Ver.di: Wir bleiben bei acht Prozent mehr Lohn

Achim Meerkamp im Gespräch mit Birgit Kolkmann |
Der Verhandlungsführer von ver.di bei den Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder, Achim Meerkamp, hat die Forderungen seiner Gewerkschaft nach acht Prozent mehr Lohn bekräftigt. Meerkamp warnt vor den Folgen zu niedriger Gehälter im öffentlichen Dienst: "Wir haben jetzt schon große Probleme im Fachkräftebereich.
Birgit Kolkmann: Acht Prozent mehr Gehalt - so viel wie die Angestellten des Bundes und der Gemeinden sollen auch die der Länder mehr bekommen. Das fordern die Gewerkschaften ver.di und der Beamtenbund für die 700.000 Beschäftigten. Nächste Woche beginnen die Tarifverhandlungen und angesichts der aktuellen Finanzkrise halten das manche für eine überzogene Forderung.

Kann der Staat sich das überhaupt leisten angesichts der Rekordverschuldung in der aktuellen schweren Wirtschaftskrise? Wir wollen nachfragen beim Verhandlungsführer der Dienstleistungsgesellschaft ver.di, guten Morgen, Achim Meerkamp.

Achim Meerkamp: Guten Morgen, Frau Kolkmann.

Kolkmann: Acht Prozent mehr - das klingt ja in Zeiten von Kurzarbeit und wegbrechender Konjunktur fast ein bisschen unverschämt. Warum bleiben Sie dabei?

Meerkamp: Wir haben mehrere Gründe, wieso wir bei der Forderung von acht Prozent, mindestens 200 Euro, bleiben. Zunächst einmal muss man die Branchen vergleichen, wir haben unterschiedlichen Entwicklungen im Bereich der Staatseinnahmen und der Wirtschaft, und zum anderen können sich die Beschäftigten der Privatwirtschaft im vergangenen Jahr nicht beklagen: Der Lohnunterschied in den vergangenen Jahren beträgt deutlich über sieben Prozent.

Und wenn wir auf die Staatseinnahmen schauen, dann haben insbesondere die Länder in den vergangenen Jahren deutliche Überschüsse erzielt, die auch darauf zurückzuführen sind, dass die Beschäftigten in den vergangenen Jahren sehr bescheiden waren.

Kolkmann: Sie rechnen also im Prinzip Gewinne der Vergangenheit für die Einkommenszuwächse in der Zukunft auf - aber wir haben aktuell eine Krise.

Meerkamp: Einmal haben die Gewinne der Vergangenheit auch etwas mit der Zukunft zu tun, weil die Länder sich teilweise konsolidieren konnten, während im vergangenen Jahr sechs Bundesländer, die nicht nur ausgeglichene Haushalte, sondern Überschüsse erzielen konnten, die man auch in der Zukunft verwenden kann, und zum Zweiten sehen die Prognosen bis 2011 gar nicht so schlecht aus.

Kolkmann: Wäre es nicht auch nur gerecht, das nachzuvollziehen, was bei Gemeinden und Bundesangestellten schon Realität ist?

Meerkamp: Wenn wir das erzielen würden, kann ich mir gut vorstellen, dass die Bundestarifkommission das Ergebnis akzeptieren wird.

Kolkmann: Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Rüttgers hat ja bereits zugesagt, dieses Ergebnis der Kommunen und der Bundesebene zu übertragen auf die Landesebene. Haben Sie noch mehr positive Signale, dass auch andere Länderchefs so denken?

Meerkamp: Frau Kolkmann, ich glaube, da haben Sie den Herrn Ministerpräsidenten falsch verstanden. Er hat bisher nur zugesagt, dass er das Ergebnis, was wir mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vereinbaren werden, auf die Beamten überträgt, weil da sind wir ja leider noch nicht in der Situation, mit den Landesregierungen verhandeln zu dürfen.

Kolkmann: Können sich denn viele Länder das schlicht nicht leisten?

Meerkamp: Es gibt natürlich, das wissen wir, einzelne Länder, die eine andere Situation haben, dazu gehören die Bundesländer Schleswig-Holstein, Bremen und Saarland, aber dafür haben wir den Länderfinanzausgleich, der für solche Situationen auch gedacht ist.

Kolkmann: Welche Folgen hätte es denn, wenn die Gehälter im öffentlichen Dienst auch auf Landesebene nicht weiter steigen, wenn sie also stagnieren oder es vielleicht nur den Inflationsausgleich gibt?

Meerkamp: Wir haben jetzt schon große Probleme im Fachkräftebereich, einzelne Berufe werden deutlich unattraktiv und wir kriegen Personalengpässe. Sie müssten sich mal mit einzelnen Bundesländern unterhalten, wie das bei der Anwerbung im Bereich der Universitätskliniken, im Bereich der Lehrerinnen und Polizisten aussieht.

Ich gebe Ihnen nur mal eine Zahl, die selbst uns erstaunt, weil wir mit Bund und Kommunen darüber gesprochen haben. Der Bund ist im Dezember dazu übergegangen und hat einfach mal für IT-Beschäftigte eine übertarifliche Zulage von tausend Euro im Monat eingeführt.

Kolkmann: Ein altes Argument ist aber auch, dass die öffentlich Bediensteten eine größere Sicherheit des Arbeitsplatzes haben.

Meerkamp: Das kann man sich für die Vergangenheit abschminken, weil wir deutliche Entwicklungen dazu haben, dass auch gekündigt worden ist. Bei Verwaltungsreformmaßnahmen, bei Personalabbau mussten auch wir dazu übergehen, auch Sozialpläne abschließen, und wir haben das für die Beschäftigten im Bereich des Osten dadurch abgefedert, dass wir Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich eingeführt haben. Und Sie können sich natürlich vorstellen, dass wir Beschäftigte haben, die sagen, irgendwann mal ist Schluss.

Kolkmann: Sie sagen also, es ist nicht mehr alles Gold, auch im öffentlichen Dienst nicht. Sie haben eben den Fachkräftemangel angesprochen. Braucht es da so etwas wie einen Rettungsschirm, auch für die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes?

Meerkamp: Nein, einen Rettungsschirm braucht es nicht, nur es bedarf dem, was üblicherweise zwischen Tarifvertragsparteien gemacht wird, nämlich einer gemeinschaftlichen Sicht. Wir haben mit den Kommunen ja verabredet, in diesem Jahr über die Erzieherinnen und Sozialarbeiter zu reden, weil wir dort große Sorge haben, dass wir nicht mehr in der Lage sind in den kommenden Jahren, das benötigte Personal zu gewinnen, weil die Bezahlung mit der Arbeit nicht mehr in Einklang gebracht worden ist.

Kolkmann: Sie würden also sagen, dass eine Investition in höhere Gehälter nachhaltige Politik ist, zukunftsweisend?

Meerkamp: Ja, natürlich. Wir müssen immer vergleichen, wie die Arbeitsmarkt- und die Situation in einzelnen Branchen ist, und der öffentliche Dienst muss sich momentan wirklich Gedanken machen.

Kolkmann: Und der muss sich auch Gedanken machen, wenn er die höheren Gehälter auf Pump finanzieren muss?

Meerkamp: Ich glaube nicht, dass Bund, Länder und Kommunen die Personalkosten auf Pump finanzieren müssen. Dazu haben wir in den vergangenen Jahren eine viel zu weitsichtige Tarifpolitik betrieben, aber irgendwann mal sagen die Beschäftigten, so, jetzt ist Schluss, wir haben Personalabbau, wir haben eine deutliche Steigerung der Produktivität erleben müssen, und das geht auch noch einher mit niedrigeren Gehältern, das akzeptieren wir nicht mehr - und darauf müssen auch die Gewerkschaften dann reagieren.

Kolkmann: Vielen Dank, Achim Meerkamp, er ist Verhandlungsführer der Dienstleistungsgesellschaft Verdi und wird ab der nächsten Woche verhandeln über die Erhöhung der Gehälter für die Landesbediensteten.