Uraufführung in der Mailänder Scala

Erste Oper von György Kurtág - ein Endspiel

Komponist György Kurtag mit Ehefrau Marta Kurtag in der Philharmonie Berlin im Jahr 2006.
Komponist György Kurtág mit Ehefrau Marta Kurtág, die den Entstehungsprozess miterlebte © imago/Kai Bienert
Moderation: Rainer Pöllmann · 24.11.2018
Über zehn Jahre hat er mit diesem Stoff gerungen. Dabei hat György Kurtág den Uraufführungstermin immer wieder verschoben und verändert. Nun hat der Komponist die "Mailänder Fassung" seiner ersten Oper frei gegeben.
György Kurtág hat sich Zeit gelassen mit seiner ersten Oper. Nun ist er 92 Jahre alt und hat endlich Klavierauszug und Partitur im letzten Sommer vorgelegt. Beides hat er im engen Konkakt mit Markus Stenz erarbeitet, der in Mailand die Uraufführung in der Scala musikalisch verantwortete. Böse Zungen hatten schon gewettet, dass auch diese Uraufführungs-Ankündigung platzen würde.

Becketts Endspiel

Dass Kurtág fasziniert ist von Becketts Schaffen, ist bekannt. Seine Texte hat er seit Jahrzehnten immer wieder vertont. Die Uraufführung von "Fin de partie" hat Kurtág in Paris miterlebt. Dieses Drama war nun Kurtágs Quelle zu seinem Libretto. Gut die Hälfte des Textes hat der Komponist zu seinem Textbuch gemacht. Es ist ein dunkles zährendes Endspiel um den blinden und gelähmte Hamm, der in einem Rollstuhl sitzt. Bei ihm sein Diener Clav, den Hamm angeblich "wie einen Sohn" bei sich aufgenommen hat. Clav kann kaum noch laufen, dafür aber keinesfalls sitzen. Auch Hamms Eltern sind gegenwärtig: Sie tauchen aus zwei Mülltonnen auf, beide beinlos und nur noch verbal aktiv. Die Vier bilden einen kleinen, grausamen Kosmos von Abhängigkeit und gegenseitiger Abscheu. Kurtág hat angekündigt, weitere Teile zu integrieren und eine weitere Fassung zu erstellen.

Kurtágs Gewichtung

Der Komponist hat all das aus Becketts Text filtriert, was die Endstimmung besonders betont: Das Ende kommt, jetzt ist es wirklich zu Ende, dem Ende nah - endlos. Kurtág hat sich auch stark auf Hamms Figur konzentriert. Den Text behandelt er wie ein ausgedehntes Rezitativ. Die Dunkelheit der Szenerie und die Bewegungslosigkeit der Figuren setzt Kurtág auch musikalisch um. Streckenweise sind es Klangminiaturen, die er aneinander reiht; lange Töne werden in den Raum gesetzt - Töne, die ersterben. Nur selten setzt Kurtág heftige musikalische Aufschwünge, zum Beispiel, wenn das Wort 'Glück' plötzlich in einen klaren, einfachen C-Dur-Akkord getaucht wird. (CdR)
Der Dirigent Markus Stenz vor einer Treppe stehend
Markus Stenz ist Dirigent der Uraufführung der ersten Oper des ungarischen Altmeisters.© Markus Stenz / Kaupo Kikkas
Aufzeichnung der Uraufführung der Oper vom 15. November 2018 in der Mailänder Scala
György Kurtág
"Fin de partie", Oper in einem Akt (Uraufführung)
Libretto: der Komponist, nach Samuel Becketts gleichnamigem Theaterstück

Hamm - Frode Olsen, Bass
Cloy - Leigh Melrose, Bariton
Nell - Hilary Summers, Alt
Nagg - Leonardo Cortellazzi, Tenor
Chor und Orchester der Mailänder Scala
Leitung: Markus Stenz

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