US-Wahlkampf

Auch Essen ist politisch

Wackelfiguren mit stilisierten Köpfen des republikanischen Kandidaten Donald Trump und der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton
Wackelfiguren mit stilisierten Köpfen des republikanischen Kandidaten Donald Trump und der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton © dpa / Kay Nietfeld
Jürgen Martschukat im Gespräch mit Ute Welty · 13.08.2016
Donald Trump inszeniert sich als Junk food aficionado, das Team Clinton kocht selbst, First Lady Michelle Obama wirbt für gesunde Ernährung. Essen ist immer politisch, auch im US-Wahlkampf, sagt der US-Experte Jürgen Martschukat.
Der Professor für nordamerikanische Geschichte, Jürgen Martschukat, sieht bei den Kandidaten im Rennen um die US-Präsidentschaft auch die politische Dimension von Ess- und Ernährungsstilen im Einsatz.
"Über Essen kann ich auch sagen, wer ich bin und wo ich hingehöre oder wo ich hingehören möchte", sagte Martschukat im Deutschlandradio Kultur. "Und insofern ist das etwas was die Leute sehr genau beobachten. Und deswegen ist es politisch so wichtig und gleichzeitig auch gefährlich für Politiker."

Fast Food "für den Amerikaner als solchen"

Mit der Präferenz und öffentlich demonstrierte Vorliebe des republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und seines Wahlkampf-Teams für Fast-Food-Essen versuche Trump "den Amerikaner als solchen" anzusprechen und zu repräsentieren, erklärte der Professor für nordamerikanische Geschichte an der Universität Erfurt. "Wobei, Essen sieht man sie ihn ja eigentlich nie, sondern er zeigt immer nur drauf."
Das vom Team der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton praktizierte gemeinschaftliche Zubereiten von eingekauften Lebensmitteln demonstriere "Gemeinschaftsbildung" und sei ein wichtiges Zeichen an die Wählerinnen und Wähler: "Dass man da mehr Möglichkeiten hat etwas eigenes zu produzieren, auf die eigene Gesundheit zu achten, Nahrungsmittel bewusst auszuwählen und nicht einfach schnell und einfach dem Fast-Food zu frönen."

Fitness und Gesunde Ernährung waren die Agenda der Obamas

Allerdings sei es klug von Hillary Clinton, nicht allzu stark dem Vorbild von First Lady Michelle Obama und deren öffentlich propagiertem Konzept des gesunden Lebens zu folgen: "Diese Themen sind bereits von den Obamas besetzt", meint Martschukat. Michelle Obama habe nicht nur den Kräutergarten im Weißen Haus wiederbelebt, sondern habe anderem über Buchprojekte und ihre Unterstützung des Programms für mehr Bewegung und bessere Ernährung, "Let`s Move", das sich an Schulkinder richtet, die Themen "Bewegung und Know-how für, bessere Ernährung" auf die Agenda gesetzt.

Zwei Seiten einer Medaille

Die in den USA sichtbaren gleichzeitigen Phänomene von zunehmend verbreitetem Übergewicht und Fettleibigkeit neben selbstdiszipliniertem Fitnesshype und Körperkult und der Fokussierung auf gesunde Ernährung zeige eine in der amerikanischen Gesellschaft sichtbare Spaltung: "Ich glaube es sind zwei Seiten einer Medaille. Und zwar einer Medaille, die ganz viel damit zu tun hat, dass man in freiheitlichen Gesellschaften die Freiheit hat, eine Wahl zu treffen, und auch zu wählen, was man isst. Das geht aber einher mit der Verantwortung gute, vernünftige abgewogene Entscheidungen zu treffen. Und das ist glaube ich, die Spaltung, die existiert in der amerikanischen Gesellschaft: Wem wird zugetraut diese Entscheidung zu treffen und wem nicht." Der Konsum von Fast-Food werde mittlerweile immer mehr als Zeichen wahrgenommen, keine vernünftige Entscheidungen treffen zu können. Dies bringe zugleich aber eine Spaltung mit sich, zwischen jenen, die das Know-how und die finanziellen Möglichkeiten dafür haben, zu kaufen, was gut für sie ist und jene, die diese Möglichkeiten nicht haben, erklärte Martschukat, der das Forschungsprojekt "Das essende Subjekt. Eine Geschichte des Politischen in den USA vom 19. bis zum 21. Jahrhundert" leitet.

Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Viel ist schon geschrieben und gesprochen worden über die Beweggründe der Präsidentschaftskandidaten Clinton und Trump. Und vor allem Donald Trump kann noch nicht einmal irgendetwas essen, ohne dass sein mexikanischer Salat oder der Burrito zweifelhafte Karriere in den sozialen Netzwerken macht. Aber muss einen das wundern in einem Land, wo die harmlose Fritte zum Symbol wird für Freund oder Feind? Wir erinnern uns alle an die Umbenennung von "French Fries" in "Freedom Fries", weil die Franzosen so gar nicht, wie auch die Deutschen, an der Seite der Amerikaner in den Irakkrieg ziehen wollten. Über die politische Dimension des Essens forscht Jürgen Martschukat, Professor am Institut für Geschichte Nordamerikas in Erfurt. Guten Morgen!
Jürgen Martschukat: Guten Morgen, Frau Welty!
Welty: In den USA existieren sogar Statistiken darüber, welches Wahlkampfteam wo isst und wie viel Geld dafür ausgegeben wird. Warum hat Essen offenbar eine so politische Bedeutung?

Über Essen ausdrücken "wohin ich hingehöre"

Martschukat: Es wundert mich nicht, dass man das ganz genau beobachtet, weil über Essen kann ich ausdrücken, wer ich bin und wo ich hingehöre oder wo ich hingehören möchte. Und insofern ist das etwas, was die Leute sehr genau beobachten und auch immer sehr einfach und gut mit sich selbst und ihrem eigenen Leben in Verbindung bringen können. Und deswegen ist es so wichtig, auch politisch so wichtig, aber gleichzeitig auch so gefährlich für Politiker und Politikerinnen.
Welty: Dieser Statistik zufolge verpflegt sich Team Trump vor allem mit Burgern, während Team Clinton Lebensmittel einkauft. Kocht Mutti also selbst, oder will man zumindest das Image erzeugen, dass Mutti selbst kocht?
Martschukat: Ja, das glaube ich auf jeden Fall. Wie Sie schon gesagt haben, ob Mutti selber kocht, das weiß ich nicht, aber sich selber ein Essen zuzubereiten, das auch noch als Gruppe, das hat ja so einen Effekt von Community Building und Gemeinschaftsproduktion und ist natürlich auch ein wichtiges Zeichen an die Wählerinnen und Wählern, dass man da mehr Möglichkeiten hat, wenn man selber einkauft und selber was zubereitet, was Eigenes zu produzieren, auf die eigene Gesundheit zu achten, Nahrungsmittel bewusst auszuwählen und eben nicht schnell und einfach dem Fastfood zu frönen. Bei Trump würde ich mal annehmen, dass seine zumindest vor Kameras gern demonstrierte Vorliebe für Burger und Fastfood – Essen sieht man sie ihn ja eigentlich nie, sondern er zeigt immer nur drauf – ja, dass das schon auch was damit zu tun hat, dass er eben den Amerikaner als solchen ansprechen will.
Welty: Inwieweit befindet sich denn Hillary Clinton auf den Spuren von First Lady Michelle Obama, die ja unter großem Medieninteresse am Weißen Haus einen Kräutergarten angelegt hat?
Martschukat: Ich glaube, dass das, was Clinton macht in Sachen Lebensmitteln, erst mal viel weniger Öffentlichkeit hat. Michelle Obama hat das ja zu ihrem großen Programm gemacht, das sie als First Lady betrieben hat. Und da hat sie auch noch mehr getan, als einen Kräutergarten anzulegen, sondern so ein gesamtes Konzept des gesunden Lebens hat sie versucht zu verkörpern, oder verkörpert sie immer noch, über mehr Bewegung, bessere Ernährung, darüber nachzudenken, was man isst, wie man isst, Kenntnisse zu haben über das Essen, Dinge selber zu tun, selber zuzubereiten. Das ist ja das, was sie versucht hat mit ihrem letzten Buchprogramm in Amerika auf die Agenda zu setzen. Und im Kontext dieses Fitness-Wahns und dieser unglaublichen Dickseinsfurcht, die beide miteinander da existieren, ist das ja ein recht zugkräftiges Programm, und da finde ich jetzt das, was Clinton in Sachen Essen repräsentiert, bisher relativ schmal. Aber das ist ja auch besetzt von den Obamas, und ich glaube nicht, dass sie politisch gut dran tun würde, jetzt sich da in die Spur zu begeben.

Zwei Seiten einer Medaille

Welty: Auf der einen Seite boomt auch in den USA das Thema gesunde Ernährung, Sie haben es gerade beschrieben, mit Bio, vegetarisch, vegan. Auf der anderen Seite werden immer mehr Amerikaner immer dicker. Wie tief geht diese Spaltung der Gesellschaft?
Martschukat: Ich glaube, es sind zwei Seiten einer Medaille, und zwar einer Medaille, die ganz viel damit zu tun hat, dass man in freiheitlichen Gesellschaften selbst dafür verantwortlich ist, also die Freiheit hat, eine Wahl zu treffen, und das heißt auch, zu wählen, was man isst. Und das geht aber einher mit der Verantwortung, gute, vernünftige, abgewogene Entscheidungen zu treffen. Und das ist, glaube ich, die Spaltung, die da existiert in der amerikanischen Gesellschaft. Wem wird zugetraut, diese Entscheidung zu treffen, und wem nicht. Also das heißt jetzt, permanent, kontinuierlich Fastfood zu konsumieren, wird immer mehr als ein Zeichen wahrgenommen öffentlich, dass Menschen keine vernünftigen Entscheidungen treffen können. Und das bringt so eine Spaltung in die Gesellschaft der, sagen wir mal, oberen 40 Prozent, die sehr aufmerksam darauf achten, auch das Know-how haben und auch die finanziellen Möglichkeiten haben, das zu kaufen, was gut für sie ist und damit auch gut für Amerika ist. Und diejenigen, die eben relativ hemmungslos dem Konsum frönen oder keine anderen Möglichkeiten haben.
Welty: Ist Ernährung immer noch eine Frage von Einkommen und Bildungsstand?
Martschukat: Auf jeden Fall. Das zeigen auch ganz viele Untersuchungen, dass da die Linie gezogen wird. Aber das funktioniert eben auch andersherum. Es ist nicht nur so, dass, je nachdem, wie hoch oder niedrig mein Einkommen ist und wie viel Bildung ich habe bezüglich Essen, dass ich so konsumiere, sondern dass zum Beispiel auch von der Körperform von Menschen abgeleitet wird, welcher Schicht, welcher Klasse, welcher Bildungsgruppe sie angehören. Also, Diskriminierung funktioniert da in beide Richtungen. Und das ist zum Beispiel ja auch eine sehr politische Ebene, die uns sehr interessiert in unserem Projekt, also diese alltagspolitischen Fragen.
Welty: Jürgen Martschukat, Professor am Institut für Geschichte Nordamerikas in Erfurt, forscht zum Thema amerikanisches Essen und amerikanische Politik. Ich danke für Ihre Erkenntnisse und wünsche guten Appetit, wie auch immer Ihr Frühstück jetzt aussieht.
Martschukat: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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