Ver.di erwartet baldige Einigung bei Tarifverhandlungen im Einzelhandel
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht bei den Tarifverhandlungen im Einzelhandel Chancen für eine baldige Einigung mit den Arbeitgebern. Nach den Reallohnverlusten der vergangenen Jahre sei zumindest im Einzelhandel ein Tarifabschluss bei über drei Prozent Erhöhung möglich, sagte die stellvertretende Vorsitzende, Margret Mönig-Raane.
Marcus Pindur: In dieser Woche gibt es wieder einmal viel Arbeit an der Tariffront, insbesondere für die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und ihre diversen Tarifpartner. Gestern ein Signal der Verhandlungsbereitschaft in Berlin, der öffentliche Nahverkehr in der Hauptstadt wird erst einmal nicht bestreikt. Man setzt auf Verhandlungen. Heute könnte es nach fast einem Jahr Streit im Einzelhandel dort zu einer Einigung kommen. Und am Samstag will man beraten, ob man einen eventuellen Schlichterspruch im öffentlichen Dienst annimmt. Ich begrüße jetzt die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane. Guten Morgen!
Margret Mönig-Raane: Guten Morgen!
Pindur: Zunächst mal ein Wort zu den Verhandlungen im Einzelhandel, die ziehen sich ja jetzt am längsten schon hin.
Mönig-Raane: Oh, ja.
Pindur: Die Arbeitgeber wollen nur 1,7 Prozent mehr zahlen und wollen darüber hinaus einen Verzicht auf Spät- und Nachtzuschläge. Sie fordern 6,5 Prozent mehr. Da liegen ja Welten zwischen Angebot und Nachfrage. Wo liegt denn für Sie die Schmerzgrenze?
Mönig-Raane: Wir haben ein Angebot von Arbeitgebern auf dem Tisch, und wir haben mehrere einseitige Tariferhöhungen, die liegen bei drei Prozent und teilweise sogar mehr. Und deswegen ist ja völlig klar, nach den Jahren des Reallohnverlustes im Einzelhandel, also wo die Menschen weniger im Portemonnaie hatten am Ende des Jahres als am Anfang des Jahres, geht da drunter gar nichts.
Pindur: Also unter drei Prozent würden Sie nicht gehen?
Mönig-Raane: Nein.
Pindur: Aber ab drei Prozent, da halten Sie was für möglich?
Mönig-Raane: Im Einzelhandel ja, das gilt nicht für andere Branchen, weil da muss man wirklich gucken, wie sieht es da jeweils aus. Und die Frage, wie denn nun mit den Spätöffnungszuschlägen umgegangen werden wird, spielt natürlich ebenfalls noch eine Rolle, weil wir sagen, wir wollen keine materielle Verschlechterung. Wer nachmittags am Samstag und am Abend arbeitet, wer abends und spät arbeitet, wer nachts arbeitet, soll dafür auch, und dabei soll es auch bleiben, eine zusätzliche Entlohnung bekommen, weil das eine besondere Erschwernis ist, wenn man zu diesen Zeiten arbeiten muss.
Pindur: Wäre denn denkbar mehr Geld, dafür aber auch mehr flexiblere Arbeitszeiten und eventuell kleinere Abschläge bei den Zuschlägen?
Mönig-Raane: Ich kenne keine Branche, die so flexibel arbeitet wie der Einzelhandel. Da würde ich ganz gerne von den Arbeitgebern immer noch mal die Beispiele hören, was denn da noch mehr flexibilisiert werden müsste. Denn es wird eine so große Öffnungszeit abgedeckt, und das kann man auch mit tariflichen Regelungen alles bewerkstelligen. Also Flexibilität tut da sicherlich nicht not, sondern da brauchen wir eher eine Planbarkeit für die Beschäftigten, das heißt, dass sie wissen, wann arbeite ich in welcher Woche wie. Das wissen viele von ihnen heute nicht, wo es keine guten Arbeitszeitsysteme gibt, und es gibt sogar wieder vermehrt auch Arbeit auf Abruf, sodass die Menschen ihre Zeit überhaupt nicht planen können. Und dann passieren solche Geschichten sogar, dass Teilzeitbeschäftigte, die dringend auf den Zweitjob angewiesen sind, das gar nicht machen können, weil sie ihrem zweiten Arbeitgeber nicht sagen können, wann sie arbeiten können. Oder sie können ihren Kindern oder ihren Familien nicht sagen, dann und dann bin ich da, weil sie so hoch flexibel eingesetzt werden. Also an Flexibilität ist kein Mangel, eher an Planbarkeit aus Sicht der Beschäftigten.
Pindur: Wie schätzen Sie denn angesichts dessen die Einigungschancen ein, denn irgendwo müssen auch Sie sich ja bewegen dann?
Mönig-Raane: Wir haben uns schon sehr viel bewegt im Laufe dieses Jahres. Wir verhandeln heute in Nordrhein-Westfalen, und da werden wir sehen, was da als Erstes rüberkommt. Also heute und morgen wird in Nordrhein-Westfalen große Aktivität da entwickelt, und wir hoffen, das wir ein Arbeitgeberangebot vorgelegt bekommen, mit dem man wirklich auch weiter verhandeln kann und das nicht solche Zumutungen enthält wie den Einstieg in den Ausstieg von Zuschlägen, weil das werden wir nicht machen. Das steht schon mal fest, sodass wir Lösungen finden müssen für die Beschäftigten, die tatsächlich auch die längeren Öffnungszeiten arbeiten müssen, weil das tun ja überhaupt nicht alle Unternehmen, diese lange Öffnungszeiten auch nutzen. So, und das wird dann nicht in der allgemeinen Lohn- und Gehaltserhöhung sein können und wollen wir auch nicht. Was wir uns vorstellen, sind Äquivalente für diejenigen, die später arbeiten müssen. Da haben wir vielerlei Vorschläge schon auf den Tisch gepackt, die möchte ich hier heute nicht noch mal ausbreiten, weil sie auch Verhandlungsgegenstand sind. Und Sie wissen, wenn man etwas öffentlich verkündet hat, dann, so komisch wie das ist, dann scheint das entwertet zu sein. Darum will ich das den Verhandlungen auch vorbehalten.
Pindur: Also Sie sind verhaltenoptimistisch, entnehme ich dem. Aber es ist durchaus nicht raus, ob es eine Einigung gibt in dieser Woche?
Mönig-Raane: Nein, es steht wirklich fifty-fifty, wie man so sagt. Es gibt eine Chance, ich weiß auch, dass die Arbeitgeber genervt sind durch unsere Streiks und es keineswegs so ist, dass die Streiks wirkungslos sind, selbst wenn sie nicht so spektakulär daherkommen, als wenn man Loks nicht mehr bedient, das ist schon klar. Aber sie haben Wirkung, und die Arbeitgeber wollen wohl auch ein Ende, aber sie haben sich selber Hürden aufgebaut, die für sie schwer sind zu überspringen oder zu umgehen, weil auch das kann man mit Hürden machen.
Pindur: Vielen Dank für das Gespräch!
Mönig-Raane: Gerne!
Pindur: Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.
Margret Mönig-Raane: Guten Morgen!
Pindur: Zunächst mal ein Wort zu den Verhandlungen im Einzelhandel, die ziehen sich ja jetzt am längsten schon hin.
Mönig-Raane: Oh, ja.
Pindur: Die Arbeitgeber wollen nur 1,7 Prozent mehr zahlen und wollen darüber hinaus einen Verzicht auf Spät- und Nachtzuschläge. Sie fordern 6,5 Prozent mehr. Da liegen ja Welten zwischen Angebot und Nachfrage. Wo liegt denn für Sie die Schmerzgrenze?
Mönig-Raane: Wir haben ein Angebot von Arbeitgebern auf dem Tisch, und wir haben mehrere einseitige Tariferhöhungen, die liegen bei drei Prozent und teilweise sogar mehr. Und deswegen ist ja völlig klar, nach den Jahren des Reallohnverlustes im Einzelhandel, also wo die Menschen weniger im Portemonnaie hatten am Ende des Jahres als am Anfang des Jahres, geht da drunter gar nichts.
Pindur: Also unter drei Prozent würden Sie nicht gehen?
Mönig-Raane: Nein.
Pindur: Aber ab drei Prozent, da halten Sie was für möglich?
Mönig-Raane: Im Einzelhandel ja, das gilt nicht für andere Branchen, weil da muss man wirklich gucken, wie sieht es da jeweils aus. Und die Frage, wie denn nun mit den Spätöffnungszuschlägen umgegangen werden wird, spielt natürlich ebenfalls noch eine Rolle, weil wir sagen, wir wollen keine materielle Verschlechterung. Wer nachmittags am Samstag und am Abend arbeitet, wer abends und spät arbeitet, wer nachts arbeitet, soll dafür auch, und dabei soll es auch bleiben, eine zusätzliche Entlohnung bekommen, weil das eine besondere Erschwernis ist, wenn man zu diesen Zeiten arbeiten muss.
Pindur: Wäre denn denkbar mehr Geld, dafür aber auch mehr flexiblere Arbeitszeiten und eventuell kleinere Abschläge bei den Zuschlägen?
Mönig-Raane: Ich kenne keine Branche, die so flexibel arbeitet wie der Einzelhandel. Da würde ich ganz gerne von den Arbeitgebern immer noch mal die Beispiele hören, was denn da noch mehr flexibilisiert werden müsste. Denn es wird eine so große Öffnungszeit abgedeckt, und das kann man auch mit tariflichen Regelungen alles bewerkstelligen. Also Flexibilität tut da sicherlich nicht not, sondern da brauchen wir eher eine Planbarkeit für die Beschäftigten, das heißt, dass sie wissen, wann arbeite ich in welcher Woche wie. Das wissen viele von ihnen heute nicht, wo es keine guten Arbeitszeitsysteme gibt, und es gibt sogar wieder vermehrt auch Arbeit auf Abruf, sodass die Menschen ihre Zeit überhaupt nicht planen können. Und dann passieren solche Geschichten sogar, dass Teilzeitbeschäftigte, die dringend auf den Zweitjob angewiesen sind, das gar nicht machen können, weil sie ihrem zweiten Arbeitgeber nicht sagen können, wann sie arbeiten können. Oder sie können ihren Kindern oder ihren Familien nicht sagen, dann und dann bin ich da, weil sie so hoch flexibel eingesetzt werden. Also an Flexibilität ist kein Mangel, eher an Planbarkeit aus Sicht der Beschäftigten.
Pindur: Wie schätzen Sie denn angesichts dessen die Einigungschancen ein, denn irgendwo müssen auch Sie sich ja bewegen dann?
Mönig-Raane: Wir haben uns schon sehr viel bewegt im Laufe dieses Jahres. Wir verhandeln heute in Nordrhein-Westfalen, und da werden wir sehen, was da als Erstes rüberkommt. Also heute und morgen wird in Nordrhein-Westfalen große Aktivität da entwickelt, und wir hoffen, das wir ein Arbeitgeberangebot vorgelegt bekommen, mit dem man wirklich auch weiter verhandeln kann und das nicht solche Zumutungen enthält wie den Einstieg in den Ausstieg von Zuschlägen, weil das werden wir nicht machen. Das steht schon mal fest, sodass wir Lösungen finden müssen für die Beschäftigten, die tatsächlich auch die längeren Öffnungszeiten arbeiten müssen, weil das tun ja überhaupt nicht alle Unternehmen, diese lange Öffnungszeiten auch nutzen. So, und das wird dann nicht in der allgemeinen Lohn- und Gehaltserhöhung sein können und wollen wir auch nicht. Was wir uns vorstellen, sind Äquivalente für diejenigen, die später arbeiten müssen. Da haben wir vielerlei Vorschläge schon auf den Tisch gepackt, die möchte ich hier heute nicht noch mal ausbreiten, weil sie auch Verhandlungsgegenstand sind. Und Sie wissen, wenn man etwas öffentlich verkündet hat, dann, so komisch wie das ist, dann scheint das entwertet zu sein. Darum will ich das den Verhandlungen auch vorbehalten.
Pindur: Also Sie sind verhaltenoptimistisch, entnehme ich dem. Aber es ist durchaus nicht raus, ob es eine Einigung gibt in dieser Woche?
Mönig-Raane: Nein, es steht wirklich fifty-fifty, wie man so sagt. Es gibt eine Chance, ich weiß auch, dass die Arbeitgeber genervt sind durch unsere Streiks und es keineswegs so ist, dass die Streiks wirkungslos sind, selbst wenn sie nicht so spektakulär daherkommen, als wenn man Loks nicht mehr bedient, das ist schon klar. Aber sie haben Wirkung, und die Arbeitgeber wollen wohl auch ein Ende, aber sie haben sich selber Hürden aufgebaut, die für sie schwer sind zu überspringen oder zu umgehen, weil auch das kann man mit Hürden machen.
Pindur: Vielen Dank für das Gespräch!
Mönig-Raane: Gerne!
Pindur: Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.