Urteil im Ballstädt-Prozess

Nur Bewährungsstrafen für die Täter

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Ein Angeklagter steht mit Fußfesseln vor Beginn der Neuauflage des Ballstädt-Prozesses im Congresszentrum der Messe Erfurt.
Ballstädt-Prozess: Die Fußfesseln sind Geschichte, alle Angeklagten kommen frei. Das Landgericht Erfurt setzte alle Strafen zur Bewährung aus. © picture alliance / dpa Zentralbild / Martin Schutt
Henry Bernhard im Gespräch mit Heidrun Wimmersberg · 12.07.2021
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Vor mehr als sieben Jahren überfielen 16 Vermummte eine Kirmesgesellschaft im thüringischen Ballstädt und verletzten dabei 20 Menschen zum Teil schwer. Das Landgericht Erfurt verurteilte die Täter dafür nun zu Bewährungsstrafen.
Im sogenannten Ballstädt-Prozess hat das Landgericht Erfurt gegen alle neun Täter Bewährungsstrafen verhängt. Die Verurteilten waren wegen des Überfalls auf eine Kirmesgesellschaft im thüringischen Ballstädt angeklagt. 20 Menschen wurden dabei zum Teil schwer verletzt.
Das Gericht verurteilte sieben Angeklagte jeweils zu einem Jahr Gefängnis, die beiden anderen zu je einem Jahr und zehn Monaten. Dem Urteil waren Absprachen der Staatsanwaltschaft mit den Angeklagten vorausgegangen. Im Gegenzug für Geständnisse waren ihnen Bewährungsstrafen in Aussicht gestellt worden.

Deutliche Kritik des Gerichts

Die Anwälte der Nebenkläger, die die Opfer des Überfalls vertraten, hatten dafür wenig Verständnis, berichtet Henry Bernhard, Landeskorrespondent des Deutschlandradios in Thüringen. Diese hätten argumentiert, "so ein Deal sei ein Schlag ins Gesicht der Opfer und kein Linker könne sich mehr sicher fühlen, da die Rechten vor Gericht nichts zu befürchten hätten".
Das Gericht wiederum habe auf diese Vorwürfe mit deutlicher Kritik an der Nebenklage, an Opferverbänden und an den Medien reagiert, sagt Bernhard. Die Vorsitzende Richterin habe von einer Vorverurteilung gesprochen, wie sie sie noch nie erlebt habe, sowie von Angriffen auf die Gewaltenteilung den Rechtsstaat.
Das Urteil erging mehr als sieben Jahre nach dem Überfall in Ballstädt. 16 Vermummte hatten am frühen Morgen des 9. Februar 2014 die Kirmesgesellschaft überfallen. Dem war der Einwurf einer Scheibe im sogenannten "Gelben Haus", einer bekannten Neonazi-Immobilie, vorausgegangen.
Zur Tatzeit gehörten alle neun Angeklagten der rechtsextremen Szene an. Das Gericht sah aber eine politische Motivation als nicht erwiesen an, sondern wertete die Tat als Racheakt.

Verzicht auf Abschlussplädoyers

Es ist bereits das zweite Mal, dass das Landgericht Erfurt in diesem Fall urteilt. Im Mai 2017 wurden die Hauptangeklagten zu Gefängnisstrafen von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Bundesgerichtshof kassierte das Urteil aber im Januar 2020 und ordnete eine Wiederaufnahme des Prozesses an.
Im zweiten Prozess stellten die Opferanwälte Befangenheitsanträge und verzichteten auf ihre Abschlussplädoyers. In einer Erklärung bezeichneten sie das Verfahren als "Farce".
(nis/epd)
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