Verband der Deutschen Industrie befürchtet Ende des Aufschwungs

Moderation: Birgit Kolkmann |
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet mit einen Ende des Aufschwungs in Deutschland. Im kommenden Jahr werde die deutsche Wirtschaft in ein "Wachstumsloch" fallen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Werner Schnappauf. Deshalb müsse man Wachsreserven wie die Bildung stärker aktivieren.
Birgit Kolkmann: Es ist keine Sonnenfinsternis, wie sie ab morgen Mittag in Deutschland zu besichtigen sein wird, aber doch eine gewisse Verdunkelung – Eintrübung nennen das Wirtschaftsfachleute. Die Stimmung ist gedämpft bei Verbrauchern und Firmen, was die Konjunktur angeht, und auch auf dem Arbeitsmarkt kommt langsam an, dass der Aufschwung vorbei ist. Heute wird die Bundesagentur in Nürnberg die aktuellen Arbeitsmarktdaten veröffentlichen, wahrscheinlich haben wir im Juli 40.000 Arbeitslose mehr zu verzeichnen. Wir sind nun mit dem Hauptgeschäftsführer des Bundes der Deutschen Industrie (BDI) verbunden, schönen guten Morgen, Werner Schnappauf!

Werner Schnappauf: Einen wunderschönen guten Morgen!

Kolkmann: Herr Schnappauf, wieder mehr Arbeitslose – ist das nur die Sommerpause, oder Zeichen für schwarze Wolken am Konjunkturhimmel?

Schnappauf: Schwarze Wolken zeichnen sich in der Tat ab am Konjunkturhimmel, aber Gott sei Dank so richtig erst für nächstes Jahr, 2009. 2008 rechnen wir noch mit einem kräftigen Wirtschaftswachstum. Wir glauben sogar, dass es zu schaffen sein könnte, dass eine zwei vor dem Komma steht, wir hatten ja im vergangenen Jahr 2,7 Prozent, heuer könnten wir also 2 Prozent schaffen, das hat der BDI von Anfang an prognostiziert. Aber nächstes Jahr werden wir in ein Wachstumsloch hineinfallen, und im Grunde fällt Deutschland zurück auf seine alte Wachstumsschwäche, denn seit Jahr und Tag, seit Jahrzehnten haben wir ein relativ schwaches strukturelles Wirtschaftswachstum von 1, 1,5 Prozent, und dorthin werden wir nächstes Jahr zurückfallen.

Kolkmann: Ist das auch mit ein Grund dafür, dass man abhängt von der Weltwirtschaft, von den hohen Energiepreisen im Augenblick vor allen Dingen?

Schnappauf: Es gibt viele Gründe, warum die Auftragsbücher der deutschen Wirtschaft, auch der deutschen Industrie – denn bislang hat die Industrie ja den Aufschwung ganz wesentlich getragen. Im Moment entstehen oder entstanden in den letzten Monaten um die 1000 Jobs im Saldo, natürlich sind diese Jobentwicklungen, diese Konjunktur, abhängig von vielen guten Rahmenbedingungen. Da haben wir auf der einen Seite, dass die Unternehmen wirklich sich ausgerichtet haben auf den Weltmarkt, dass auch die Arbeitnehmer Lohnzurückhaltung (Anm. d. Redaktion: Wort schwer verständlich im Hörprotokoll) gezeigt hatten, dass die Politik Rahmenbedingungen verbessert hat. Das alles hat dazu beigetragen und auch eine gute Weltkonjunktur. Jetzt haben wir hohe Rohstoff-, hohe Energiepreise, einen teuren Euro in Relation zum Dollar und vieles andere mehr, was die Weltkonjunktur belastet bis hin zur Finanzmarktkrise aus den USA, so dass wir tatsächlich einen Wachstumsrückgang haben werden. Aber wir müssen auch sagen, dass die heimischen Wachstumskräfte noch nicht hinreichend ausgeschöpft sind.

Kolkmann: Wo sehen Sie denn die Wachstumskräfte noch, die Reserven?

Schnappauf: Wir sind überzeugt, dass wir Wachstumsreserven in Deutschland heben können, indem wir Bildung stärken, unsere Innovationskraft stärken, indem wir die Informations- und Kommunikationstechnologie ausbauen, indem wir die Gesundheitswirtschaft ausbauen. Wir sehen auch viele Wachstumsbremsen, die gelöst werden müssen, zum Beispiel in einer ausreichenden, bezahlbaren Energieversorgung, zum Beispiel in der Infrastruktur. Hier könnten viele Wachstumsbremsen gelöst werden, ohne dass es den Staat Geld kostet. Denken Sie an das Thema Entbürokratisierung, hier könnten Milliarden Kostenlasten für die Wirtschaft wegfallen, wenn entbürokratisiert würde.

Kolkmann: Bleiben wir jetzt einfach mal bei dem Thema Energie. Sie sprachen an, auch da gibt es Wachstumsreserven, man könnte günstigere Energie zur Verfügung stellen. Wo sehen Sie die Möglichkeiten? Denken Sie jetzt an die Atomkraft?

Schnappauf: Wir brauchen in Deutschland ein klares Energiekonzept. Wir alle, ob private Verbraucher oder Wirtschaft, sind abhängig von einer Energieversorgung, die sicher ist, die umweltfreundlich ist und bezahlbar gleichermaßen, und dazu brauchen wir einen klaren Energiemix, wo auch ein klares Commitment zur klimafreundlichen Kernkraft drin ist genauso wie zu den erneuerbaren Energien. Wir brauchen den Energieleitungsbau. Hier liegen Investitionen in Milliardenhöhe brach, das würde Investitionen schaffen, wenn wir allein in Deutschland unsere Energieinfrastruktur zukunftsfähig ausbauen.

Kolkmann: Kommen wir noch einmal zur Stimmung bei Verbrauchern und auch Unternehmen in der Euro-Zone, die ist ja wohl, nach Erhebung der EU-Kommission, so schlecht wie seit März 2003 nicht mehr. Ist das nun alles nur Pessimismus oder eine durchaus realistische Sicht der Weltwirtschaftsdinge?

Schnappauf: Nun, dass die Stimmung rückläufig ist, ist verständlich, aber im Grunde auch nicht notwendig. Denn es gibt viele Möglichkeiten, dieses Pflänzchen des Wirtschaftswachstums in Deutschland zu düngen, dass wir durch eine kluge Politik Anreize geben für Investitionen, denn wir haben an vielen Stellen heute Engpässe. Denken Sie nur an das Thema Fachkräftemangel, denken Sie an das Thema Energiesparen. Wir könnten dort durch private Investitionen Energie-Contracting ermöglichen, das die Privatwirtschaft vorfinanziert, um damit unsere Gebäude klimafreundlich auszurüsten. Und so gibt es viele Möglichkeiten anzusetzen, private Investitionen anzureizen auf der einen Seite oder durch staatliches Handeln, Entbürokratisierung als Beispiel, Wachstumsbremsen zu lösen. Alles das könnte das Wachstum stärken und Jobs schaffen.

Kolkmann: Der Abschwung erfasst den Arbeitsmarkt, das war ein Gespräch mit dem Hauptgeschäftsführer des Bundes der Deutschen Industrie mit Werner Schnappauf. Vielen Dank dafür, Herr Schnappauf!

Schnappauf: Bitte sehr!