Verband Bildung und Erziehung verlangt bessere Lehrerausbildung

Moderation: Frank Capellan |
Der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Ludwig Eckinger, hat die Lehrerausbildung in Deutschland kritisiert. An den Universitäten werde die Ausbildung von Pädagogen als "fünftes Rad am Wagen" behandelt, sagte Eckinger. Als Folge sei das Selbstbewusstsein der Lehrer nicht so ausgeprägt, wie man sich das wünschen müsse.
Capellan: Etwa 1700 Lehrerinnen und Lehrer, Wissenschaftler und Gewerkschafter beraten seit Sonntag über bessere Bildungschancen für Menschen in aller Welt. Bundespräsident Horst Köhler hatte diesen Weltlehrerkongress eröffnet und dabei proklamiert: Gute Bildung sollte keine Glückssache sein, sie ist ein Menschenrecht. Veranstalter des Treffens ist die sogenannten Bildungsinternationale, ein Dachverband der internationalen Pädagogengewerkschaften. Mitglied ist auch der deutsche Verband Bildung und Erziehung und dessen Bundesvorsitzenden begrüße ich nun zum Interview bei Deutschlandradio Kultur. Einen schönen guten Morgen an Ludwig Eckinger.

Dr. Ludwig Eckinger: Guten Morgen.

Capellan: Herr Eckinger, auch Sie haben ähnlich wie der Bundespräsident erklärt, wir müssen ein starkes öffentliches Bildungswesen schaffen, zu dem alle unabhängig von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft Zugang erhalten. In wie weit haben Sie dabei auch an Deutschland gedacht?

Eckinger: Dabei habe ich natürlich auch an Deutschland gedacht, denn es geht vor allem um eine Bildung für alle in hoher Qualität, weil Bildung der entscheidende Schlüssel ist auch in Deutschland zur Lösung sozialer und gesellschaftlicher Probleme. Wir wissen seit PISA endgültig, dass die soziale Disparität auch in Deutschland groß ist, dass der Bildungserfolg ganz erheblich vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Das müssen wir natürlich ändern, denn wir haben darauf hingewiesen, ich habe sehr darauf hingewiesen, dass Menschsein heißt sich bilden. Und wir wissen auch, dass Millionen Kinder dieser Bildungspflicht gerne nachkommen wollen in der Welt. Auch in Deutschland, das muss man leider betonen, ist es so, dass es nicht ganz selbstverständlich ist, dass Bildung für alle ein Menschenrecht ist, das es ohne Einschränkungen zu verwirklichen gilt.

Capellan: Herr Eckinger, Sie werden es geahnt haben, meine Frage zielte ja auch ab auf die Kritik von UN-Menschenrechtsinspektor Vernor Muñoz an der deutschen Bildungspolitik. Er war gestern ebenfalls in Berlin zu Gast. Er hat unser dreigliedriges Schulsystem scharf kritisiert. Muñoz wirft Deutschland im Übrigen vor, Kinder von Ausländern, von sozial Schwachen und Kinder mit Behinderungen erheblich zu benachteiligen. Würden Sie das so unterschreiben?

Eckinger: Also ich muss sagen, ich verstehe keine Häme, die hier aufgekommen ist gegenüber dem Muñoz-Bericht. Er hat sehr genau beobachtet und er hat festgestellt, dass bei uns Bildungsgerechtigkeit nicht annähernd verwirklicht wird. Deshalb hat er sehr scharf auch den Zugang zur Bildung schon über den Kindergarten kritisiert und dann auch die Rutschbahn, die es bei uns gibt nach unten. Was die Dreigliedrigkeit auch angeht, ist es ja so, dass in den Ländern, in denen es eine Hauptschule gibt, und wenn es sie nicht mehr gibt, dann ist es eine Sekundarschule, eigentlich das Auffangbecken ist als Pflichtschule. Das ist wirklich Diskriminierung auch in einem hochentwickelten Staat. Darauf hat er hingewiesen.

Im Übrigen hat er auch sehr gut beobachtet, dass das Selbstbewusstsein der deutschen Lehrerinnen und Lehrer nicht so ausgeprägt ist, wie man sich das wünschen muss. Das hat ja Gründe, wenn eine Profession in einer Gesellschaft nicht so viel gilt, wie sie von ihrem Rang her eigentlich gelten müsste.

Capellan: Woran liegt das?

Eckinger: Da gibt es viele Gründe. Da gibt es zum Beispiel auch den Grund, dass die Ausbildung an den Universitäten nicht an erster Stelle steht. Das heißt also, dass die Universitäten Lehrerbildung als fünftes Rad am Wagen behandeln dürfen, dass letzten Endes Bildung nur in Sonntagsreden wirklich so hoch eingestuft wird, wie es eigentlich sein müsste, und damit einhergehend, die Profession der Lehrerin, des Lehrers nicht so hoch geschätzt wird, wie es der Bundespräsident - natürlich sind wir da dankbar- am Sonntag wieder getan hat.

Capellan: Sind das Vorwürfe, die Sie da auch in Richtung Politik richten?

Eckinger: Ja natürlich, denn die Politik ist ja verpflichtet, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit wir gute Arbeit abgeben können. Und die Rahmenbedingungen sind schlecht. Wir haben eine Ausbildung, die zu wenig Praxisorientiert ist, wir sind als Lehrerinnen und Lehrer natürlich ganz schnell am Ende unserer Professionalität, wenn es nicht soziale Netzwerke gibt, wenn nicht Schulsozialarbeit den Stellenwert bekommt in der Schule, den sie eigentlich verdient. Und von daher ist es so, dass wir der Politik natürlich Vorwürfe machen müssen.

Capellan: Was müsste sich ändern ganz konkret?

Eckinger: Wir brauchen zunächst einmal dringend ein Netzwerk, das über unsere Kernaufgabe hinaus den erziehenden Unterricht auch ermöglicht, dass wir Schulsozialarbeit, und zwar nicht nur in Brennpunktschulen, sondern in allen Schulen, haben - also Sozialpädagogik eine große Rolle spielen darf und muss. Wir brauchen die Hilfe der Schulpsychologie nicht nur bei Gewaltproblemen, wir brauchen auch die Unterstützung der Medien und wir brauchen die Unterstützung, wenn es sein muss, auch der Polizei, der Kirchen. Aber es sollte alles präventiv sein und nicht erst, wenn es lichterloh brennt.

Capellan: Sie haben im Übrigen ein sogenanntes Lehrer-PISA vorgeschlagen. Wie genau stellen Sie sich das vor?

Eckinger: Ja, das habe ich gestern aus einem Arbeitskreis heraus vorgeschlagen, weil ich natürlich weiß, dass die Öffentlichkeit sagt, Lehrerinnen und Lehrer beurteilen ein Leben lang und selbst werden sie nicht beurteilt, was so ohnehin nicht stimmt. Aber wenn Lehrer-PISA eine gute Methodologie ist, die die OECD jetzt nach den PISA-Studien anbietet, um Lehrerarbeit zu messen beziehungsweise zu würdigen, dann kann das der Schulentwicklung, dann kann das auch der Entwicklung des Berufes dienen. Und deshalb sage ich ja zu einem Lehrer-PISA, denn niemand soll uns Lehrerinnen und Lehrern unterstellen können, dass wir uns nicht auch beurteilen lassen wollen. Das muss allerdings dann wirklich, das muss ich noch mal sagen, dem dienen, was dann allen dient, nämlich der Schulentwicklung und auch der Entwicklung des Berufs.