Veranstaltungsreihe "Miteinander leben"

    Friede durch Kreuz und Koran?

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    © Deutschlandradio/Bertelsmann
    09.05.2016
    Die Gesellschaften verändern sich - sowohl in Deutschland als auch in Österreich. Beide Länder haben eine große Zahl Flüchtlinge aufgenommen - längst sind sie Einwanderungsgesellschaften geworden.
    Die damit verbundenen Herausforderungen thematisiert eine Veranstaltungsreihe von Deutschlandradio, Bertelsmann-Stiftung und ORF.
    Im Zentrum der zweiten Veranstaltung am 9. Mai im RadioKulturhaus in Wien steht die Frage nach der Rolle der Religionen. Europa hat das kriegerische Potential der Religionen in den Konfessionskriegen der frühen Neuzeit erlebt. Im Nahen und Mittleren Osten sind religiös aufgeladene Kriege blutige Phänomene der Gegenwart. Zugleich haben die Religionen friedensstiftende Potentiale, die ein Gegengewicht zu Nationalismus, Rassismus und schrankenlosem Machtstreben der Politik bilden können. In Europa sind diese Potentiale wirksam geworden, seitdem die politische Macht der christlichen Kirchen gebrochen wurde und die Distanz zwischen Staat und Kirchen durchgesetzt wurde.
    Kann Religion verbinden und befrieden?
    Was bedeuten diese Erfahrungen für die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland und Österreich im Zeitalter der Einwanderung? Drohen die Religionen bei der Integration der Einwanderer eine destruktive, trennende Rolle zu spielen - oder kann Religion verbinden und befrieden? Welche Rolle spielt die Zivilgesellschaft? Kann interreligiöser Dialog auf dem gesellschaftlichen und politischen Feld Brücken bauen für sozialen Frieden - sowohl innerhalb von Österreich, Deutschland und Europa als auch für den Frieden zwischen Europa und den muslimisch geprägten Staaten?

    Es diskutieren:
    Hatice Akyün, Autorin, Berlin
    Dr. Michael Spindelegger, Generaldirektor des International Centre for Migration Policy Development, Vizekanzler und Außenminister a.D., Wien
    Prof. Dr. Paul Zulehner, Pastoraltheologe, Universität Wien
    Dr. Markus Dröge, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
    Moderation:
    Dr. Anne Françoise Weber, Redakteurin, Deutschlandradio Kultur
    Christoph Takacs, Chefredakteur, ORF III

    Öffentliche Veranstaltung in Wien
    Die öffentliche Veranstaltung findet statt am Montag, dem 9. Mai 2016, um 18.30 Uhr im RadioKulturhaus, Argentinierstraße 30 a, 1040 Wien
    Ausgangspunkt des Podiumsgesprächs ist eine wissenschaftliche Untersuchung von Dr. Markus A. Weingardt zum Thema "Frieden durch Religion? – Das Spannungsverhältnis zwischen Religion und Politik". Die Untersuchung wurde von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegeben.
    Vom 2. Mai an finden Sie den geamten Text von Markus Weingardt auf den Online-Seiten der Bertelsmann-Stiftung. Hier eine Zusammenfassung des Beitrags:
    Das zunehmende Auftreten religiöser Gewaltakteure hat im Wesentlichen zwei Ursachen: Zum einen können religiöse Schriften bis heute so interpretiert werden, dass sie Gewalthandeln legitimieren. Konfliktführer nutzen dies insbesondere dazu, Interessen- gezielt in Wertekonflikte zu transformieren und damit die eigenen Erfolgschancen zu steigern.
    Zum anderen spielen hierbei Defizite politischer Regime bei der Problem- und Konfliktlösung eine Rolle. Dies ist vor allem in Modernisierungskonflikten zu beobachten, durch die ein Macht- und Wertevakuum entsteht, das religiöse Akteure versuchen zu füllen.
    Doch ebenso wie religiöse Akteure zur Verschärfung von Konflikten beitragen können, haben sie das Potenzial zu entschärfen und zu deeskalieren. Das belegen zahlreiche Beispiele in Geschichte und Gegenwart, auf internationaler wie nationaler Ebene, in Kriegen, Bürgerkriegen und im Widerstand gegen repressive Regime. Religiöse Akteure verfügen über Erfahrungen, Kompetenzen und Erfolge in gewaltloser, konstruktiver Konfliktbearbeitung. Vor allem genießen sie häufig einen Vertrauensvorschuss, der säkularen Friedensakteuren vielfach verschlossen bleibt. Dieses spezifische religiöse Friedenspotenzial gilt es zu stärken und auszubauen.
    Dazu muss erstens der Diskurs über die Bedeutung von Religionen im Kontext von Konflikt und Gewalt versachlicht und differenziert werden. Es dient weder dem Frieden noch der gesellschaftlichen Integration, wenn Religionen wirklichkeitsfern als bedrohlich wirkende, homogene Mächte dargestellt werden; wenn kulturelle und religiöse Einflüsse (zulasten der Religion) vermischt werden; wenn sich die Berichterstattung einseitig und verzerrend auf religiös geprägtes Gewalthandeln konzentriert; wenn bei der Bewertung von Religionen oder religiösen Überlieferungen zweierlei Maß angelegt wird.
    Zweitens sind maßgebliche gesellschaftliche und politische Akteure gefordert, religiöse Friedenskräfte zu stärken. Politische Verantwortungsträger sind aufgerufen, religiöse Friedenskräfte zu identifizieren und in Friedensprozesse kritisch-kooperativ einzubeziehen. Zur Verantwortung von Medien gehört es auch, das Frieden fördernde Handeln religiöser Kräfte darzustellen. Ebenso muss in Wissenschaft und Bildung der Blick verstärkt auf die deeskalierenden und integrativen Potenziale von religiösen Akteuren gerichtet werden.
    In erster Linie sind jedoch die Religionsgemeinschaften selbst gefordert. Sie müssen auf allen Ebenen engagiert den ihnen innewohnenden Gewaltpotenzialen entgegenwirken und zugleich ihre Friedenskompetenzen ausbauen. Diese gilt es zu erkennen, weiter zu entwickeln und aktiv in Prozesse der Problem- und Konfliktbearbeitung einzubringen. Um ideeller und institutioneller Vereinnahmung vorzubeugen, sollten Religionsgemeinschaften zu politischen Systemen eine konstruktive Distanz wahren. Hingegen ist die interreligiöse bzw. interkonfessionelle Bildung, Verständigung und Zusammenarbeit dringend zu intensivieren.
    Diskutieren Sie mit!
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    Anmeldung
    Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos, eine Kartenreservierung jedoch erforderlich unter radiokulturhaus@orf.at oder telefonisch unter +43 -1- 501 70-377.
    Karten können auch vor Ort im RadioKulturhaus persönlich abgeholt werden, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 16 bis 19 Uhr.
    Sendetermine:
    Live auf "Dokumente und Debatten", dem Dokumentationskanal von Deutschlandradio im Internet
    Deutschlandradio Kultur, "Zeitfragen", Mittwoch, 11. Mai, 19.07 Uhr – Übertragung der Diskussion mit einer thematischen Einführung von Stephanie Oswalt
    Fernsehprogramm ORF III, Mittwoch, 11. Mai, 21.05 Uhr, "ORF III Spezial"
    Radioprogramm Ö 1, Mittwoch, 18. Mai, 16.00 Uhr, "Praxis Religion und Gesellschaft"

    Veranstaltungsreihe "Miteinander leben"
    Der erste Teil der gemeinsamen Diskussionsreihe von Deutschlandradio und der Bertelsmann Stiftung "Miteinander leben" fand am 9. März in Berlin statt:
    "Untergang des Abendlandes? Identität und Zusammenhalt im 21. Jahrhundert"
    Die dritte Veranstaltung findet am 3. Juni, 11 Uhr, in der Bertelsmann-Repräsentanz in Berlin statt:
    Auf dem Weg zum europäischen Islam – Zusammenleben in pluralen Gesellschaften