US-Amerikaner ziehen sich aus irakischen Städten zurück

Von Jochen Thies, Deutschlandradio Kultur |
"Gott sei dank ist der Konflikt beendet" - Worte des irakischen Regierungschefs al-Maliki zum Abzug der US-Truppen aus den Städten des Landes in festungsartige Lager, aus denen sie jederzeit zurückkehren können. Gewiss lässt sich diese Nachricht von einer schwachen Regierung im Irak gut verkaufen. Aber wird sie geglaubt?
Ob es sich um mehr als um Kosmetik handelt, werden die nächsten Monate zeigen. Und dann vor allem ein Datum, dass die Stunde der Wahrheit umreißt: der endgültige Abzug der Amerikaner aus dem Irak im Jahre 2011. Dann wird sich auch zeigen, ob es gelingen kann, gescheiterte, umgefallene Staaten wieder aufzurichten, oder ob man dann einen staatlichen Leichnam vor sich liegen hat, bei dem alle Wiederbelebungsbemühungen vergeblich sind, selbst dann, wenn dies 500.000 irakische Polizisten und 250.000 irakische Soldaten versuchen.

Richtig ist, dass wir längst zur Tagesordnung übergegangen sind und dass Schreckensmeldungen aus dem Irak uns kaum mehr aufregen. Wer genauer hinschaut, wer das Land mit Fähnchen gewissermaßen geistig markiert, muss zu einer eher skeptischen Bewertung der Lage kommen. Zwar ist es dem amerikanischen Alleskönner General Petraeus gelungen, die Statistik zu verbessern. Aber bis zum heutigen Tag konnte auch er nicht verhindern, dass der Irak für die rund 130.000 GIs ein gefährliches Pflaster ist. Gewiss gingen die Verwundeten- und Totenzahlen zurück, auch die Totalzahl der Anschläge. Aber umso reichlicher hielt der Tod Ernte unter den Irakern, deutete die Machart der furchtbaren Attacken der letzten Wochen eines an, nämlich die Absicht, den großen Bürgerkrieg zwischen den einzelnen Volksgruppen herbeizuführen, wenn die Amerikaner aus den Städten und danach aus dem ganzen Land verschwunden sein werden.

Viel Substanz hat das Land nach den zurückliegenden sechs Jahren, die durch Massenexodus der Bevölkerung gekennzeichnet sind, durch Zerstörung der Infrastruktur und Darniederliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, die über den örtlichen Markt hinausreicht, ohnehin nicht. Auch das Öl sprudelt nicht so reichlich und vor allem nicht so regelmäßig, wie es erforderlich wäre, um von den hineingepumpten wahnwitzigen Milliardenbeträgen, dazu noch die Kriegführung der Amerikaner mit astronomischen Summen, auch nur irgend etwas wiederzubekommen. So hoch kann der Ölpreis nie werden.

Und kein Platz im Lande ist sicher, auch der bislang für einigermaßen stabil gehaltene Norden des Irak nicht, wie der schwere Anschlag in Kirkuk heute zeigte. Somit scheint nur eines ungeachtet aller Erfolgsmeldungen sicher: der Irak wird das Sorgenkind der Staatengemeinschaft bleiben. Ganz werden die Amerikaner nie abziehen können. Wenn sie den Irak verlassen sollten, werden sie sich einige Meter weiter in den Nachbarländern erneut eingraben. In der Wüste fällt das nicht auf.