderen. Als Schauspieler ist man ja eitel, wenn die Rolle groß ist man ja glücklich, wenn sie klein ist: na ja. Es hat mir gar nicht eingeleuchtet. Und dann haben wir lange geredet und durch meine private Geschichte, da ich Adoptivvater - mit meinem Freund - einer Tochter bin und dann dieses ganze Thema 'Transsexualität und guter Mensch' - es heißt ja nicht die 'Gute Frau von Sezuan' - und mit mehrmaligem Lesen hat mir das eigentlich sehr eingeleuchtet."
"Der gute Mensch von Sezuan" ist eine Koproduktion des Linzer Landestheaters mit dem Theaterprogramm der Kulturhauptstadt Linz 2009, eine Aufführung also, die über den normalen Spielzeitbetrieb eines Theaters hinausgeht. Dem Ensemble des Theaters konnten zunächst auf diese Weise mehrere Trainingskurse in asiatischer Theater- und Kampfkunst finanziert werden.
"Also wir hatten Workshops, Pekingopernworkshops mit zwei aus Singapur, die dort professionelles Theater leiten, also Martial-Art Tai Chi verschieden Arten haben wir erlernt, Kampftechniken haben wir gelernt; und ich als Shiu Ta habe auch die ganzen weiblichen Techniken angelernt."
Kann man heute noch mit Exotik verblüffen, kann exotische Fremdheit unüberwindbare Gegensätze herstellen? Es ist das Thema von Franz Lehars tragischer Operette "Das Land des Lächelns." – der zweite Teil der Begegnung asiatischer Regisseure mit dem deutschen oder besser österreichischen Stadttheaterbetrieb. In der Inszenierung des Pekinger Regisseurs Liuyi Li ist die konventionelle Operettenpraxis völlig aufgegeben, Land des Lächelns ist nun chinesisches Musiktheater voller Ernsthaftigkeit, mit minimalen, umso wirkungsvolleren Bewegungen. Dabei sind lediglich zwei eigens für diese Produktion komponierte Musikstücke von Wenjing Guo in Lehars Musik montiert worden.
Kein Mobiliar, keine Requisiten, sieht man von zwei Stühlen ab, die große Bühne eingeschlossen von hellsilbrigen Wänden mit einer großen roten Fläche, dazwischen ein langes Wasserbecken, in dem Blumen schwimmen, darüber ein Steg. Im Wasser taucht man zeremoniell das Gewand ein oder man berührt es, wenn man im Duett vorgibt, Tee zu trinken. Stimmt es das Chinesen immer lächeln, wenn sie traurig sind?
"Ja! Natürlich. Natürlich, Lächeln heißt nicht nur tolerant. Lächeln hat noch viel mehr Bedeutungen: Lächeln heißt zum Beispiel stark zu sein, die anderen zu verstehen, hoffnungsvoll sein."
Immer nur lächeln? Gerade weil der Liuyi Li Land des Lächelns so konsequent den Regeln asiatischer Theaterkunst unterwirft und danach choreografiert, wirkt Lehars Operette paradoxerweise nicht folkloristisch, erscheint sie nicht als sentimentaler etwas altbackener Konflikt zweier Kulturen. Vielmehr ist es eine alltägliche Entfremdungsgeschichte eines Paares, das als archetypischer Konflikt choreografiert wird. Der Obereunuch, keine Rolle für einen ausrangierten Komiker, sondern eine Figur voller pathetischer Tragik, die an der Vergangenheit festhalten will. Ausgerechnet der erste Akt, der in Wien spielt, scheint am meisten in Kostüm und Stilisierung dieser chinesischen Theaterpraxis verpflichtet. In der Tat eine Kunst des traurigen Lächelns, das das Innenleben zu verstecken sucht. Liuyi Li hat Lehars Titel als Kunstprogramm genommen.
Von der Wirkung in Asien sind die beiden deutschen Theaterwerke grundverschieden: Bert Brecht gehört zu den meist gespielten Dramatikern in Asien und die durchaus dem zeitgenössischen Festivalzirkus kompatible Produktion des "Guten Menschen" wird voraussichtlich auch in Asien gezeigt werden, aber Lehars "Land des Lächelns", sagt Liu Liuyi, ist noch nie in China gespielt worden. Vielleicht wird sich das ändern, meint er, chinesischer Mentalität käme Lehars Werk verblüffend nahe.
Informationen:
landestheater-linz.at