Unwort des Jahres: Alternative Fakten

"Ein Gefühl, dass uns die Wirklichkeit entgleitet"

"Alternative Fakten" - das "Unwort des Jahres 2017" steht bei der Präsentation der Jury am 16.01.2018 in Darmstadt auf einer Projektionswand.
"Alternative Fakten" - das "Unwort des Jahres 2017" steht bei der Präsentation der Jury am 16.01.2018 in Darmstadt auf einer Projektionswand. © picture alliance / dpa / Andreas Arnold
Anatol Stefanowitsch im Gespräch mit Timo Grampes · 16.01.2018
Der Begriff "alternative Fakten" stammt von Trumps Beraterin Kellyanne Conway − und er wurde nun zum "Unwort des Jahres 2017" gewählt. International dominiere die Sprache in der Umgebung des US-Präsidenten die Wahl solcher "Unwörter", sagt der Linguist Anatol Stefanowitsch.
Das Unwort des Jahres 2017 ist "Alternative Fakten". Erfunden hat den Ausdruck die Trump-Beraterin Kellyanne Conway. Sie benutzte ihn im Zusammenhang mit der Behauptung, zur Amtseinführung des aktuellen US-Präsidenten seien mehr Menschen gekommen als bei all seinen Vorgängern. Anhand von Videoaufnahmen ließ sich das leicht widerlegen. Für das "Unwort des Jahres" entschieden hat sich eine unabhängige Jury vor allem aus Publizisten und Sprachwissenschaftlern.
Diese Wahl habe fast etwas Zwingendes gehabt, sagte der Linguist Anatol Stefanowitsch. Die Jury habe sich damit in eine internationale Riege eingereiht: So hat die American Dialect Society im vergangenen Jahr die englische Entsprechung "alternative facts" zum "Euphemismus des Jahres" gewählt. In Australien wurde der Terminus zum "Schlimmsten Wort des Jahres" bestimmt.

Fokus auf manipulativer Sprache

Auch international liege bei vielen Wörterwahlen, die wir als "Wort des Jahres" bezeichnen würden, der Fokus eher auf negativen Worten, auf manipulativer Sprache oder Wörtern, die ungute Tendenzen in der Sprache aufzeigen. Neben den USA und Australien gebe es etwa in Russland solche Wahlen. Dort werde neben einem "Wort des Jahres" auch eine "Antisprache" bestimmt; zuletzt der Ausdruck "ausländischer Agent", was sich auf das Gesetz beziehe, nach dem ausländische Medien als "ausländische Agenten" eingestuft werden können, so Stefanowitsch.
Bereits in den vergangenen Jahren habe die Sprache der Umgebung des aktuellen US-Präsidenten Donald Trump die Wörterwahlen dominiert. In Deutschland wurde 2016 "postfaktisch" zum "Wort des Jahres". In Großbritannien war es "post-truth". 2017 in den USA wurde "Fake News" gewählt.
"An diesen Wörtern kann man auch sehen, dass es international ein sehr ähnliches Gefühl gibt: dass uns die Wirklichkeit irgendwie entgleitet", erklärte Stefanowitsch. Das liege an der Tatsache, "dass es in allen Ländern Bewegungen gibt, die versuchen, die bisher als allgemeine Wahrheit akzeptierten Dinge ein bisschen zum eigenen Vorteil auszuhebeln".
(abr)
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