"Unterstützung auf zivilgesellschaftlicher Ebene hat leider nachgelassen"

Parastou Forouhar im Gespräch mit Katrin Heise · 04.07.2011
Seit den Protesten im Iran 2009 steht die Opposition unter Druck. Ein Beispiel ist die Sportfotografin Marjam Madschd, die vor wenigen Tagen festgenommen wurde. Die Künstlerin Parastou Forouhar appelliert an die westliche Öffentlichkeit, sich in solchen Fällen noch stärker zu engagieren.
Katrin Heise: Marjam Madschd, im Iran eine der wenigen noch aktiven und damit bekanntesten Sportfotografinnen, war schon auf dem Weg zum Flughafen, als sie festgenommen wurde, und seitdem sitzt sie in Teheran im Gefängnis. Die 25-jährige engagierte Sport-, vor allem aber Frauenfußballfotografin, war als offizielle Berichterstatterin für die WM akkreditiert. Sowohl Organisationskomiteechefin Steffi Jones als auch der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik, Markus Löning, protestierten gegen die Verhaftung, bisher allerdings ohne Erfolg. Und Madschd ist nicht die einzige Aktivistin, die gerade in der letzten Zeit im Iran verschwand. Die Künstlerin Parastou Forouhar kennt dieses Szenario. Sie lebt seit 20 Jahren in Deutschland, reist aber regelmäßig in den Iran, hat permanenten Kontakt zur iranischen Opposition. Ihre Eltern – ebenfalls Oppositionelle – wurden vor Jahren ermordet. Frau Forouhar, schönen guten Tag!

Parastou Forouhar: Schönen guten Tag!

Heise: Wissen Sie, wie es der Verhafteten, Marjam Madschd, geht?

Forouhar: Ich glaube, zurzeit weiß niemand, wie es ihr geht. Es gibt Versuche seitens ihrer Familie und auch eines Anwalts, Information darüber zu bekommen, wo sie genau ist, wie es ihr geht. Sie hat zweimal mit ihrer Familie telefonieren können, aber nichts über ihre Situation sagen können, sondern nur einfach, dass es ihr gut geht, dass sie lebt. Und alles Weitere wird später darüber berichtet.

Heise: Sind es tatsächlich die Bilder von Frauen, Sportlerinnen, von Frauenfußballerinnen, die der Auslöser für diese Verhaftung gewesen sein könnten?

Forouhar: Naja, es geht auch um eine gewisse Weiterführung der kritischen Haltung in der iranischen Gesellschaft, die nach dem Aufstand 2009 sehr massiv bekämpft wird durch die Sicherheitskräfte, mit großer Gewaltanwendung. Jeder Versuch zur Weiterführung der Sichtbarkeit von Frauen, die eine kritische Haltung in sich birgt, wird auf jeden Fall irgendwie niedergekämpft. Aber dann kam auch natürlich der Jahrestag dieses Aufstands im Iran, und da hat das Regime den Druck erhöht. Neben Marjam Madschd wurden weitere Aktivistinnen, aber auch von der Männerreihe einige, verhaftet, der Druck in Gefängnissen wurde erhöht, und das hat auf jeden Fall eine Hintergrundgeschichte. Das ist kein Einzelfall, Marjam Madschd. Aber was ich sehr gut finde, ist, dass dadurch die Verbindung zu Deutschland entstanden ist. Jetzt reagieren die deutsche Öffentlichkeit und auch Institutionen und fragen auch nach ihrem Schicksal. Denn was ich auch während meiner Reisen immer wieder höre, ist, dass wichtig ist, dass Aufmerksamkeit auf diese Einzelschicksale gelenkt wird.

Heise: Dazu haben wir jetzt auch die Möglichkeit. Sie haben schon erwähnt, viele Menschenrechtsaktivisten im Moment sind in Gefahr, Anfang Juni beispielsweise kam eine Frauenrechtlerin, nämlich Haleh Sahabi, bei der Beerdigung ihres Vaters ums Leben. Sie kannten sie persönlich, wofür war sie denn bekannt?

Forouhar: Sie kommt aus einer berühmten Familie, der Vater war einer der bekanntesten Oppositionellen seit Jahren im Iran. Haleh Sahabi saß im Gefängnis, als ihr Vater einen Unfall hatte und ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Ihr Antrag auf Hafturlaub, damit sie ihren Vater noch einmal sehen konnte, wurde nicht gestattet, erst nachdem der Vater ins Koma gefallen war. Ich war in der Zeit im Iran, und als ich Herrn Sahabi im Krankenhaus besuchte, konnte ich auch Haleh sehen. Sie war eine Aktivistin, die vor allem für eine gewaltlose, reformistische Bewegung stand, daher hat so eine massive Attacke, besonders bei der Beerdigung ihres Vaters, dessen Tod so viel bedeutete, wirklich alle Seelen verletzt. Und viele haben darauf reagiert, es gab eine Reihe an Hungerstreiks in den Gefängnissen. Dann kam es auch zwischen diesen Leuten zum Todesfall, einer ist die medizinische Hilfe untersagt worden, und sie ist im Gefängnis gestorben. Diese Kette wirklich an Tragödien zeigt, in welcher schwierigen Situation die iranischen Aktivisten zurzeit stecken.

Heise: Mit der iranischen Künstlerin Parastou Forouhar spreche ich über das aggressive Vorgehen gegenüber Frauenrechtlerinnen in Teheran in den vergangenen Wochen. Frau Forouhar, Sie haben verschiedene Namen, verschiedene Begebenheiten eben geschildert. Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach, oder kann spielen, die Einmischung ausländischer Politiker oder eben auch gerade in Deutschland, wenn jetzt Empörung des Menschenrechtsbeauftragten bis in den Iran vielleicht auch tatsächlich Gehör findet? Der englische Premier hat auch protestiert. Was glauben Sie, welche Rolle spielt das, beziehungsweise: Wie viel Druck kann tatsächlich ausgeübt werden?

Forouhar: Ich finde auf jeden Fall solche Proteste sehr wichtig, auch wenn die iranische Regierung ab und zu mal zeigt, dass die ihr überhaupt nichts bedeutet. Ich habe auf jeden Fall auch in meinem eigenen Fall, als mir im Iran das Ausreiseverbot erteilt wurde, habe ich gemerkt, wie wichtig diese Aufmerksamkeit von außen war, und wie es mir geholfen hat. Aber hier möchte ich auch einen anderen Punkt ansprechen: Es geht nicht nur um Politiker, es geht auch um Unterstützung auf zivilgesellschaftlicher Ebene. Es gibt zahlreiche zum Beispiel Protestaktionen von den Iranern. Während des Aufstandes 2009 konnte man sehen, dass vielleicht ein Viertel, ein Drittel derjenigen, die sich diesen Protestaktionen angeschlossen hatten, Deutsche waren, Europäer. Jetzt ist es wieder mal nicht mehr im Fokus, was im Iran passiert, eine Handvoll Iraner machen etwas, aber es greift nicht so richtig. Ich denke, diese Unterstützung auf zivilgesellschaftlicher Ebene ist auch sehr, sehr wichtig und hat leider nachgelassen.

Heise: Wie steht es eigentlich bei Ihnen selber? Haben Sie Angst? Beide Eltern sind Opfer politischer Morde geworden, Sie selber haben im Iran da nachgeforscht. Wie bedroht sind Sie?

Forouhar: Ich werde beschattet. Ich werde vorgeladen, ich werde auf jeden Fall schikaniert, aber es ist bis jetzt nicht mehr als das gewesen, und ich hoffe, dass das auch so bleibt. Es ist auf jeden Fall eine bedrohte Lage für alle diejenigen, die dem Regime gegenüber kritisch stehen. Und jetzt möchte ich auch an der Stelle, zum Beispiel eine der Aktivistinnen, die neu verhaftet worden sind, heißt Mansoureh Behkish. Sie ist die Schwester von sechs Hingerichteten im Iran, der Name ist bekannt, und auch das ist ein richtiger menschlicher Tabubruch seitens des Regimes. Obwohl sie sich in einer Gruppe, die sich für das Wachhalten der Erinnerung an die politische Gewalt im Iran engagiert hatte, hatte man sie nicht verhaftet. Und jetzt sitzt sie auch seit einiger Zeit in Haft, auch ohne zu wissen, wo sie sitzt und was ihr überhaupt vorgeworfen wird.

Heise: Also wieder ein weiterer Grund, Öffentlichkeit zu schaffen, öffentliches Interesse für die Situation der Aktivisten im Iran zu schaffen. Parastou Forouhar, vielen Dank für dieses Gespräch, Frau Forouhar!

Forouhar: Ich danke Ihnen!
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