Vandalismus in Berlin

"Wir können nicht neben jedes Objekt einen Polizisten stellen"

06:57 Minuten
Eine große Granitschale im Lustgarten vor dem Alten Museum ist großflächig beschmiert.
Die beschmierte Granitschale hat einen Durchmesser von fast sieben Metern und wiegt etwa 75 Tonnen. © Jörg Carstensen/dpa
Hermann Parzinger im Gespräch mit Britta Bürger · 24.10.2020
Audio herunterladen
Auf der Berliner Museumsinsel wurde eine fast 200 Jahre alte Granitschale mit obszönen Ausdrücken beschmiert. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz beobachtet eine "totale Respektlosigkeit" gegenüber der Kultur seit Beginn der Pandemie.
Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zeigt sich schockiert über den jüngsten Akt von Vandalismus auf der Berliner Museumsinsel. "Es muss einen gesellschaftlichen Konsens geben, wie man mit Kunst und Kultur umgeht", fordert Hermann Parzinger.
Am Freitag war eine riesige Granitschale im Lustgarten vor dem Alten Museum mit obszönen und vulgären Ausdrücken beschmiert worden. Bis auf kleinere Kritzeleien habe dieses "Meisterwerk der Steinmetzkunst" fast 200 Jahre unbeschädigt dort gestanden, sagt Parzinger, "aber in dieser Art entweiht worden ist dieses Meisterwerk noch nie. Und das ist schon wirklich sehr, sehr bedenklich."
Eine große Granitschale im Lustgarten am Alten Museum ist großflächig beschmiert.
Die Granitschale wird auch als Biedermeierweltwunder bezeichnet. Es handelt sich um die größte aus einem einzelnen Stein gefertigte Schale.© Jörg Carstensen/dpa
Erst vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass Anfang Oktober mehr als 60 Objekte in drei Museen auf der Museumsinsel mit einer Flüssigkeit beschädigt worden waren. Einen direkten Zusammenhang zwischen den Taten sieht Parzinger allerdings nicht, wie er sagt. Beim jüngsten Fall handle es sich um jugendlichen Vandalismus, und nach Angaben der Polizei wurden die Personalien von einem 17- und einem 21-jährigen Verdächtigen bereits aufgenommen.

Mehr Müll, mehr Vandalismus

Aber "seit die Pandemie unser öffentliches Leben prägt oder weitgehend lahmlegt", beobachtet Parzinger "eine stärkere Vermüllung, einen stärkeren Vandalismus", wie er sagt. Parzinger wird grundsätzlich:
"In unserer Gesellschaft verändert sich etwas. Dass das aber zu einer totalen Respektlosigkeit gegenüber der Kultur führt – das ist wirklich schwierig, denn man muss sich klarmachen: Wir können nicht neben jedes Objekt eine Aufsicht oder einen Polizisten stellen im Außenraum. Wir können nicht jeden Sarkophag hinter Panzerglas verstecken."

Bisher war das auch nicht nötig. Jahrhundertelang habe nämlich ein gewisser Respekt vor Kunst und Kultur geherrscht, der die Museen in Berlin und anderswo getragen habe, erklärt der Stiftungspräsident:
Eine große Granitschale im Lustgarten am Alten Museum ist großflächig beschmiert.
Für Hermann Parzinger ist die Schale ein "Meisterwerk der Steinmetzkunst".© Jörg Carstensen/dpa
"Wenn wir die Museen so weiterhin behalten wollen, wie wir sie kennen, dass auch eine gewisse Nähe, dass ein gewisser direkter Kontakt mit den Objekten, mit der Kunst möglich ist, müssen die Besucher auch respektvoller mit den Dingen umgehen, sonst wird man Panzerglas überall haben."

Die Gesellschaft ist nun gefragt

Nur mit immer neuen Sicherheitsmaßnahmen und Anstrengungen von Seiten der Museen, jüngere Zielgruppen zu erreichen, werde ein solcher Wandel nicht zu schaffen sein. Die Gesellschaft als ganze sei nun gefragt, so Parzinger. Ihr müsse "klargemacht" werden, "dass man solche Dinge einfach nicht tut. Und, wie gesagt, 200 Jahre hat das bestens funktioniert."
(ckr)
Mehr zum Thema