Vampire mit wenig Biss
Verkleidet im Gewand des Vampirromans hat Viktor Pelewin in „Das fünfte Imperium“ Kritik an dem postsowjetischen, turbokapitalistischen Russland geübt. Der durchaus gekonnt grell überzeichneten Inszenierung von Mareike Miakt fehlt es jedoch an Zuspitzung.
Eine Wand aus nebeneinander aufgeklebten Packpapier-Rechtecken erinnert an die Betonwabenstruktur sozialistischer Plattenbauten. Nach und nach wird das braune Packpapier im Laufe der Aufführung heruntergerissen, bis hinter der Fassade ein Gerüst sichtbar wird, in dem sich eine Art Parallelgesellschaft eingenistet hat: eine Gesellschaft von Vampiren, die sich als Elite begreifen.
In Viktor Pelewins „Das fünfte Imperium“ stillen sie ihren Durst allerdings nicht in klassischer Dracula-Manier. Statt Blut saugen sie den Menschen die Lebensenergie aus, die diese verplempern, indem sie dem Geld hinterher jagen und sich am Konsum berauschen. Pelewin hat also keinen herkömmlichen Vampirroman geschrieben, sondern ein Schauermärchen aus dem postsowjetischen, turbokapitalistischen Russland. Über das Fantasygenre nähert er sich pointiert überspitzt der Realität. Und das mit soviel Biss, dass selbst Graf Dracula vor Neid erblasst wäre.
In Mareike Mikats Bühnenversion tragen die Schauspieler Kostüme, mit denen sie vermutlich in jeder Russendisco Einlass fänden: unvermeidliche Pelzmützen, Muscleshirts, türkisblaue Sporthosen aus Ballonseide, schwere Stiefel und manchmal auch fette Goldketten.
Justin Mühlenhardt hat anfangs sogar eine Proleten-Perücke auf dem Kopf, oben kurz, hinten lang. Er spielt den 19-jährigen Roman, der durch Zufall unter dem Namen Rama Eingang in die elitäre Vampirgesellschaft findet und dort nach dem Muster eines Bildungsromans zum vollwertigen Mitglied ausgebildet wird.
Rein äußerlich ist Mühlenhardt eine Idealbesetzung: Typ netter Junge von nebenan mit Allerweltsgesicht, der naiv in eine fremde Welt stolpert. Recht viel mehr fällt Mühlenhardt danach allerdings nicht zu seiner Rolle ein als das immer gleiche irritierte Staunen. Für eine Figur aus einem Entwicklungsroman entwickelt sich da eigenartig wenig.
Auch der durchaus gekonnt grell überzeichneten Inszenierung von Mareike Miakt fehlt es an Zuspitzung. Zu selten kippt die Groteske ins Grausige. Die kapitalistische Welt krankt ja nicht nur daran, dass die Menschen dem Mammon hinterher hecheln, und sich darüber selbst verlieren. Auch der Mitmensch wird in diesem System auf seinen Marktwert reduziert; zum Objekt, zur Ware degradiert. Von der daraus resultierenden Kälte ist auf der kleinen Bühne des Münchner Volkstheaters wenig zu spüren. Mareike Mikat hat zwar mit sichtlich viel Herzblut inszeniert. Aber der Biss der Romanvorlage fehlt auf der Bühne.
„Das fünfte Imperium“
Nach dem Roman von Viktor Pelewin
Premiere am Münchner Volkstheater am 17.6.2010
Regie: Mareike Mikat
In Viktor Pelewins „Das fünfte Imperium“ stillen sie ihren Durst allerdings nicht in klassischer Dracula-Manier. Statt Blut saugen sie den Menschen die Lebensenergie aus, die diese verplempern, indem sie dem Geld hinterher jagen und sich am Konsum berauschen. Pelewin hat also keinen herkömmlichen Vampirroman geschrieben, sondern ein Schauermärchen aus dem postsowjetischen, turbokapitalistischen Russland. Über das Fantasygenre nähert er sich pointiert überspitzt der Realität. Und das mit soviel Biss, dass selbst Graf Dracula vor Neid erblasst wäre.
In Mareike Mikats Bühnenversion tragen die Schauspieler Kostüme, mit denen sie vermutlich in jeder Russendisco Einlass fänden: unvermeidliche Pelzmützen, Muscleshirts, türkisblaue Sporthosen aus Ballonseide, schwere Stiefel und manchmal auch fette Goldketten.
Justin Mühlenhardt hat anfangs sogar eine Proleten-Perücke auf dem Kopf, oben kurz, hinten lang. Er spielt den 19-jährigen Roman, der durch Zufall unter dem Namen Rama Eingang in die elitäre Vampirgesellschaft findet und dort nach dem Muster eines Bildungsromans zum vollwertigen Mitglied ausgebildet wird.
Rein äußerlich ist Mühlenhardt eine Idealbesetzung: Typ netter Junge von nebenan mit Allerweltsgesicht, der naiv in eine fremde Welt stolpert. Recht viel mehr fällt Mühlenhardt danach allerdings nicht zu seiner Rolle ein als das immer gleiche irritierte Staunen. Für eine Figur aus einem Entwicklungsroman entwickelt sich da eigenartig wenig.
Auch der durchaus gekonnt grell überzeichneten Inszenierung von Mareike Miakt fehlt es an Zuspitzung. Zu selten kippt die Groteske ins Grausige. Die kapitalistische Welt krankt ja nicht nur daran, dass die Menschen dem Mammon hinterher hecheln, und sich darüber selbst verlieren. Auch der Mitmensch wird in diesem System auf seinen Marktwert reduziert; zum Objekt, zur Ware degradiert. Von der daraus resultierenden Kälte ist auf der kleinen Bühne des Münchner Volkstheaters wenig zu spüren. Mareike Mikat hat zwar mit sichtlich viel Herzblut inszeniert. Aber der Biss der Romanvorlage fehlt auf der Bühne.
„Das fünfte Imperium“
Nach dem Roman von Viktor Pelewin
Premiere am Münchner Volkstheater am 17.6.2010
Regie: Mareike Mikat