Erinnerung an Sven-Åke Johansson (1943 - 2025)

Musikalischer Maßstab

56:55 Minuten
Sven-Åke Johansson streich mit dem Bassbogen Pappkartons
Sven-Åke Johansson streicht mit dem Bassbogen Pappkartons (2018) © Kestius Pleita
Von Beate Becker |
Musik, Zeichnung, Poesie – die experimentelle Kunst von Sven-Åke Johansson kannte keine Grenzen. Doch vor allem interessierte sich der gebürtige Schwede für den Klang der Dinge. Am 15. Juni 2025 ist er in Berlin gestorben.
Im Kreuzberger Atelier von Sven-Åke Johansson hängt ein vergrößerter Stadtplan von Berlin. Rote Punkte markieren die Spielstätten, an denen er in den letzten 50 Jahren in der Hauptstadt gewirkt hat.
Ein Stadtplan mit vielen roten und wenigen blauen Punkten, der alle Orte markiert, an denen Sven-Åke Johansson in Berlin jemals aufgetreten ist
Ein Stadtplan mit vielen roten und wenigen blauen Punkten, der alle Orte markiert, an denen Sven-Åke Johansson in Berlin jemals aufgetreten ist© Jörg Finus

Es sind über 120 Orte, von A wie "ausland" bis Z wie "Zodiak", an denen der Musiker unter anderem mit Schlagzeug, Akkordeon, Pappen, Geigenbogen und Feuerlöschern öffentlich aufgetreten ist. Fein säuberlich ist jeder Punkt mit einer Zahl versehen und in einem Beiblatt sind die zugehörigen Adressen aufgelistet.

Musik für Konzertsäle und Hinterhöfe

Einen Unterschied zwischen Orten der Hochkultur und Underground- und Clubkultur machte Sven-Åke Johansson nicht. Das, was er mit unstillbarer Neugier erforschte und aufführte, nannte er neue "Neue Musik".
Sven-Åke Johansson steht vor einem Traktor und dirigiert ihn.
Sven-Åke Johansson steht vor einem Traktor und dirigiert ihn beim "Konzert für 12 Traktoren" am 24. August 2015 in Weimar.© Thomas Müller
Der 1943 im schwedischen Mariestad geborene Sven Åke Johansson war Komponist, Musiker, Poet und Autor.

Seiner künstlerischen Herkunft nach im Bereich der Bildenden Kunst angesiedelt, hatte er den Weg zur Musik nicht über den hierarchischen Weg akademischer Bildung eingeschlagen. Zur Klangkunst kam er vielmehr, indem er versuchte, seine bereits in anderen Bereichen erworbene expressive Kompetenz auf die Musik zu übertragen.

Der Klang der Dinge

Es sind weniger die strukturellen oder konstruktiven Aspekte, die ihn beim Komponieren interessierten. Für Johansson war es oft buchstäblich der "Klang der Dinge", der ihn am meisten beschäftigte.
So findet man des öfteren ungewöhnliche Klangobjekte, wie Gurken, Traktoren und Pappkartons. Und da, wo er sich mit herkömmlichen Instrumenten begnügt, verkörpern die Klänge so etwas wie personale Stimmen, die aus den Instrumenten herauszutreten scheinen.
Sven-Åke Johansson am Drumset, 2017
Sven-Åke Johansson am Drumset, 2017 © def-image
Seine Musik bedient keine traditioneller Topoi. Sollten sie dennoch vorkommen, sind sie allenfalls als Zitat, als Mittel zur Verfremdung zu verstehen. Das zentrale Thema seiner experimentellem Musik umfasste Fragen der Wahrnehmung: Von welchen Bedingungen hängt es ab, wie wir Musik wahrnehmen? Deshalb wurde Sven-Åke Johansson zum Gestalter von Kontexten.

Überraschungsmomente

Mit unterschiedlichen Mitteln versuchte er, die Wahrnehmung des Publikums in eine bestimmte Richtung zu lenken, um sie dann mit einer unvorhergesehenen Wendung des musikalischen oder visuellen Geschehens zu konfrontieren. Dass seine Aufführungen immer auch ins Visuelle ausstrahlen, gehörte zum Konzept des Performers.
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