Kommentar
Migranten würden schlechtes Erbgut in die USA bringen, sagt US-Präsident Donald Trump. © picture alliance / CNP / AdMedia
Die Renaissance eugenischen Denkens in den USA
04:46 Minuten

Die Idee vom wertvollen und vom weniger wertvollen Leben schien lange ein grausames Relikt aus einer längst überwundenen Zeit. In den USA kehrt diese menschenverachtende Denkweise nun zurück, sagt der Journalist Markus Grill.
Im Juli dieses Jahres hatten Wissenschaftler in der angesehenen Medizin-Zeitschrift „Lancet“ berechnet, wie viele Millionen Menschenleben staatlichen Hilfszahlungen der USA in den vergangenen Jahren in Afrika gerettet haben, sei es durch Medikamente, durch Impfungen oder durch Lebensmittelspenden.
Die Regierung Trump hat diese Hilfsgelder Anfang des Jahres nahezu vollständig gestoppt. Nach Berechnungen der Wissenschaftler wird das in Afrika allein in diesem Jahr 700.000 Kleinkindern das Leben kosten, im nächsten Jahr werden es weitere 800.000 Kinder sein. In den nächsten fünf Jahren addiert sich diese Zahl auf rund 4,5 Millionen vermeidbare Todesfälle bei Kindern im Altern von bis zu fünf Jahren.
Womöglich sind diese Menschenleben dem amerikanischen Präsidenten gleichgültig. Vielleicht ist es aber auch noch drastischer und diese Todesfälle werden sogar gerne in Kauf genommen. Denn es gibt in den USA schon länger eine kaum verhohlene Renaissance eugenischen Denkens: also der Vorstellung, dass es Menschenleben gibt, die wertvoller sind und solche, die weniger wert sind und dass es Aufgabe des Staats ist, nur das wertvolle Leben zu fördern.
In Deutschland sind diese Überlegungen durch die massenhaften Tötungen der Nationalsozialisten von Behinderten bis heute indiskutabel. Allenfalls in rechtsextremen Kreisen wird noch ein Biologismus hochgehalten, der daraufsetzt, dass das stärkere Leben das lebenswertere Leben ist und der deshalb Impfungen ebenso ablehnt wie jegliche ausgleichende Sozialpolitik für Schwächere.
In den USA dagegen gibt es eine lange Tradition eugenischen Denkens und keinen so radikalen Bruch wie bei uns nach 1945. Das Ziel der eugenischen Überlegungen Anfang des 20. Jahrhunderts war es, die Gesellschaft zu verbessern und Menschen, die für den Kapitalismus unnütz waren, an der Fortpflanzung zu hindern.
Zwangssterilisierungen in den USA
Im Jahr 1907 hat der US-Bundesstaat Indiana damit angefangen, Menschen, die behindert waren, kriminell oder einfach als minderbemittelt eingestuft wurden, ohne ihre Einwilligung zu sterilisieren, ihnen also die Möglichkeit zu nehmen, eigene Kinder zu bekommen. Kurz darauf haben Kalifornien und 28 weitere Bundesstaaten entsprechende Gesetze verabschiedet. Bis in die 1970er-Jahre gab es in den USA insgesamt mehr als 60.000 Zwangssterilisierungen. Sogar Hitler war beeindruckt von dieser angeblich fortschrittlichen Politik, die dazu führen sollte, dass angeblich minderwertige Gene in der Bevölkerung verringert werden sollten.
Wenn US-Präsident Trump heute über illegale Einwanderer in die USA spricht, spricht er auch immer wieder davon, dass Migranten ein schlechtes Erbgut in die USA brächten. Trump sagte zudem, dass diese Ausländer das Blut des Landes vergifteten. „Ich glaube an Gene“ hat Trump in einem Fernsehinterview bekundet - und selbstverständlich habe er selbst, so seine Behauptung, besonders gute Gene. Bei anderer Gelegenheit hat Trump einen Körperbehinderten nachgeäfft.
Silicon-Valley-Milliardäre und Pronatalisten
Auch sein Umfeld wie Elon Musk oder Silicon-Valley-Milliardäre wie Marc Andreessen oder der deutschstämmige Peter Thiel, reden positiv über Eugenik, teilen auf Social Media Links oder kommentieren zustimmend entsprechende Positionen. Und sie unterstützen eine Bewegung von Menschen, die sich Pronatalisten nennen und dazu aufrufen, möglichst viele Kinder zu bekommen. Dabei sind nicht alle Kinder gleichermaßen erwünscht. Wer sich die Bilder der Pronatalisten anschaut, findet nahezu ausschließlich weiße, wohlhabende, gesunde Kinder aus betont traditionell-christlichen Familien. Schwarze oder arme Familien sollen in dieser Weltsicht am besten möglichst wenig Kinder bekommen.
Dass ausgerechnet diejenigen, die in den USA ihr Christentum wie Monstranz vor sich hertragen, das eugenischen Denken wieder salonfähig machen, ist zwar ein Widerspruch. Doch der wurde zu früheren Zeiten auch schon in Deutschland ganz gut ausgehalten.





















