David Graham: Der Masterplan der Trump-Regierung

Wie Project 2025 Amerika umbaut

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Cover eines Buches in roten und weißen Lettern sthet auf blauem Grund u.a. der Titel "Der Masterplan der Trump-Regierung"
© Fischer Verlag

David A. Graham

Stephanie Singh

Der Masterplan der Trump-Regierung. Project 2025: Wie ein radikales Netzwerk in Amerika die Macht übernimmtS. Fischer , Frankfurt 2025

192 Seiten

18,00 Euro

Von Katja Ridderbusch |
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Offiziell distanziert sich US-Präsident Trump vom Project 2025, einem programmatischen Handbuch für den Umbau des Regierungssystems. Doch viele seiner Entscheidungen folgen dem Plan. Der Journalist David A. Graham liefert eine beunruhigende Analyse.
Er habe nichts mit dem Project 2025 zu tun, sagte Donald Trump im vergangenen September. Er habe es nicht gelesen, werde es nicht lesen. 
Kein Jahr ist das her. Damals tobte der Wahlkampf in den USA, und es gab anschwellenden Unmut über ein politisches Positionspapier, das einen ebenso detaillierten wie radikalen Operationsplan für Trumps zweite Amtszeit darlegte. Das Papier stammt aus der Feder der Heritage Foundation, einer erzkonservativen Denkfabrik.

Project 2025 sei teilweise schon implementiert

Zehn Monate später: Trump ist Präsident und das Project 2025, einst vehement verleugnet, sei bereits teilweise implementiert, sagt David Graham, Journalist beim US-Magazin „The Atlantic“: „Es gab bereits Dutzende von Präsidialerlassen, die direkt Ziele aus dem Project 2025 widerspiegeln. Viele der Autoren haben mittlerweile Ämter in der Regierung. Auch die Idee, dass die Exekutive nach mehr Macht greift, stammt unmittelbar aus dem Project 2025.“
Graham hat eine kompakte, präzise und schnörkellose Analyse dieses heiß diskutierten Programms vorgelegt. Das Projekt sei der Generalschlüssel zum Verständnis der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump, schreibt Graham. Ein politisches Drehbuch für den systematischen Umbau des Machtapparats der USA.  

Die weiße Kleinfamilie steht über allem

Das Ziel: Die christliche und vornehmlich weiße Kleinfamilie soll zur politischen und sozialen Norm erhoben werden. In diesem Modell seien Frauen Mütter, Männer Ernährer und trans Menschen nicht existent, so Graham: „Wo die Freiheitsversprechen der Verfassung enden, fordert Project 2025 die Durchsetzung einer Reihe von Verpflichtungen – zu traditionellen Geschlechternormen, mit einem muskulös daherkommenden Machismo und sittsamer Weiblichkeit ohne irgendwelche Zwischentöne, und zu der ererbten Ungleichheit zwischen Menschen unterschiedlicher Ethnien.“
Die Programme der verschiedenen Politikfelder dienen der Verwirklichung dieser rückwärtsgewandten Vision: In der Gesundheitspolitik sollen evidenzbasierte Konzepte religiösen Überzeugungen untergeordnet und in der Bildungspolitik staatliche Schulen ausgehöhlt werden. Gestärkt werden private und religiöse Institutionen sowie das Homeschooling, der Heimunterricht.

Illegale Einwanderung wird hart sanktioniert

In der Arbeits- und Sozialpolitik sollen Steuer- und andere Anreize verheiratete Paare mit Kindern bevorzugen. Illegale Einwanderung wird hart sanktioniert, legale Einwanderung zurückgefahren. Basis für die Argumentation sei die dramatische Inszenierung von Feindbildern, schreibt Graham: „Ein Glaubensgrundsatz des Project 2025 besagt, die Linke sei im Gegensatz zur Rechten hochgradig organisiert und reglementiert. Diese Perspektive überrascht jeden, der die Linke in den letzten zehn Jahren in Aktion erlebt hat. Doch die Autoren meinen es todernst.“
So warnen sie von einer marxistischen Übernahme des Landes, die unmittelbar bevorstehe und von ausländischen Akteuren orchestriert werde. Und sie verteufeln die vermeintlich „tyrannische Herrschaft“ des ehemaligen Präsidenten Joe Biden. 

Austausch von Berufsbeamten durch politische Loyalisten

Im Zentrum von Grahams Analyse stehen die Strategien und Methoden, mit denen Project 2025 den Umbau der Gesellschaft vorantreiben will. Eines der wichtigsten Instrumente ist der Austausch von Berufsbeamten durch politische Loyalisten. Durchgesetzt werden soll die Schwächung der Bundesbehörden mit dem sogenannten Schedule F, einem Dekret, das den Kündigungsschutz für den öffentlichen Dienst aufhebt.
Bei Graham heißt es dazu: „Bundesbedienstete sind schwer zu entlassen. Doch der Präsident will Mitarbeiter haben, die genau das tun, was er sagt. Also will er die Beamtenstellen in politische Positionen umwandeln und mit Leuten besetzen, die er jederzeit anheuern oder feuern kann. Das geht zurück auf die Idee einer Einheitlichen Exekutive, nach der Präsident mit der Exekutive machen kann, was er will.“

Neustrukturierung des Justizministeriums

Teil der Strategie ist auch eine Neustrukturierung des Justizministeriums. Diese Behörde nimmt in den USA einen Doppelstatus ein: Sie ist Teil der Exekutive, hat jedoch eine hohe Autonomie. Die Veränderungen – zum Teil bereits umgesetzt – würden die Behörde zu einem willfährigen Apparat des Weißen Hauses machen. „Es handelt sich im Kern um den Versuch, die in der Verfassung verankerte Gewaltenteilung zu umgehen“, schreibt Graham.
Doch Trump agiere nicht wie ein klassischer Autokrat; eher wie ein improvisierender Vollstrecker, schreibt der Journalist Klaus Brinkbäumer im Vorwort der deutschen Ausgabe. Das mag der Grund sein für einige Gegensätze zwischen Programm und Praxis, die sich seit Trumps Amtsantritt auftun. Das betrifft vor allem die Außen- und die Handelspolitik, die Graham in seinem Buch nur kurz streift. So weicht Trump beim Thema Zölle und dem Ukraine-Krieg von der politischen Linie des Drehbuchs ab.

Graham: Project-2025-Autoren denken in Jahrzehnten

Doch die Autoren von Project 2025 planten für einen längeren Zeitraum, sagt Graham: „Sie denken in Jahrzehnten. Für sie ist die Trump-Administration ein Vehikel, um lang etablierte Sozialprogramme, die teilweise aus dem New Deal der 1930er Jahre stammen, zurückzufahren; um die Struktur der Gesellschaft und des Regierungsapparates grundlegend zu verändern.“
David Grahams Buch „Der Masterplan“ ist eine ebenso erhellende wie beunruhigende Analyse des ideologischen Überbaus der Trump-Administration – und eine hilfreiche Lektüre für jeden, der die aktuelle Entwicklung der USA jenseits der oftmals erratischen Tagespolitik zu verorten versucht.
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