Ursachenforschung nach "Harvey"

Eine vermeidbare Katastrophe

Eine überfllutete Straße in Houston, Texas, nach dem Tropensturm Harvey
Eine überfllutete Straße im texanischen Houston nach dem Tropensturm Harvey © AFP/ Thomas B. Shea
Von Marcus Pindur  · 31.08.2017
Nach dem Tropensturm "Harvey" sind die Aufräumarbeiten in vollem Gange. Doch schon wird diskutiert, wie Houston so schnell überflutet werden konnte. Eine mögliche Antwort: Die Stadt sei zu schnell gewachsen, wegen versiegelter Flächen habe das Wasser nicht abfließen können.
Die Rettungsaktionen sind noch lange nicht abgeschlossen, auch sechs Tage nach Beginn des großen Regens, der mit dem Tropensturm "Harvey" einherging. Ein Großteil der öffentlichen Aufmerksamkeit ist weiterhin auf den Hurricane und seinen weiteren Verlauf Richtung Louisiana gerichtet.
Doch nach und nach werden Fragen gestellt, Fragen nach den Ursachen. Einzelne Wetterereignisse direkt und kausal mit dem Klimawandel zu verbinden, ist wissenschaftlich unseriös. Aber die meisten Experten auch in den USA weisen darauf hin, dass die Häufigkeit und Intensität extremer Wetterereignisse zunimmt.

Versagen der lokalen Politik

Eine weitere Frage kann sehr viel klarer beantwortet werden: Wie konnte es dazu kommen, dass weite Teile von Houston so schnell überflutet wurden?
Der Wissenschaftler Sam Brody von der Texas A & M University in Galveston ist Spezialist für Naturkatastrophen und den Umgang mit ihnen. Er sieht ein klares Versagen der lokalen Politik.
"Die rapide Ausdehnung von Houston hat dazu geführt, dass es zu viele nicht durchlässige Oberflächen gibt: Straßen, Dächer, Parkplätze. Der Regen fließt von dort in die Kanäle. Aber wenn es zuviel ist, fließt er in die Wohnhäuser."
Rapides Wirtschaftswachstum schafft Arbeitsplätze und ist erwünscht. Das Problem in Houston: Die schnelle Ausdehnung der Stadt ohne nennenswerte Stadtplanung und Risikoabschätzung. Zwei große Wasserrückhalteseen gibt es. Sie sind bis zum Bersten gefüllt und mussten in den letzten zwei Tagen mehrfach geöffnet werden. Das führte dazu, dass die Wohnhäuser in der Nachbarschaft überflutet wurden – die dort eigentlich nicht hätten gebaut werden sollen, hätte es einen Bebauungsplan gegeben.

Houston ist zu schnell gewachsen

Die versiegelten Flächen waren früher Prärieland, das das Wasser aufsaugen konnte, auch bei schweren Regenfällen.
Brody: "Der westliche Teil der Stadt ist sehr schnell gewachsen. Das hat die natürliche Infrastruktur aus dem Gleichgewicht gebracht. Das war früher Prärieland und Sumpf. Die haben das Wasser aufgesogen und langsam wieder in die Galveston Bay abgegeben."
Bereits vor anderthalb Jahren hatten Journalisten der "Texas Tribune" und der gemeinnützigen Rechercheorganisation "ProPublica" in einer Reportage darauf hingewiesen, dass das Kanal- und Röhrensystem von Houston dringend einer Ausweitung und Überholung bedurfte. Doch geschehen ist seitdem nichts.

Sorge vor dem nächsten Hurricane

Das allein würde jedoch nach Ansicht Brody nicht ausreichen. In Zukunft müsse es eine bessere Risikoabschätzung und dementsprechende Bebauungspläne geben. Eine weiter unregulierte Bebauung, so Brody, könne das Problem beim nächsten Hurricane noch verstärken.
Die Warnungen der Wissenschaftler wurden in den vergangenen Jahren von den Politikern in Houston in den Wind geschlagen, obwohl bereits der Hurricane Ike 2008 die Inseln vor Galveston verwüstet hatte und nur durch einen glücklichen Zufall an Houston vorbeizog. Der Preis für die Missachtung der warnenden Stimmen liegt jetzt offen zutage.
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