Untersuchungsausschuss Biblis

Streit um einen heiklen Brief

Luftaufnahme des RWE-Atomkraftwerks Biblis bei Biblis am Rhein
Abgeschalteter Meiler Biblis B: Es geht um hunderte Millionen Euro. © dpa / picture-alliance / Thomas Muncke
Von Ludger Fittkau · 13.02.2015
Hat die Bundesregierung die Länder angewiesen, sieben alte Atommeiler schnell vom Netz zu nehmen? RWE will hunderte Millionen Euro vom Land Hessen Schadenersatz für den abgeschalteten Meiler Biblis B. Eine wichtige Rolle spielt dabei ein heikler Brief.
Es habe nach Fukushima Rechtsunsicherheit gegeben bei der Frage, ob mit dem AKW Biblis B jemals wieder Geld verdient werden könne. Deswegen habe er den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier schon aus aktienrechtlichen Gründen gebeten, einen Brief zu schreiben und ihm zu sagen, ob Biblis je wieder ans Netz gehe werde oder nicht. Dies sagte Jürgen Großmann, der ehemalige Chef des RWE-Konzerns heute als Zeuge vor dem Biblis-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtages. Den Brief bekam Großmann im Frühsommer 2011.
Allerdings benutzt RWE das Bouffier-Schreiben nun für Schadensersatzforderungen an das Land Hessen in Höhe von 235 Millionen Euro, über die im Herbst gerichtlich entschieden werden soll.
"Ich weise das mit aller Entschiedenheit zurück"
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hatte bereits im Vorfeld der heutigen Sitzung des Untersuchungsausschusses zurückgewiesen, mit dem Brief an Großmann dem Land Hessen bewusst Schaden zugefügt zu haben, in dem er dem RWE-Konzern eine Klagemöglichkeit in die Hand gegeben habe:
"Wenn man mir unterstellt, ich hätte bewusst zum Nachteil des Landes Hessen gehandelt, ist das erstens ehrenrührig, zweitens falsch und drittens weise ich das mit aller Entschiedenheit zurück."
Dennoch bleibt der Bouffier-Brief an Jürgen Großmann heikel. Das zeigte die heutige Aussage eines weiteren Zeugen vor dem hesssischen Biblis-Untersuchungsausschuss. Gerald Hennenhöfer war während der Reaktorkatastrophe von Fukushima der zuständige Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium.
Im Zentrum der Befragung Hennenhöfers stand im Wiesbadener Untersuchungsausschuss die Frage, ob es eine rechtsverbindliche Weisung des Bundes gegeben habe, mit welchen Verwaltungsschritten Hessen das Atomkraftwerk Biblis konkret abzuschalten habe.
"Es hat nie eine Weisung gegeben"
Eine solche rechtsverbindliche Weisung, so Gerald Hennenhöfer, habe es nie gegeben. Er verwies auf eine gemeinsame Besprechung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten mit Atomkraft-Standorten in Berlin am 15.11. – also wenige Tage nach Fukushima:
"Es hat nie eine Weisung gegeben, denn es war ja gerade Sinn dieser Besprechung, zu einem gemeinsamen Handeln zu kommen. Eine Weisung ist immer dann ein Mittel der Wahl, wenn es eine
Meinungsverschiedenheit zwischen Bund und Ländern gab. Aber die Sitzung hatte ja gerade die Gemeinsamkeit hervorgehoben, also gab es überhaupt keine Veranlassung für eine Weisung."
Hennenhöfer vertrat im Wiesbadener Untersuchungsausschuss die Auffassung, es sei "glasklar" gewesen, dass Bund und Länder den Atomausstieg 2011 gemeinsam wollten und das für das Verwaltungshandeln bei der Abschaltung der Reaktoren jedes Bundesland einzeln verantwortlich gewesen sei. In dieser Aussage steckt Brisanz für den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier ( CDU).
Denn seine Regierung vertritt die Auffassung, es habe eine Weisung des Bundes an das Land gegeben und deshalb müssten eventuelle Schadenersatzansprüche der Kraftwerksbetreiber an den Bund gerichtet werden. Der Bund weist das zurück. Der Schadenersatzprozess des RWE gegen das Land Hessen soll im Herbst dieses Jahres beginnen. Da auch die Energiekonzerne Eon und ENBW wegen der Abschaltung ihrer Atomkraftwerke klagen, summieren sich die Forderungen auf insgesamt rund 800 Millionen Euro.
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