Venus-Transit ist für die Wissenschaft von "großem Interesse"

Alex Feller im Gespräch mit André Hatting · 06.06.2012
Tausende Astronomie-Fans wollten den Venus-Transit sehen: Bei dem Himmelsschauspiel ist zu sehen, wie die Venus an der Sonne vorbeizieht. Eine solche Mini-Sonnenfinsternis gibt es erst wieder 2117 zu sehen. Axel Feller vom Max-Planck-Institut erklärt das Besondere daran.
André Hatting: Es ist die Chance ihres Lebens: Tausende Astronomie-Fans hocken jetzt, in diesen Minuten, vor den Teleskopen und starren in den Himmel. Sie hoffen darauf, den Venus-Transit zu sehen– so nennen Wissenschaftler ein Phänomen, das nur ganz, ganz selten zu erleben ist. Unser Nachbarplanet Venus wandert westwärts über die Sonnenscheibe und erzeugt damit eine Art Mini-Sonnenfinsternis. Erst in über 100 Jahren wird es das wieder geben.

Auch Alex Feller will das auf keinen Fall verpassen. Feller arbeitet am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung im niedersächsischen Katlenburg-Lindau, und er ist in das benachbarte Göttingen gefahren, in das Institut für Astrophysik der dortigen Universität, und jetzt ist er am Telefon. Guten Morgen, Herr Feller!

Alex Feller: Ja, schönen guten Morgen!

Hatting: Wo genau stehen Sie jetzt?

Feller: Im Moment befinde ich mich noch auf der Beobachtungsplattform auf dem Dach der Astrophysik der Uni Göttingen, und wir versuchen noch, die letzten Momente des Transits zu erhaschen durch gelegentliche Wolkenlücken, allerdings ist das Wetter nicht das Beste, das ist etwas schade gewesen.

Hatting: Es ist bei Ihnen bedeckt, anders als bei uns in Berlin, wo der Himmel blau ist, das ist natürlich Pech. Was konnten Sie denn bislang überhaupt sehen?

Feller: Wir konnten auf Live-Bildern, die von anderen Teleskopen, zum Beispiel in Hawaii, zugeschaltet waren, konnten wir den Transit verfolgen. Besonders interessant bei dem Transit ist die Phase, wo die Venus über den Sonnenrand wieder hinausläuft. Dort kann man zwei interessante Effekte beobachten: Das eine ist der sogenannte Tropfeneffekt – also kurz, bevor der Venusrand und der Sonnenrand sich berühren, scheinen beide wie durch einen Tropfen verbunden zu sein und zu verschmelzen. Und dieser Effekt ist zurückzuführen auf das begrenzte Auflösungsvermögen der Teleskope. Dann gibt es noch einen anderen interessanten Effekt: Wenn die Venusscheibe so halb über den Sonnenrand hinausgelaufen ist, dann sieht man einen hellen Ring um die Venus, und der wird hervorgerufen durch das Sonnenlicht, was von hinten die Venus anleuchtet und die Venusatmosphäre dann zum Leuchten bringt.

Hatting: Was man sieht, ist in etwa vergleichbar mit einem schwarzen Floh auf einer Zitronenscheibe, also so ein kleiner schwarzer Punkt, der so langsam über die Sonnenscheibe kriecht. Jetzt haben Sie zwei Effekte angesprochen, die interessant sind. Warum sind sie auch wissenschaftlich interessant?

Feller: Heutzutage sind diese Transite wissenschaftlich nicht mehr so interessant wie noch vor 200 Jahren, wo der Transit und Transitbeobachtungen benutzt wurden, um die Entfernung zwischen Erde und Sonne zu bestimmen, also die astronomische Einheit. Dennoch beobachten wir Wissenschaftler auch heutzutage den Transit noch mit großem Interesse.

Diese Beobachtungen verfolgen im Wesentlichen zwei Ziele: Zum einen kann man, wie ich schon erwähnt habe, das Sonnenlicht beobachten, was in der Venusatmosphäre gestreut wird, und wenn man dies bei verschiedenen Wellenlängen tut, kann man dadurch neue Erkenntnisse gewinnen über die Bestandteile der Planetenatmosphäre. Ein anderes Ziel, besonders für uns Sonnenforschung, ist, dass wir die Venus während des Durchgangs als eine sozusagen perfekt schwarze Referenzscheibe verwenden können, um damit unsere Instrumente zu kalibrieren. Und das wird es in Zukunft erlauben, unsere Messdaten, die wir mit den Sonnenteleskopen gewinnen, noch genauer in die tatsächlichen physikalischen Größen wie Temperatur-Magnetfeld umzurechnen.

Hatting: In der Geschichte der Astronomie - Sie haben das schon angedeutet - hat man schon mehrere dieser Venus-Durchgänge verfolgt, zum Beispiel 1761. Ich habe mich gefragt, wie hat man das damals eigentlich gemacht?

Feller: Das war damals recht abenteuerliche Expeditionen – genau, Sie haben den Transit von 1761 erwähnt, das war der erste Transit, der für wissenschaftliche Expeditionen genutzt wurde, wo man versucht hat, durch die Beobachtung des Transits von verschiedenen weit entfernten Orten auf der Erde die Entfernung zur Venus und dann schlussendlich die Entfernung zwischen Erde und Sonne zu bestimmen.

Ja, man hat dann damals sich auf Schiffsreisen begeben, monatelange Schiffsreisen, hat sein Instrumentarium mitgenommen, das an exotischen Orten aufgestellt und dann versucht, möglichst genau an den verschiedenen Beobachtungsorten die Dauer des Venusdurchgangs zu bestimmen.

Hatting: Apropos Dauer, jetzt in den nächsten Minuten müsste es eigentlich vorbei sein. Können Sie wenigstens jetzt was sehen, ist die Wolkendecke ein bisschen aufgebrochen über Göttingen?

Feller: Ich werde noch mal kurz hinausgehen und einen Blick werfen – nein, leider, wir haben leider Pech. Ich glaube, Sie haben da in Berlin deutlich mehr Glück als wir. Leider können wir jetzt die letzte Phase des Transits, also kurz vor dem vierten Kontakt, können wir nur an den Live-Bildern sehen von Weltraumteleskopen, insbesondere dem Solar Dynamics Observatory und von dem Teleskop auf Mauna Kea in Hawaii, von Göttingen aus hatten wir leider keine Chance.

Hatting: Das ist natürlich ein bisschen schade, weil diese Venus-Transite also extrem selten sind. Was ich mich gefragt habe, ist: Warum sind eigentlich die Zeitabstände so verschieden? Mal sind es 8 Jahre, mal sind es 100 Jahre.

Feller: Ja, die Venus-Transite weisen in der Tat einen interessanten Rhythmus auf. Es finden jeweils zwei Transite in vergleichsweise kurzem Abstand von 8 Jahren statt – das war also jetzt 2004 und heute –, der nächste Venusdurchgang ist dann erst wieder in 105,5 Jahren. Dann hat man wieder einen 8-jährigen Zyklus – also das wären 2117 und 2125 –, dann der nächste Zyklus von 8 Jahren ist wieder nach 121,5 Jahren, dann wieder nach 105,5 und so weiter.

Hatting: Woran liegt diese Unregelmäßigkeit?

Feller: Der Grund für dieses seltsame Verhalten, der liegt in der Himmelsmechanik. Damit es zu einem Venus-Durchgang kommt, müssen Sonne, Venus und Erde ziemlich Exakt auf einer Linie sein, und wenn jetzt die Umlaufbahn von Venus und Erde in der gleichen Ebene lägen, dann hätten wir öfters einen Transit, nämlich etwa alle 1,6 Jahre einen Transit. Nun ist es aber so, dass die Venusbahn leicht gegen die Erdbahn geneigt ist, etwa drei Grad, und deshalb läuft die Venus in den meisten Fällen unter- oder oberhalb der Sonnenscheibe vorbei und es kommt tatsächlich viel seltener zu einem Durchgang.

Hatting: Den nächsten, Sie haben es angesprochen, gibt es dann 2117 – ohne uns natürlich, aber hoffentlich mit interessierten Menschen auf einer noch existierenden Erde. Das war ein Gespräch mit Alex Feller, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Feller!

Feller: Ja, vielen Dank auch!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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