Urteile im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess

Von Winfried Sträter · 15.11.2005
Vor 60 Jahren, am 20. November 1945, begann der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess. Führende Vertreter des Hitler-Regimes mussten sich vor dem Internationalen Militärtribunal verantworten. Fast ein Jahr dauerte es, bis die Urteile gesprochen wurden.
Korrespondent des Berliner Rundfunks ist Markus Wolf:

"In allem .. ist zu spüren, dass jetzt der Moment eingetreten ist, auf den Millionen freiheitsliebender Menschen auf der ganzen Welt sehnsüchtig gewartet haben."

Hermann Göring, Rudolf Hess, Julius Streicher, Albert Speer… - auf der Bank sitzen die 21 Männer, gegen die im November 1945 Anklage erhoben wurde.

"Hier sitzen die Schuldigen. Die Schuldigen an der Zerstörung und Verwüstung fast eines ganzen Erdteils."

Von Anfang an musste sich das Internationale Militärtribunal mit dem Vorwurf auseinander setzen, hier werde nicht rechtsstaatlich verfahren, sondern Siegerjustiz geübt. Schon der Verlauf des Verfahrens hat jedoch gezeigt, dass den Angeklagten ein fairer Prozess gemacht wurde. Mit der Verkündung der Schuldsprüche stellen die Richter endgültig die Rechtsstaatlichkeit ihres Vorgehens unter Beweis.

Freispruch: Hans Fritzsche, der Chefpropagandist des Dritten Reiches, ist einer von drei Angeklagten, die im Sinne der Anklage nicht schuldig gesprochen und sofort freigelassen werden. Alle anderen Angeklagten indes werden schuldig gesprochen, allen voran Hermann Göring.

Urteilsverkündung: "Diese Schuld ist einmalig in ihrer Ungeheuerlichkeit. Für diesen Mann lässt sich in dem gesamten Material keine Entschuldigung finden. Schlussfolgerung: Der Gerichtshof spricht den Angeklagten Göring nach allen vier Punkten der Anklage für schuldig."

Am 1. Oktober 1946, tritt der Internationale Militärgerichtshof zum letzten Mal zusammen, um die Strafen zu verkünden.

"Ein Augenblick höchster Spannung, die Anwälte drehen sich um, alles blickt zur Anklagebank, wir schalten um – alles dreht sich um und wartet, wo Göring hereinkommen wird. "

Hermann Göring erhält die Todesstrafe.

"Göring wird herausgeführt, wir erwarten Rudolf Heß. Rudolf Heß ist zu lebenslänglich verurteilt. Offenbar ein mildes Urteil, das wegen seines Geisteszustands so ausgefallen ist,, als nächster wird Ribbentrop hereingeführt werden."

Ribbentrop wird zum Tod verurteilt.

"Wilhelm Keitel – Tod durch den Strang.
Alfred Rosenberg – Tod durch den Strang.
Hans Frank – Tod durch den Strang.
Wilhelm Frick – Tod durch den Strang.
Julius Streicher – Tod durch den Strang.
Walter Funk – lebenslänglich.
Karl Dönitz – 10 Jahre Haft.
Erich Raeder – lebenslänglich.
Baldur von Schirach – 20 Jahre Haft.
Fritz Sauckel – Tod durch den Strang.
Alfred Jodl – Tod durch den Strang.
Artur Seyss-Inquart – Tod durch den Strang.
Albert Speer – 20 Jahre Haft.
Konstantin Frhr. von Neurath – 15 Jahre Haft.
Ernst Kaltenbrunner –Tod durch den Strang.
In Abwesenheit: Martin Bormann – Tod durch den Strang. "

Die Todesurteile werden am 16. Oktober 1946, zwei Wochen nach der Urteilsverkündung, in Nürnberg vollstreckt. Nur Göring entzieht sich der Hinrichtung am Galgen: ihm gelingt zwei Stunden vor der Hinrichtung, Selbstmord zu begehen.

"Nürnberg ist nicht das Ende, sondern der Anfang des neuen Rechtsdenkens in der Welt. Es muss sich in den Regierungen, in den Völkern erst neu verwurzeln, es muss wachsen und sich in die Tiefe und in die Breite entwickeln."

Mit diesen Worten kommentiert ein Schweizer Korrespondent den Ausgang des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses, dem in den Jahren 1946-49 zwölf Nachfolgeprozesse gegen ausgewählte Gruppen von NS-Tätern folgen.