Was unsere Vorfahren drunter trugen
Gerippte Unterwäsche und Liebestöter – das ist für viele untrennbar mit der Firma Schiesser verbunden. Das Stuttgarter Haus der Geschichte Baden-Württemberg hat eine Ausstellung aus Schiesser-Archivbeständen zusammengestellt. Darunter auch rosa Männerunterwäsche.
Ach, das gute Schiesser-Höschen – und diese Unterhemden! Auf der einen Seite stehen sie für schneeweiße, feingerippte Qualität, auf der anderen Seite sind sie Sinnbild des Unerotischen. Das Stuttgarter Haus der Geschichte Baden-Württemberg hat 2009 das Produktarchiv der damals insolventen Unterwäsche-Firma übernommen und konnte aus dem Vollen schöpfen.
Die Ausstellung "Auf nackter Haut – Leib. Wäsche. Träume", die Kuratorin Paula Lutum-Lenger nach Sichtung der 5000 Schiesser-Stücke entwickelt hat, zeigt 400 der markantesten Exemplare und macht an ihnen die Kulturgeschichte der Unterwäsche fest: Die Schau reicht von der kratzenden Abhärtungswäsche, die gegen Seuchen schützen sollte, über bunte Bademoden der 20er-Jahre, bis zu den seidigen Spitzen-Dessous der Miss World Petra Schümann.
In einer 36 Meter langen Vitrine, die man mit einem Laufsteg assoziieren kann, sind die guten Stücke ausgestellt. Sie offenbaren so manch überraschenden Trends unserer Vorfahren. So war etwa kurz vor dem Ersten Weltkrieg rosa Herren-Unterwäsche en vogue. "Die wurde vorwiegend im afrikanischen und asiatischen Ausland an den Mann gebracht", erläutert die Kuratorin. Schiesser tätigte zu Beginn des 20. Jahrhunderts 80 Prozent seines Geschäfts im Ausland.
Doppelripp war nicht verantwortlich für Schiesser-Insolvenz
Herzstück der Ausstellung ist ein Rundwirkstuhl, mit dem die Trikotagen in der gewünschten Konfektionsgröße hergestellt wurden. Die frühen Stücke waren am Stück ohne Naht gearbeitet, später wurde die Naht dann eingeführt.
Fest steht: "Feinripp- und Doppelripp-Unterwäsche haben die Schiesser-Insolvenz sicherlich nicht verursacht. Im Gegenteil: Die hatten immer ihre Abnehmer", sagte Paula Lutum-Lenger. Vermutlich weil sie für unverwüstliche Qualität "made in Germany" standen und zum Teil lange halten mussten. Denn etwa zu Kriegszeiten waren Wolle und Baumwolle stets Mangelware. Da griffen die Unterwäsche-Hersteller alternativ schon mal zu Brennesselfasern. Dann doch lieber eine echte Feinripp!