US-Fotografin Danna Singer

Bilder des anderen Amerikas

Von Jasper Barenberg |
Donald Trump behauptet oft, den "vergessenen Amerikanern" eine Stimme zu geben. Jenen, die hart arbeiten und arm bleiben. Die Fotografin Danna Singer ist in ärmsten Verhältnissen aufgewachsen. Dass Trump etwas ändert, glaubt sie nicht.
Die Herbstsonne taucht alles in ein warmes Licht, in der Zwei-Zimmer-Wohnung von Danna Singer: den Holztisch mit den drei Stühlen, das ausladende grüne Sofa, die hellgrau gestrichenen Wände. Später wird sie zur Uni fahren und Fotografie unterrichten – wie fast jeden Tag in der Woche. Die beiden Söhne sind erwachsen und aus dem Haus. Ein geordnetes Leben in Philadelphia. Aber das zu erreichen, dafür hat Danna Singer hart kämpfen müssen. Und ohne ihre Kamera hätte sie es wohl nicht geschafft.
Mit 16 ist sie gerade von der Schule geflogen als sie zu fotografieren beginnt, Anerkennung dafür erfährt. Das war ihre Rettung, erzählt sie im Rückblick. Sie schafft doch noch den Schulabschluss – als erste und einzige in der Familie. In einem Landstrich von New Jersey, der von bitterer Armut geprägt ist, von Krankheit, von Drogensucht. In einer Welt, in der es nur darum geht, etwas zu essen zu besorgen und dafür Kleingeld zusammenzukratzen. Dass sie etwas Besseres verdient – dieser Gedanke war es nicht, der Danna Singer damals angetrieben hat. Sondern ihre Wut.

Unverhüllte Blicke auf Leben voller Not und Enge

Sicherheit und Geborgenheit will sie für ihr Leben. Und dass Kunst einen Platz darin hat. Aber Danna Singer fügt sich auch den Erwartungen ihrer Umgebung, heiratet mit 24, bekommt zwei Söhne, trennt sich, lässt sich scheiden. Erst danach schafft sie es an eine Kunsthochschule in New York und später sogar an die Universität in Yale.
Hier beginnt sie auch, Freunde und Verwandte aus ihren Kindertagen in New Jersey zu fotografieren. Ihre Schwester, die mit 15 ein Kind bekam, ihre drogenkranke Cousine, nackt auf dem Klo. Ein unverhüllter Blick auf Leben voller Not, Enge und Hoffnungslosigkeit. Für Danna Singer fügen sich die Fotos zu einer Geschichte der "working poor". Der Menschen, die arbeiten und doch in Armut leben.
Danna Singer fotografiert häufig Menschen, die in Armut leben.
Danna Singer fotografiert häufig Menschen, die in Armut leben.© Danna Singer
"Ich wünschte, es gäbe eine Garantie, dass Fotos wie diese helfen, den Reichtum in diesem Land gerechter zu verteilen. Und uns besser um alle Menschen in diesem Land zu kümmern." Aber in Zeiten von Donald Trump hält Danna Singer einen solchen Wandel für ausgeschlossen. Dass sich ausgerechnet dieser Präsident als Schutzpatron der vergessenen Amerikanern gibt, hält sie für einen schlechten Witz.
Trump kommt ihr wie ein betrunkener Onkel in einer Familie vor. Der alle mit einfachen Worten anspricht - und doch außer Kontrolle geraten ist. Indem er etwa den Rassismus ihrer Heimat bedient. Die hat Danna Singer hinter sich gelassen – wenn auch nicht ganz. "Willst Du erleben, wie blanke Verzweiflung aussieht?", fragt sie zum Abschied in ihrer Wohnung in Philadelphia. Denn man muss von dort die Straße nur ein paar hundert Meter weiter hinunterfahren. Dort stapelt sich der Müll in aufgelassenen Grundstücken. Dort hocken Drogenkranke mit leerem Blick auf dem Gehweg.
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