"Urbane Waldgärten"

Eine grüne Alternative für die Stadt

04:55 Minuten
Ein Garten mitten in der Stadt auf dem Tempelhofer Feld in Berlin.
Gärtnern in einer Metropole – wie auch hier auf dem Tempelhofer Feld in Berlin – wird für viele Menschen immer attraktiver. © imago images / Hoch Zwei Stock / Angerer
Von Magdalena Bienert · 31.08.2019
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Obstbäume, Beerensträucher und Gemüse mitten in die Großstadt holen, das ist die Idee eines städtischen Waldgartens. Von Bürgern für Bürger. In Amerika und England gibt es bereits Urban Food Forests. Jetzt startet solch ein Pionierprojekt auch in Berlin.
Am Rand des Britzer Gartens, der zur Bundesgartenschau Mitte der 80er-Jahre im Berliner Süden entworfen wurde, wird seit einem Jahr Pionierarbeit geleistet. Auf einer erstaunlich freien Fläche von 2,7 Hektar, sollen neben Kleingartenparzellen auch 5.000 Quadratmeter für einen Gemeinschaftsgarten vorbereitet werden.* Landschaftsplanerin und Wissenschaftlerin Jennifer Schulz, Initiatorin des Projekts:
"Ein Waldgarten an sich ist ein Garten, der den Wald in seiner Struktur nachahmt, und urban heißt, dass es mitten in der Stadt stattfinden soll. Die Fläche hier zeichnet die Weite aus, wenige Bäume, wir wollen ja auf keinen Fall abholzen, es soll ja eine biologische Aufwertung bringen."
Noch ist vom Wald nicht viel zu sehen. Erst in anderthalb Jahren soll hier mit der Anpflanzung begonnen werden. Der Begriff "Wald" ist ohnehin etwas irreführend, denn es wird keine Nadelhölzer geben, sondern, so die Idee eines Waldgartens, vor allem viel, viel Essbares. Was Jennifer Schulz erzählt, klingt nach wachsendem Wochenmarkt.
"Das ist ein schönes Bild, wir nehmen die Baumschicht aus Obstbäumen, die Strauchschicht aus Beerensträuchern, die Krautschicht aus Gemüse und Kräutern und dann hat man in allen Schichten den Wochenmarkt."

Unterstützung kommt von einem Expertenteam

Durch diese Mehrschichtigkeit der verschiedenen Pflanzen kann viel Wasser gespeichert werden und sämtliche ökologischen Prozesse eines Waldes in Gang setzen. In Amerika oder England gibt es schon so genannte Urban Food Forests oder in Brasilien Urbane Landwirtschaftsflächen, die die Menschen in Rio ernähren. In Berlin geht es neben den ökologischen Aspekten vor allem auch darum, über Ernährung aufzuklären und eine Gemeinschaft zu stärken. Der Wald wird nicht von der Stadt angelegt und gepflegt, sondern allein von engagierten Bürgern, die anfangs noch Unterstützung durch ein Expertenteam erhalten.
"Wir sind ja gerade mitten in einem Beteiligungsprozess, ich bin sehr überrascht, dass die Leute von Anfang an gesagt haben: Wir wollen einen Garten, der offen ist für alle. Nicht so: Meine Parzelle, meins, sondern es soll Austausch mit Öffentlichkeit geben, Umweltbildung. Oder beim letzten Workshop war die Frage, wie macht man das mit der Pflege, der Ernte, stellt man Schilder auf, wie macht man das, wenn Leute dazukommen, ernten… das versuchen wir gerade auszuhandeln."

"Wir müssen Kleingärten neu erfinden"

Manfred Hopp ist Geschäftsführer des Bezirksverbands Berlin-Süden der Kleingärtner. Auf der Fläche seines Vereins entsteht dieses Realexperiment der Uni Potsdam, Hopp war von Anfang an begeistert von der Idee.
"Wir müssen, ich sag immer, Kleingärten neu erfinden. Das klassische Kleingartenwesen, wie wir es kennen, wird sich in den nächsten Jahren ändern."
Für viele sei die eigene Parzelle längst zu zeitintensiv oder zu teuer. Gemeinsames Gärtnern dagegen wird immer populärerer – gerne auch auf größeren Flächen. Manche wünschen sich alte Obstsorten. Andere einen Schwimmteich. Alles lässt sich natürlich nicht realisieren, vor allem nicht gleichzeitig. Was in Britz umgesetzt wird, entscheiden derzeit 20 bis 30 engagierte Hobby-Gärtner. Finanzielle Unterstützung kommt vom Bundesamt vom Naturschutz und vom Land Berlin. Wer später Teil der Waldgartengemeinschaft werden möchte, zahlt ungefähr den normalen Mitgliedsbeitrag des Kleingartenverbandes von 80 Euro pro Jahr. Interessenten dafür gibt es genug, sagt Manfred Hopp:
"Wir haben immer Anfragen hier in Neukölln: Habt ihr nicht nen Garten ohne Häuschen, wir haben kein Geld für die Entschädigung, wir wollen nur gärtnern. Anderer Grund ist: Wir wissen nicht, wie lange wir in Berlin bleiben."
Das Berliner Projekt ist das erste dieser Art, und wird auch wissenschaftlich begleitet. Die Untersuchungen werden als Publikation erscheinen, Workshops an weiteren möglichen Standorten laufen schon. Der urbane Waldgarten soll schließlich Schule machen. Auch in Kassel ist bereits einer geplant.

*Wir haben an dieser Stelle eine Korrektur der Zahlen vorgenommen.
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