Unterstützung für Migranten in Mexiko

Mit Rückendeckung des Papstes

Graffiti an der Casa del migrante in Mexiko: "Kein Mensch ist illegal"
"Kein Mensch ist illegal" heißt es an der Mauer der Casa del migrante © Wolf-Dieter Vogel
Von Wolf-Dieter Vogel · 01.07.2018
Die mexikanische Bischofskonferenz hat dazu aufgerufen, den Schutz der Migranten bei den Wahlen im Blick zu haben. Schließlich sind es vor allem kirchliche Einrichtungen, die sich um die Menschen auf ihrem Weg in den Norden kümmern.
Das Abendessen ist gerade vorbei, gleich beginnt die Nachtruhe in der Migrantenherberge "Brüder auf dem Weg". Einige nutzen die laue Nacht noch zu einem kleinen Zusammensein im Hof der Unterkunft in der südmexikanischen Stadt Ixtepec. Ein junger Mann spielt Gitarre, andere sitzen auf dem Boden und reden über Reiserouten. Darüber, wie sie die weiteren 3000 Kilometer bis zur US-Grenze am sichersten hinter sich bringen. Der Honduraner Jesús Vargas warnt die anderen vor den Gefahren des Weges:
"Wir wollten die Migrationskontrollen umgehen und sind deshalb an den Bahngleisen entlang gelaufen. Plötzlich wurden wir von drei Personen überfallen. Einer trug eine Pistole, die anderen hatten Macheten. Sie nahmen mir 1000 Pesos und die Kleidung ab. Sie beleidigten und schlugen uns. Danach stand ich unter Schock. Man weiß ja nie, ob sie dich leben lassen oder töten. In diesem Moment fragte ich mich, ob ich weiterreisen oder besser umdrehen sollte."
Der 33-jährige geht nicht das erste Mal in die USA. Jahrelang hat er in Austin, Texas gearbeitet, zwei Mal wurde er bereits von dort abgeschoben. Die Fahrt aus dem Süden Mexikos Richtung US-Grenze ist noch schwieriger geworden, seit die US- und die mexikanische Regierung das Programm Frontera Sur ins Leben gerufen haben. Um die Region zu kontrollieren, liefert Washington Hubschrauber, Nachtsichtgeräte und technisches Knowhow. Die Mexikaner verschärfen die Kontrollen und Behörden beider Staaten tauschen Daten aus.

Viele würden ihr Ziel ohne Unterstützung nie erreichen

Offiziell soll das Programm unbegleitete Jugendliche und allein reisende Frauen vor Überfällen schützen. Doch in der Herberge befürchtet man andere Ziele. Die Migranten sollten schon in Südmexiko aufgehalten werden, lange bevor sie die US-Grenze erreichen, sagt die Mitarbeiterin Jessica Cárdenas. Deswegen seien Wanderarbeiter wie Vargas auf abgelegene, gefährliche Routen angewiesen.
"De facto ist Frontera Sur ein reines Sicherheitsprogramm, mit Menschenrechten hat das gar nichts zu tun. Es geht darum, Migranten festzunehmen. Mexiko macht die Drecksarbeit für die Vereinigten Staaten."
Jährlich durchqueren mehrere Hunderttausend Menschen Mexiko, um in die USA zu gelangen. Die meisten stammen aus Mittelamerika. Ohne Aktivistinnen wie Jessica Cárdenas würden viele ihr Ziel nie erreichen. Sie zeigt Überfälle bei den Behörden an, kümmert sich um Reisedokumente und sorgt für Verpflegung. Ihre Herberge ist in ein umfangreiches Netzwerk kirchlicher Projekte eingebunden.
Am anderen Ende der Route, 3000 Kilometer von Ixtepec entfernt, arbeitet der Pfarrer Javier Calvillo Salazar. Sein "Haus der Migranten" liegt in der nördlichen Grenzstadt Ciudad Juárez und wird von der dortigen Diözese betrieben.
Pfarrer Javier Calvillo Salazar sitzt am Schreibtisch, im HIntergrund zwei Heiligenfiguren
Pfarrer Javier Calvillo Salazar betreibt die Casa del migrante© Misereor
"Die katholische Kirche hat in Mexiko 86 solche Häuser. Dabei handelt es sich um Unterkünfte, Speiseräume und Menschenrechtszentren. Die Initiative geht von Pfarrern aus, die sich intensiv mit der Problematik auseinandersetzen und die Realität der Migranten gut kennen."
Rückendeckung erhält der Padre von ganz Oben. Vor zwei Jahren besuchte Papst Franziskus die Stadt. Nur wenige Meter von dem Zaun entfernt, der das Land von den USA trennt, hielt er eine Predigt. Er sprach von den vielen Menschen, die unter Lebensgefahr diese Grenze überschreiten, von Menschenhandel und Entführungen.
"Der Papst beschäftigte sich in seiner Botschaft ausführlich mit der Migration. Damit bewegte er sehr viel. Die Kirche bezieht eindeutig Stellung für die Armen, die Schwachen und vor allem die Migrantinnen und Migranten."
Wie seine Kollegin Cárdenas kritisiert auch Salazar seine Regierung. Wegen des Programms Frontera Sur kämen immer weniger Menschen aus dem Süden hier an. Wer es dennoch schafft, sei oft krank oder verletzt. Vor allem aber beschäftigt den Pfarrer die rigorose Abschiebepolitik der USA. Täglich stranden in seiner Herberge Menschen, die aus dem Nachbarland abgeschoben wurden. So auch Juan Gonzalez Herrera. Elf Jahre lang hatte der Mexikaner in Texas gelebt. Dort heiratete er eine US-Amerikanerin, mit der er zwei Kinder hat. Dennoch fehlen ihm die nötigen Aufenthaltsdokumente.
"Sie haben mich in einem Laden, einem Walmart, festgenommen. Die Kinder sahen zu, als sie mich abführten. Das war verdammt traurig. Dann wurde ich abgeschoben. Ich habe versucht, illegal wieder über die Grenze zu kommen. Dabei haben sie mich erneut geschnappt."

Trumps Hassreden haben gefährliche Folgen

Herreras Leben änderte sich grundlegend, als US-Präsident Donald Trump begann, verschärft gegen Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung vorzugehen.
"Früher war es viel ruhiger. Man konnte einkaufen oder mit der Familie ausgehen. Jetzt läuft man ständig mit der Angst herum, dass die Polizei einen stoppt und kontrolliert. Einfach so. Sie rufen die Migrationsbehörde an, stecken dich ins Gefängnis und schieben dich sofort ab."
Pfarrer Salazar weist auf die gefährliche Wirkung von Trumps Hassreden hin. Rassistische Bürgermilizen in den USA fühlten sich in ihren Angriffen auf die Einwanderer bestätigt. Dennoch gibt der Geistliche nicht nur Trump die Schuld für die schwierige Lage der Migranten. Frontera Sur sei noch unter Barack Obama entstanden, sagt er und verweist auf die Abschiebegefängnisse in den USA, in denen Frauen und Kinder eingesperrt werden.
Ein kleiner Junge mit einem Plakat auf dem Protestmarsch "Families belong together" in San Diego am 23.6.2018.
Gegen die Trennung mexikanischer Einwandererkinder von ihren Eltern: Protestmarsch "Families belong together" in San Diego am 23.6.2018.© imago / Xinhua
"Obama hat diese Zentren ins Leben gerufen. Für uns war er der härteste und grausamste US-Präsident. Er hat die meisten Menschen abgeschoben. Unter ihm begannen die Trennungen von Familien. Seither werden zum Beispiel Ehemänner nach Mexiko deportiert, während ihre Frauen in den USA bleiben können."
Der Honduraner Jesús Vargas und der Mexikaner Juan Herrera haben beide Präsidenten erlebt. Sie wissen, dass der "American Dream" nur ein Traum ist. Trotzdem halten sie weder Hassreden noch Mauern von ihrer Reise ab. Er könne Frau und Kinder nicht in Texas alleine lassen, sagt Herrera. Und Vargas muss Geld verdienen, um für die Pflege seiner krebskranken Mutter aufzukommen. Ohne seine Überweisungen aus den USA kann sie die Chemotherapie nicht zahlen. Die Zeit läuft.

Einige der Recherchen für diesen Beitrag wurden während einer Pressereise des Katholischen Hilfswerks Misereor durchgeführt.

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