USA-Experte: Wir sind wieder da als Partner Europas

Daniel Hamilton im Gespräch mit Christopher Ricke · 29.04.2009
In dieser ersten Phase sei es einem Präsidenten nur möglich, Signale zu setzen, erklärt Daniel Hamilton, Direktor des Zentrums für Transatlantische Beziehungen in Washington. Als besonders erfolgreich bewertete er Barack Obamas Reise nach Europa. Außerdem habe er eine Strategie gegen die Wirtschaftskrise entwickelt, betonte Hamilton.
Christopher Ricke: Ich sprach in der vergangenen Nacht mit Daniel Hamilton. Das ist der Direktor des Zentrums für transatlantische Beziehungen an der Johns-Hopkins-Universität in Washington D.C. Und ich fragte ihn: Herr Hamilton, 100 Tage Präsident Obama, waren es aus Ihrer Sicht, aus der Sicht des Transatlantikers 100 gute Tage?

Daniel Hamilton: Es waren durchaus gute Tage, aber man kann in 100 Tagen nicht so sehr viel tun, man kann höchstens Signale setzen. Der Präsident hat gleich am ersten Tag, als er sogar noch bei der Rede war, der Einweihungsrede sozusagen, dabei einige Sachen zurechtzustellen, zum Beispiel bei Guantanamo. Er hat dann versucht, mit der Wirtschaftskrise, was natürlich uns alle beschäftigt, versucht, zuerst innenpolitisch das in Ordnung zu stellen. Und dann hat er sich gewendet, die internationalen Aspekte anzupacken. Er hat mit der Reise in Europa, ich glaube, sehr viel Gutes getan. Die Botschaft dort war: Wir sind wieder da als Mitglied der internationalen Gemeinschaft, wir wollen mit den Europäern arbeiten. Wir müssen zugeben, dass in den letzten Jahren Probleme da waren, aber man kann auf der anderen Seite die USA nicht schuldig erklären für alles, was böse in der Welt ist, und wir müssen hier, wenn wir wirklich eine ernsthafte Partnerschaft wollen, als Partner vorangehen. Und das erfordert auch einiges von Europa.

Ricke: Genau das ist es ja, was auch die Verbündeten so fordert. Mehr Engagement in Afghanistan ist angesprochen worden, Obama drängt auch die EU dazu, aus geopolitischen Erwägungen die Türkei unbedingt in die EU aufzunehmen, das gefällt nicht allen Europäern sehr gut, dennoch gibt es wenig Protest. Woran liegt das?

Hamilton: Ich glaube, man möchte mit dem neuen Präsidenten einen neuen Anfang begehen auch aus europäischer Sicht. Man versteht, man kommt als neuer Präsident in einer Krisenlage herein und muss nicht nur die ganze Personalpolitik dann umkrempeln in den USA, man muss dann, wie ich sagte, Signale setzen, wohin die Reise geht. Und man muss gleichzeitig alles anpacken. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise ist wirklich beispiellos eigentlich, seit der Depression vor dem Zweiten Weltkrieg haben wir so was nicht erlebt. Und ich glaube, die Frage ist, wie wir rauskommen aus der Krise und ob wir gemeinsam versuchen rauszukommen, das ist wirklich die herausragende Frage. Der Präsident hat versucht, das jetzt zu tun.

Ricke: Das größte Thema ohne Zweifel, die Weltfinanz- und Wirtschaftskrise. In Deutschland diskutiert man über Opel, in den USA nicht nur über General Motors, sondern über die ganze Branche, auch über andere Sektoren der Wirtschaft. Hat denn Obama hier in den ersten 100 Tagen aus Ihrer Sicht etwas Ruhe und Vertrauen ins Land gebracht?

Hamilton: Er hat Signale gesetzt, dass er versteht, dass die Wirtschaftskrise die erste Priorität ist. Man muss dann schauen, dass er versucht, innenpolitisch zuerst mal die Bevölkerung, die Wähler, unseren Kongress ein bisschen zu beruhigen, dass er die Sache an sich versteht. Er weiß, wie ernsthaft die Lage ist, und versteht, wie man rauskommen kann. Die müssten in den ersten Tagen natürlich den Plan umsetzen, was sie jetzt vorhaben. Sie müssten dann international mit den anderen größeren Wirtschaftsmächten auch einen Plan erarbeiten, wie wir gemeinsam rauskommen. Das haben sie wirklich in 100 Tagen eigentlich gemacht. Ich glaube, obwohl es einige Querelen gibt, eigentlich gehen jetzt die meisten größten Volkswirtschaften der Welt in eine ziemlich ähnliche Richtung. Und das ist schon ein Verdienst für 100 Tage.

Ricke: Die Finanz- und Wirtschaftskrise verändert die Welt, vielleicht auch die Beziehungen zwischen den USA und Europa. Es gab ja durchaus, vielleicht gibt es sie immer noch, die Angst vor Protektionismus. Diese Angst treibt natürlich vor allen Dingen die Exportnation Deutschland um. Lassen denn die ersten 100 Tage Obama aus Ihrer Sicht Schlüsse darauf zu, wie sich das transatlantische Verhältnis sowohl politisch als auch wirtschaftlich als auch wirtschaftspolitisch entwickelt?

Hamilton: Ja, ich glaube, hier sieht man, die Obama-Regierung wird wenig in den ersten 500 Tagen, nicht 100 Tagen, aber 500 Tagen, wahrscheinlich nicht sehr viel unternehmen, neue Initiativen in der Welthandelspolitik voranzubringen. Sie versuchen einfach, die Lage zu sichern, das heißt, auch innenpolitisch den Leuten zu versichern, dass keine Jobs verloren gehen, dass mit neuen Abkommen, irgendwas, dass man nicht einfach abenteuerliche Politik betreibt. Man muss an unseren Kongress denken, das ist nicht wie ein Parlament im europäischen Sinne, die betreiben ihre eigene Politik, auch wenn sie Demokraten sind. Und man muss mit diesem Kongress arbeiten. Das heißt, innenpolitisch denken, Jobs versichern, einfach den Aufschwung noch mal aufstellen und dann schauen mit den internationalen Partnern, wie man vorankommt, aber nicht mit ehrgeizigen Zielen nur erst mal die Lage sichern und dann schauen wir, wie die Reise weitergeht. Das dauert noch, ich würde sagen, noch ein Jahr, bis wir sehen, wie wir aus dieser Wirtschaftskrise kommen.

Ricke: Daniel Hamilton, er ist der Direktor des Zentrums für transatlantische Beziehungen an der Johns-Hopkins-Universität in Washington D.C. Vielen Dank, Professor Hamilton!

Hamilton: Vielen Dank, danke schön!