US-Botschaft nach Jerusalem

Ein Schritt zur Apokalypse?

Ein israelischer Radfahrer fährt in Tel Aviv an zwei Plakaten vorbei, auf denen steht: "Trump - Make Israel Great Again".
Plakate in Tel Aviv fordern, dass Trump Israel wieder groß machen soll. © EPA / Jim Hollander
Von Franziska Knupper · 02.05.2018
Die US-Botschaft in Israel wird am 14. Mai von Tel Aviv nach Jerusalem umziehen. Dies ist auch ein Erfolg der Lobby-Arbeit von evangelikalen Christen. Sie legen die Bibel wörtlich aus und für das "Reich Gottes" brauchen sie US-Präsident Trump.
Kurz vor den alten Stadtmauern Jerusalems erhebt sich der Berg Zion. Ein Sehnsuchtsort für Juden. Laut Tora entstand hier die "Stadt Davids" - zirka 1000 Jahre vor Christus.
Am Fuße des Hügels liegt heute das sogenannte Messias Gästehaus. Vier Zimmer gibt es für Pilger und Sinnsuchende – dazu Instant-Kaffee, selbstgebackene Frühstückskekse und einen Blick auf den grünen Gipfel des Berges. Dort, wo der Heiland auf einem weißen Pferd oder Esel hinunter reiten wird - das zumindest glaubt Gästehaus-Inhaber Joseph Mireles:
"Wenn man sieht, dass die Juden zurückkehren ins Land, dann ist das ein Zeichen für die Endzeit. Ich glaube aber nicht, dass wir schon soweit sind, ich glaube, dass es erst noch eine massive Einwanderung nach Jerusalem geben wird."
Joseph setzt seine Baseball-Kappe auf. Darauf prangt in blauen Lettern der hebräische Schriftzug "Er ist das Leben". Jesus ist gemeint. Und Joseph will sich damit outen als sogenannter "Believer" - also ein Jude, der zum Christentum konvertiert ist – und sich zum Evangelium bekennt.
Also auch zur Offenbarung aus dem Neuen Testament. Ein Text, der in den momentanen politischen Zeiten immer wichtiger wird und nicht geizt mit Endzeitstimmung, Düsternis und Blutvergießen. Laut Prophezeiung kehren die Juden ins heilige Land zurück, ein Heiland führt die Völker in eine letzte Schlacht am Berg Armageddon und regiert die Welt danach für 1000 Jahre in Frieden.

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Evangelikale: Prophezeiung beschreibt Weltuntergang

Viele Historiker nennen diesen Text ein Zeugnis der Christenverfolgung im Römischen Reich. Evangelikale Christen sagen, die Prophezeiung beschreibe den bevorstehenden Weltuntergang und die Erlösung. Eine Überzeugung, die sie mit politischer Lobbyarbeit vorantreiben. Donald Trumps Nahost-Politik ist dabei der bisher größter Triumph. Erst im Dezember 2017 hatte der US-Präsident entgegen aller internationalen Warnungen Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt. Für Evangelikale – wie Gästehaus-Inhaber Joseph - ein Schritt in die biblische Richtung.
"Ich liebe Donald Trump, ich bin ein wahrer Trump-Fan. Als er Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannte, waren überall Plakate: 'Wir lieben Trump', 'Trump ist der Größte'. Ich meine, Trump wird in Israel wirklich geliebt."
Ganz so eindeutig ist das Bild in den USA nicht überall. Laut dem US-amerikanischen Umfrage-Institut Pew glauben von Trumps jüdischer Wählergruppe nur 16 Prozent, dass der Umzug ein guter Schachzug ist. Anders bei seinen evangelikalen Wählern: Von ihnen glaubt die große Mehrheit daran, dass Jerusalem dem jüdischen Volk versprochen wurde.
Evangelikale in Kalifornien.
Ein Schritt in die biblische Richtung: Evangelikale in Kalifornien (USA).© imago stock&people

Viele Evangelikale im Stab des US-Präsidenten

Dabei berufen sie sich immer wieder auf eine Passage im 1. Buch Mose und im Alten Testament – aus der Genesis - wo Gott den Israeliten verspricht:
"Geh aus deinem Vaterland in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen."
Wer von diesen Zeilen überzeugt ist, kann nicht anders, als sich solidarisch zu Israel zu bekennen. Und so geschah es auch bei der US-Wahl 2016: Rund 80 Prozent der 50 Millionen US-Evangelikalen stimmten für Trump. Und nun gibt es viele Evangelikale im Stab des US-Präsidenten, zum Beispiel Vizepräsident Mike Pence.
US-Präsident Donald Trump (l) hält am 06.12.2017 eine Proklamation, in der er Jerusalem als die Hauptstadt Israels anerkennt. Neben ihm steht Vizepräsident Mike Pence.
US-Präsident Donald Trump hält am 06.12.2017 eine Proklamation, in der er Jerusalem als die Hauptstadt Israels anerkennt. Neben ihm Vizepräsident Mike Pence.© dpa-Bildfunk / AP / van Vucci
Eine Entwicklung, die sich Lobby-Organisationen für Israel zunutze machen wollen. So wie die Israel Allies Foundation. Josh Reinstein ist ihr Präsident:
"Es gibt 13 Millionen Juden auf der Welt und eine Milliarde Christen. Aber zusammen sind wir eine Milliarde und 13 Millionen! So sieht es nämlich aus. Und wir brauchen wirklich dringend die Unterstützung von unseren christlichen Freunden. Ich finde es großartig, dass sie uns aufgrund ihres Glaubens an die Bibel unterstützen. Das ist unser gemeinsamer Nenner. Der Grund, warum die Juden in Israel sind ist die Bibel. Ansonsten wären wir in Uganda. Aber wir kamen in diese Region, weil wir daran glauben und dreimal am Tag in Richtung Jerusalem beten, dass dies unser Land ist und Gott seine Versprechen erfüllt - und das tut er!"
Josh Reinstein wurde 2012 zu einem der 50 einflussreichsten Juden der Welt gekürt. Gemeinsam mit dem Politiker und Journalisten Yuri Stern gründete der gebürtige US-Amerikaner 2004 den "Christian Allies Caucus", ein parlamentarisches Gremium, das mittlerweile in 39 Ländern besteht.

Christen in den USA politisch organisiert

In den USA wird die biblische Prophezeiung in diesem Rahmen derzeit von 50 republikanischen und 36 demokratischen Abgeordneten in echte politische Aktion umgesetzt. Für Reinstein spielt es keine Rolle, ob seine Unterstützer katholisch oder orthodox, calvinistisch oder evangelikalisch sind – er selbst ist gläubiger Jude, bekennender Zionist und Begründer der sogenannten glaubensbasierten Diplomatie, wie er in einem Strandcafé in Tel Aviv erzählt.
"Obwohl ich kein Christ bin, glaube ich an den Tanach, oder was die Christen das Alte Testament nennen. Diese gemeinsamen Wurzeln, diese gemeinsame Glaubenssystem ist ein guter Startpunkt, um miteinander zu arbeiten. Und sie sind diejenigen, die Israel am meisten helfen. In Israel nennen wir es glaubensbasierte Diplomatie. Und wir sind der Meinung, dass das unsere stärkste Waffe in unserem diplomatischen Arsenal ist. Und das wichtigste daran ist, dass Glaube sich nicht verändert - im Gegensatz zu ökonomischen und politischen Faktoren, die sich ständig ändern."
Im Gegensatz zum laizistischen Westeuropa seien die Christen in den USA politisch organisiert. Ungeachtet geografischer und politischer Gegebenheiten haben sie im letzten Jahr enormen Druck in puncto Nahost-Politik ausgeübt: 137.000 Mitglieder des Vereins Vereinigte Christen für Israel (CUFI) forderten das Weiße Haus per Petition auf, die amerikanische Jerusalem-Politik zu ändern. Mit Erfolg, wie Israel-Lobbyist Josh Reinstein erklärt:
"Die Basis der republikanischen Partei sind bibelgläubige Christen und man kann sehen, wie oft sich das in politischer Aktion niederschlägt. Wenn man ökonomische Interessen hat, wird man nicht unbedingt hinter Israel stehen. Wir haben nicht die Ölvorkommen wie unsere Nachbarn. Und wenn man politisch denkt, wird man auch nicht unbedingt hinter Israel stehen. In den Vereinten Nationen haben wir nur ein Votum im Gegensatz zu 22 arabischen, viel mehr muslimischen, Stimmen. Nur die Menschen, deren Glaube außerhalb von Wirtschaft und Politik stattfindet, werden Israel unterstützen. Und das sind die Anhänger des Buches, die Juden und die Christen."
Nach der Begrüßung von Donald Trump verässt Tony Perkins, Vorsitzender des evangelikalen "Family Research Council", die Bühne
Tony Perkins und Donald Trump auf der "Values Voters Summit" 2017 von der evangelikalen Organisation FRC.© AFP / Brendan Smialowski

Ein Schwabe leitet die Evangelikalen in Israel

Wieder zurück in Jerusalem - etwa zehn Minuten Fahrtzeit von Jospehs Gästehaus entfernt. Hier lenkt Jürgen Bühler die Geschicke der Evangelikalen in Israel – also der sogenannten christlichen Zionisten. Bühler ist promovierte Chemiker und nun Präsident der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem, eine zionistische Organisation, die in über 60 Ländern vertreten ist. Dass ein Deutscher in Jerusalem auf dem Chefsessel sitzt, ist durchaus erstaunlich, da die Gruppe Evangelikaler in Deutschland bislang eine Minderheit ist.
"Evangelikale Christen gibt es ja in Deutschland recht wenige, vielleicht maximal ein Prozent. Man schätzt eine Million in Deutschland ungefähr. Wenn man in andere Länder geht, selbst innerhalb Europas, aber hauptsächlich in Südostasien, Afrika, Lateinamerika ist es mit Abstand die am schnellsten wachsende, nicht nur christliche, Religionsgruppe insgesamt. Das heißt, in manchen Ländern wie Guatemala zählen sich über 50 Prozent der Bevölkerung zur evangelikalen Bewegung dazu. Man schätzt heute zwischen 700 und 750 Millionen evangelikale Christen weltweit. Das ist schon ein phänomenales Wachstum von ein paar zig Millionen am Anfang des letzten Jahrhunderts. Also, unser Hauptklientel sind evangelikale Christen."
Der Job des gebürtigen Schwaben in Jerusalem ist ein täglicher Spaziergang durch ein politisches Minenfeld. Die Israelis schätzen Bühler als Unterstützer und fürchten ihn als Missionar. Die arabischen Christen achten ihn als Glaubensbruder und verabscheuen ihn als Zionisten. Im Gegensatz zu Joseph Mireles oder Josh Reinstein ist er deswegen vorsichtig, politische Gegebenheiten in biblische Offenbarung zu übersetzen:
"Was in Amerika gerade ein bisschen geschieht, wo die Kirchen hoffen, dass der Präsident jetzt sehr stark die evangelikalen Leute in die Regierung bringt, dass das das Heilsbringende für die Vereinigten Staaten ist - davon bin ich nicht so überzeugt. Ich bin vorsichtig, aus biblisch, prophetischen Aussagen eine Tagespolitik entstehen zu lassen. Wenn Gott, an den ich sehr stark glaube, etwas macht, dann findet man im Nachhinein immer eher heraus, was Gott tut als dass man versucht, sich mit menschlichen Anstrengungen in die Politik einzumischen. Das sieht man an der europäischen Geschichte, dass wenn eine zu enge Verbindung zwischen Religion und Staat ist, dann ist das ganze nicht gut ausgegangen."

Ist Trump der falsche Prohpet?

Eigentlich sollte der Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem erst 2019 stattfinden - laut Außenamtssprecherin Heather Nauert in Washington muss es jetzt aber schneller gehen: Schon am 14. Mai, zum 70. Jahrestag der israelischen Staatsgründung, werden die Kartons in Tel Aviv gepackt.
Die Palästinenserführung verurteilte die frühzeitige Verlegung als "Provokation für die Araber, die Muslime und die Christen". In der Folge kommt es zu Protesten und Gewalt: Im Westjordanland, im Gazastreifen, in Bethlehem und Nazareth protestierten arabische Christen und König Abdullah aus Jordanien warnt, dass dieser Schachzug die gesamte Region nachhaltig destabilisieren könnte.
Palästinenser verbrennen am 06.12.2017 in Gaza (Palästinensische Autonomiegebiete) während eines Protests gegen US-Präsident Trumps Vorhaben, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, die amerikanische und israelische Flagge. (zu dpa «Trump legt mit Jerusalem die Lunte an das Pulverfass Nahost» vom 06.12.2017) 
Palästinenser verbrennen in Gaza die amerikanische und israelische Flagge im Dezember 2017.© picture alliance / dpa / Wissam Nassar
Solche Sätze und Tumulte haben auch Joseph Mireles – den zum Christentum konvertierten Herbergsvater auf dem Berg Zion - nachdenklich gemacht. Zwar ist er ein Befürworter des US-Präsidenten, langsam fürchtet er aber, dass Trump vielleicht der falsche Prophet sein könnte, vor dem nur der Messias die Menschheit retten kann. Laut Offenbarung wird die Menschheit nämlich vor Ankunft des Heilands von einem Anführer in die Irre geleitet, der den Juden ihr Land zurück gibt.
"Ich liebe Trump, ich meine, ich habe sein Buch, ich mag ihn. Aber ich sehe in ihm eventuell den Anführer der Apokalypse. Der Antichrist oder der falsche Prophet . Ich sage nicht, dass er es auf jeden Fall ist. Aber was geschehen wird, ist, dass ein Anführer kommen wird, dem die Juden folgen. Und sie folgen Trump! Ich meine, Israelis lieben Trump!"

Auch Islamisten sprechen von Apokalypse

Für Josh Reinstein – den Israel-Lobbyisten - ist das alles irrelevant. Für ihn zählt die Zeit bis hin zur Apokalypse. Um alles weitere - auch das Schicksal der Juden nach der Endzeit - werde man sich kümmern, wenn die Zeit reif ist.
"Manche glauben, dass ein Drittel der Juden umkommt und der Rest konvertiert. Aber das sind alles messianische Ideen, die nur dann geschehen, wenn der Heiland kommt. Worüber wir beide aber einig sind, ist dass bis der Messias kommt, wir zusammenarbeiten müssen."
Der Umstand, dass islamistische Fundamentalisten ebenfalls von der nahenden Apokalypse sprechen, dürfte mittlerweile niemanden mehr überraschen. Auch im radikalen Islam erwartet man ebenfalls die Ankunft des Messias, des Mahdi, der die Völker in den letzten Kampf führen wird. Statt in Armageddon wird bei Moslems in Dabiq, im Norden Syriens, gekämpft. Das ist der Hauptgrund, warum die Terrormiliz "IS" ihr Kalifat dort bitter verteidigte und sogar ein Propagandamagazin nach der Stadt benannte.
Die, die sich sonst spinnefeind sind, haben beim Thema Weltuntergang plötzlich viele Gemeinsamkeiten.
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