Vatersein als Lebenssinn
Stefan Rehbergers Romanheld Walter ist ein typischer Mittdreißiger im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg: immerzu von irgendwelchen Projekten redend, wird er irgendwann plötzlich Vater und reiht sich ein in die Armada Kinderwagen schiebender Eltern im Szenekiez. Rehberger liefert eine durchaus amüsante Beschreibung eines bestimmten Hauptstadtmilieus, darüber hinaus gibt es aber nichts Geheimnisvolles oder Unerwartetes.
Eines steht fest. Noch vor ein paar Jahrzehnten wäre kaum ein Schriftsteller auf die Idee gekommen, einen Roman über das Kinderkriegen zu schreiben. Seit ein paar Jahren, seit dem Familiengründung ein auffälliger sozialer Akt ist, seitdem die Gesellschaft eher älter als jünger wird und sich viele dreimal überlegen, Kinder zu bekommen, seitdem schreiben vor allem Männer über ihre Kinder. Der 36-jährige Stefan Rehberger, Autor für die Vorabendserie „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“, reiht sich mit seinem zweiten Roman nahtlos ein und sagt es an einer Stelle seines Buches auch selbst: Männer können genauso schwanger werden wie Frauen. Manchmal werden sie sogar schwangerer. Sie haben viel Zeit und Ressourcen, über ihre Vaterschaft nachzudenken, ihr hochsensibel nachzuspüren.
Roman Walter, der Hauptheld, ist ein Mann Mitte 30, der in Berlin Prenzlauer-Berg als Autor arbeitet, was heutzutage erstmal nicht mehr bedeutet als ein Laptop zu haben und von Projekten zu reden. So auch er. Er schreibt zum Beispiel Artikel für Internetseiten von Haushaltsgeräteherstellern. Aber der Mann will mehr. Er beteiligt sich „an einem Pitch für eine Windelkampagne“. Ausgerechnet. Und da begegnet ihm Patrizia, „Management Supervisor in einer der größten Werbeagenturen Deutschlands“. Weniger geht natürlich nicht.
Wenige Monate nach dem „Pitch“ kommt der Sohn Theo. Was könnte dem erfolglosen Autor, der „unterhalb der Mindestveranlagungssumme“ verdient, besseres passieren als ein Kind? Etwas, das ihm neuen Sinn gibt? Dumm nur, dass er es nicht einmal hinbekommt, zur Geburt seines Sohnes in der Stadt zu sein. Sein Vater liegt nach einem Schlaganfall in einem hunderte Kilometer entfernten Krankenhaus. Dort ist er und kommt erst, als der Ex-Freund von Patrizia bereits die obligatorische Rundmail mit Babyfotos losgeschickt hat. Wenigstens ist der junge Vater unter CC einer der Empfänger.
Doch nach Vorlaufschwierigkeiten wird er wenig später zum Supervater. Er kümmert sich ums Kind, während die Karrieremutter nach wenigen Wochen wieder in der Agentur ist. Er hat viel Zeit, mit seinem Sohn eine innige Beziehung aufzubauen, sich über seine Baby-Regungen zu freuen und sich den Prenzlauer Berg genauer anzusehen – die verbürgerlichten Mittdreißiger, die ihn bevölkern und von seinem alten Szenecharme schwärmen, all die „Zugereisten“, die sich " ihr eigenes Entenhausen“ geschaffen haben, „ihr kleines Überlingen und Unterlingen, inklusive Kita, Krämer, Postamt, Weinladen, Modeboutique“. Dort, wo Kinderwagen aneinander vorbeigeschoben werden, „wie Autos zur Rushhour“. Keine Alten, keine Ausländer, keine Raucher. Clean ist es geworden, wo noch vor ein paar Jahren die Szene regierte. Wer als Leser dieses Hauptstadtviertel durchwandert hat, erkennt es ohne Mühe wieder.
Auch den Kult, der um die Kinder gemacht wird. Der Rezensent ist selbst junger Vater im Prenzlauer Berg und weiß, dass Kinder hier die Macht über ihre Eltern übernommen haben. Die Großelterngeneration wundert sich, wenn sie das sieht, auch der Vater des Romanhelden wundert sich, und sieht seinen Enkel als normalen Vorgang an und nicht als „Wunder“.
Im Laufe des Buches kommt es noch zu diesem und jenem Konflikt, mit dem Vater, mit dem Ex der Freundin, mit der Wickeltechnik des Babytragetuches. Aber die wirklichen Probleme bleiben unberührt, dazu ist Stefan Rehbergers Buch einfach zu sehr auf Unterhaltung getrimmt. Es ist konfektioniert, geheimnisfrei, erwartbar, aber über weite Strecken durchaus amüsant in der Beschreibung des spezifischen Hauptstadtmilieus.
Die Suche nach literarischen Qualitäten verläuft in diesem Buch allerdings im Sande. Rehbergers Sprache stimmt, aber sie hat keine Qualitäten über den Stoff des Buches hinaus. Er schreibt, was die Geschichte an Sprache eben so braucht – mehr nicht. Man kann dieses Buch mit gepflegter Popmusik im Hintergrund gut lesen, ohne allzu viel abgelenkt zu werden. Stefan Rehbergers Roman ist sogar selbst wie guter Pop: ein netter Begleiter des Alltags, ohne dass man beim Konsum Nebenwirkungen befürchten muss.
Rezensiert von Vladimir Balzer
Stefan Rehberger: Träum weiter
Roman. Rowohlt Berlin, Berlin 2008
320 Seiten, 14,90 Euro
Roman Walter, der Hauptheld, ist ein Mann Mitte 30, der in Berlin Prenzlauer-Berg als Autor arbeitet, was heutzutage erstmal nicht mehr bedeutet als ein Laptop zu haben und von Projekten zu reden. So auch er. Er schreibt zum Beispiel Artikel für Internetseiten von Haushaltsgeräteherstellern. Aber der Mann will mehr. Er beteiligt sich „an einem Pitch für eine Windelkampagne“. Ausgerechnet. Und da begegnet ihm Patrizia, „Management Supervisor in einer der größten Werbeagenturen Deutschlands“. Weniger geht natürlich nicht.
Wenige Monate nach dem „Pitch“ kommt der Sohn Theo. Was könnte dem erfolglosen Autor, der „unterhalb der Mindestveranlagungssumme“ verdient, besseres passieren als ein Kind? Etwas, das ihm neuen Sinn gibt? Dumm nur, dass er es nicht einmal hinbekommt, zur Geburt seines Sohnes in der Stadt zu sein. Sein Vater liegt nach einem Schlaganfall in einem hunderte Kilometer entfernten Krankenhaus. Dort ist er und kommt erst, als der Ex-Freund von Patrizia bereits die obligatorische Rundmail mit Babyfotos losgeschickt hat. Wenigstens ist der junge Vater unter CC einer der Empfänger.
Doch nach Vorlaufschwierigkeiten wird er wenig später zum Supervater. Er kümmert sich ums Kind, während die Karrieremutter nach wenigen Wochen wieder in der Agentur ist. Er hat viel Zeit, mit seinem Sohn eine innige Beziehung aufzubauen, sich über seine Baby-Regungen zu freuen und sich den Prenzlauer Berg genauer anzusehen – die verbürgerlichten Mittdreißiger, die ihn bevölkern und von seinem alten Szenecharme schwärmen, all die „Zugereisten“, die sich " ihr eigenes Entenhausen“ geschaffen haben, „ihr kleines Überlingen und Unterlingen, inklusive Kita, Krämer, Postamt, Weinladen, Modeboutique“. Dort, wo Kinderwagen aneinander vorbeigeschoben werden, „wie Autos zur Rushhour“. Keine Alten, keine Ausländer, keine Raucher. Clean ist es geworden, wo noch vor ein paar Jahren die Szene regierte. Wer als Leser dieses Hauptstadtviertel durchwandert hat, erkennt es ohne Mühe wieder.
Auch den Kult, der um die Kinder gemacht wird. Der Rezensent ist selbst junger Vater im Prenzlauer Berg und weiß, dass Kinder hier die Macht über ihre Eltern übernommen haben. Die Großelterngeneration wundert sich, wenn sie das sieht, auch der Vater des Romanhelden wundert sich, und sieht seinen Enkel als normalen Vorgang an und nicht als „Wunder“.
Im Laufe des Buches kommt es noch zu diesem und jenem Konflikt, mit dem Vater, mit dem Ex der Freundin, mit der Wickeltechnik des Babytragetuches. Aber die wirklichen Probleme bleiben unberührt, dazu ist Stefan Rehbergers Buch einfach zu sehr auf Unterhaltung getrimmt. Es ist konfektioniert, geheimnisfrei, erwartbar, aber über weite Strecken durchaus amüsant in der Beschreibung des spezifischen Hauptstadtmilieus.
Die Suche nach literarischen Qualitäten verläuft in diesem Buch allerdings im Sande. Rehbergers Sprache stimmt, aber sie hat keine Qualitäten über den Stoff des Buches hinaus. Er schreibt, was die Geschichte an Sprache eben so braucht – mehr nicht. Man kann dieses Buch mit gepflegter Popmusik im Hintergrund gut lesen, ohne allzu viel abgelenkt zu werden. Stefan Rehbergers Roman ist sogar selbst wie guter Pop: ein netter Begleiter des Alltags, ohne dass man beim Konsum Nebenwirkungen befürchten muss.
Rezensiert von Vladimir Balzer
Stefan Rehberger: Träum weiter
Roman. Rowohlt Berlin, Berlin 2008
320 Seiten, 14,90 Euro