Untypisches aus Nahost
Der letzte Roman der israelischen Autorin Batya Gur, die im vergangenen Jahr starb, ist schwächer als seine Vorgänger. Die vibrierende Spannung aus ihren früheren Werken ist trotzdem noch immer vorhanden. Gleichzeitig kann der Krimi als Selbstverständigungstext erwachsener Demokraten gelesen werden – eine Eigenschaft, die nicht gerade kennzeichnend für den Nahen Osten ist.
Israelische Krimis erfreuen sich hierzulande ziemlicher Beliebtheit, was natürlich zuerst an deren literarischer Qualität liegen dürfte, für welche bislang vor allem zwei Namen stehen: Shulamit Lapid und Batya Gur. Die beiden gleichaltrigen Autorinnen wurden bereits mit dem Deutschen Krimi-Preis ausgezeichnet, Batya Gur, die letztes Jahr mit Ende fünfzig in Jerusalem an Krebs starb, hauptsächlich für ihre mehrteiligen Inspektor-Ochajon-Romane.
„Und Feuer fiel vom Himmel“, kurz vor ihrem Tod erschienen, spielt im Fernseh-Milieu, auf den Korridoren und in den Nachrichtenbüros von Kanal 1. Mysteriöse Todesfälle häufen sich, doch Inspektor Michael Ochajon löst am Ende auch die kniffligsten Fälle. So weit, so genregemäß voraussehbar. Hinzu kommt ein weiteres, was ehrlicherweise nicht verschwiegen werden sollte: Dieser letzte Roman Batya Gurs, der Nachrichten-Manipulationen und das dubiose Treiben einer steuersubventionierten ultraorthodoxen Gruppe thematisiert, ist nicht unbedingt ihr stärkster, zu deutlich sind die Anklänge zur ursprünglichen Drehbuch-Vorlage.
Der quasi „nestbeschmutzende“ Film aber wurde gesendet, auf Kanal 1. Und genau an dieser Schnittstelle begegnen sich dann noch die zwei angeblichen Antipoden, intellektuelle Redlichkeit und literarischer Rang. Mag man nämlich in „Und Feuer fiel vom Himmel“ die Beschreibungsintensität früherer Ochajon-Romane vermissen, die vibrierende Spannung, die aus dem erkenntnisfördernden Pingpong aus Rede und Gegenrede entsteht, ist trotzdem noch immer vorhanden.
Vielleicht werden israelische Krimis außerhalb des kleinen Mittelmeerlandes von der Fläche Hessens ja auch deshalb so verschlungen: Der Staat Israel, als einziger der Welt in seinem puren Existenzrecht noch immer bedroht, ist eine derart ausdifferenzierte Demokratie, dass er seine eigenen Kritiker quasi mitproduziert und sich keinesfalls mit Autoren schmückt, die analog zu den vorfabrizierten Wortmeldungen aus den Nachbarländern nur pathetische Opfergesänge anstimmen würden.
Im Gegenteil: In welcher Situation lügen wir, in welchen Momenten werden wir schuldig, Fragen von geradezu existentieller Wucht, wo persönliches Fehlverhalten mit jenem des Staates in eins fällt. Mag man diese permanente Selbstkritik nun für speziell jüdisch halten oder nicht ("Das Gewissen, diese jüdische Erfindung“, schrie einst Adolf Hitler), Tatsache ist, dass derlei alles andere als selbstverständlich ist, besonders in der, wie es nun schon seit Jahrzehnten heißt, „jetzigen Situation“. Ein Krimi, den man gleichzeitig auch als Selbstverständigungstext erwachsener, das heißt auch um die eigenen Schwächen wissender, Demokraten lesen kann: Wenn etwas nicht „typisch Nahost“ ist, dann dies.
Batya Gur: Und Feuer fiel vom Himmel. Roman.
Aus dem Hebräischen von Barbara Linner.
Goldmann Verlag, München 2006, 480 Seiten.
„Und Feuer fiel vom Himmel“, kurz vor ihrem Tod erschienen, spielt im Fernseh-Milieu, auf den Korridoren und in den Nachrichtenbüros von Kanal 1. Mysteriöse Todesfälle häufen sich, doch Inspektor Michael Ochajon löst am Ende auch die kniffligsten Fälle. So weit, so genregemäß voraussehbar. Hinzu kommt ein weiteres, was ehrlicherweise nicht verschwiegen werden sollte: Dieser letzte Roman Batya Gurs, der Nachrichten-Manipulationen und das dubiose Treiben einer steuersubventionierten ultraorthodoxen Gruppe thematisiert, ist nicht unbedingt ihr stärkster, zu deutlich sind die Anklänge zur ursprünglichen Drehbuch-Vorlage.
Der quasi „nestbeschmutzende“ Film aber wurde gesendet, auf Kanal 1. Und genau an dieser Schnittstelle begegnen sich dann noch die zwei angeblichen Antipoden, intellektuelle Redlichkeit und literarischer Rang. Mag man nämlich in „Und Feuer fiel vom Himmel“ die Beschreibungsintensität früherer Ochajon-Romane vermissen, die vibrierende Spannung, die aus dem erkenntnisfördernden Pingpong aus Rede und Gegenrede entsteht, ist trotzdem noch immer vorhanden.
Vielleicht werden israelische Krimis außerhalb des kleinen Mittelmeerlandes von der Fläche Hessens ja auch deshalb so verschlungen: Der Staat Israel, als einziger der Welt in seinem puren Existenzrecht noch immer bedroht, ist eine derart ausdifferenzierte Demokratie, dass er seine eigenen Kritiker quasi mitproduziert und sich keinesfalls mit Autoren schmückt, die analog zu den vorfabrizierten Wortmeldungen aus den Nachbarländern nur pathetische Opfergesänge anstimmen würden.
Im Gegenteil: In welcher Situation lügen wir, in welchen Momenten werden wir schuldig, Fragen von geradezu existentieller Wucht, wo persönliches Fehlverhalten mit jenem des Staates in eins fällt. Mag man diese permanente Selbstkritik nun für speziell jüdisch halten oder nicht ("Das Gewissen, diese jüdische Erfindung“, schrie einst Adolf Hitler), Tatsache ist, dass derlei alles andere als selbstverständlich ist, besonders in der, wie es nun schon seit Jahrzehnten heißt, „jetzigen Situation“. Ein Krimi, den man gleichzeitig auch als Selbstverständigungstext erwachsener, das heißt auch um die eigenen Schwächen wissender, Demokraten lesen kann: Wenn etwas nicht „typisch Nahost“ ist, dann dies.
Batya Gur: Und Feuer fiel vom Himmel. Roman.
Aus dem Hebräischen von Barbara Linner.
Goldmann Verlag, München 2006, 480 Seiten.