Urlaub - die schönste Zeit des Jahres?

Von Ferdinand Ranft · 04.08.2007
Eigentlich sollte dieser Urlaub ja wieder die schönste Zeit des Jahres werden, aber es sieht gar nicht danach aus. Blättert man in den Zeitungen, hört man Berichte im Radio oder sieht fern, Hiobsbotschaften allerorten.
Erstes Thema Klimaschutz. Jetzt gesellen sich nämlich zum Kreis der Klimasünder auch die Urlauber, genauer gesagt die Flugurlauber, und das sind ja eine ganze Menge. Während sie entspannt und glücklich ihren Sonnenzielen entgegenfliegen, verpesten ihre Flugzeuge die Luft mit CO2. Das war zwar schon immer so und es war früher sogar noch viel schlimmer, aber jetzt sind die Ferienflieger zum ersten Mal ins gnadenlose Visier der Klimaschützer geraten. Zahlen helfen da gar nichts, die Debatte wird emotional geführt, basta. Trotzdem wagen wir einen Versuch mit Fakten: Durch die Verbesserung der Triebwerke ging der Emissionsausstoß in den letzten 20 Jahren um 60 Prozent zurück, würde die Flugsicherung in Europa besser organisiert, was kürzere Streckenführungen und weniger Warteschleifen bedeuten würde, könnten noch mal 12 Prozent abgezogen werden. Und wie groß ist der heutige Anteil des Flugverkehrs in Europa an den schädlichen CO2-Abgasen: drei Prozent. Bis der Straßenverkehr mit seinen 18 Prozent mal so weit ist, wird wohl noch einige Zeit ins Land gehen. Also steige ich doch lieber weiter ins Flugzeug.

Damit sind wir ja auch schon bei Thema zwei, dem Straßenverkehr. Dass er die Luft verpestet, weiß jeder. Und trotzdem ist das Auto immer noch des Urlaubers liebstes Vehikel. Da schweigen zwar zur Zeit merkwürdigerweise die Klimaschützer, dafür überschlagen sich die Verkehrsnachrichten förmlich mit Horrormeldungen: 20 Kilometer Stau, 80 Kilometer Stau, stundenlanges Warten in knallender Hitze, ohnmächtige Kinder und Omas. Aber das rührt die Autofahrer alles nicht, seit Jahren ist das schon so, und - das wage ich zu prophezeien, so wird es auch in Zukunft bleiben. Ist ja nicht nur schön, sondern auch verhältnismäßig billig - das Autofahren vor allem für Familien.

Nun empfehlen Verkehrsexperten - damit sind wir beim dritten Thema - Leute steigt auf die Bahn um! Da kommen wir freilich vom Regen in die Traufe. Schon wetzt die Gewerkschaft der Lokführer die Messer: Streik. Nichts da mit dem umweltfreundlichen Verkehrsmittel Bahn. Wenn nicht ein Wunder geschieht, stehen gerade in der Haupturlaubszeit Züge still. Die Bahn spielt nicht mit.

Und, als wären es noch nicht genug der Hiobsbotschaften, flattert gerade termingerecht eine wissenschaftliche Untersuchung auf den Tisch: Ferien sind für Paare hochgefährlich. 80 Prozent der Paare - so lesen wir da - streiten sich in den Ferien. Angeblich, so lesen wir weiter, brechen gerade am Südseestrand und unter Palmen die Probleme auf, die schon so lange unter der Decke schmorten. Urlaub kittet nicht eine angeknackste Beziehung; er macht ihr endgültig den Garaus. Scheidungsanwälte haben nach den Ferien Hochkonjunktur.

Und nun nach all diesen Horrornachrichten? Wir bleiben am besten zu Hause, der CO2- Ausstoß der Haushalte ist zwar auch nicht von Pappe, aber wir verpesten nicht den Himmel und die Autobahnen, wir lassen die Lokführer leere Züge anhalten und arbeiten weiter wie bisher, denn das soll die beste Methode sein, um unsere Beziehung zu pflegen. Schaut man sich freilich um, dann stellt man fest: Die Deutschen sind offensichtlich beratungsresistent. Sie fliegen mehr und weiter als je zuvor, sie packen Kinder und Koffer in ihre Autos, stehen in aller Herrgottsfrühe auf in der Hoffnung: dieses Mal erwischt es uns nicht, sie lassen das Bahnfahren Bahnfahren sein, und sie nehmen wie immer in die schönste Zeit des Jahres ihre Liebsten mit. Oh Klimaschützer oder Kulturkritiker - manchmal hat man das Gefühl sie leben weit weg von den Adressaten ihrer Thesen, und wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen: Das ist auch gut so. Einen schönen Urlaub.


Ferdinand Ranft, geboren 1927 in Leipzig, begann seine journalistische Laufbahn 1958 beim Jugendfunk des Bayerischen Rundfunks in München. 1963 wechselte er zum ZDF und war dort Moderator der "heute"-Sendung; 1964-1969 Leiter des ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. 1969 - 1977 schrieb Ranft für die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit", anschließend war er bis 1978 Leiter des Piper-Verlags in München, 1978 - 1989 dann Chefredakteur des "Merian", seitdem in Hamburg Publizist und Herausgeber der "Marco Polo"-Reiseführer.
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