Unternehmensberater schlägt Treuhandmodell für Griechenland vor

Markus Krall im Gespräch mit Christopher Ricke |
Markus Krall von der Unternehmensberatung Roland Berger setzt im Falle Griechenlands auf ein Treuhandmodell, das er entwickelt hat: Dabei würde das öffentliche Eigentum des Landes an die EU verkauft. Mit den Geldern könnte Athen die Wirtschaft binnen etwa 15 Jahren sanieren.
Christopher Ricke Schuldenschnitt, Staatspleite oder ... Vielleicht gibt es ja noch einen dritten Weg, die Sanierung Griechenlands in einer Art Treuhandmodell. Dieses Modell gibt es, es heißt EUREKA, und das erinnert nicht von ungefähr an die Erleuchtung des Archimedes in der Badewanne. Ich fass jetzt mal das Modell sehr laienhaft zusammen und hoffe, dass mich der Fachmann dafür nicht gleich verhaut. Es geht ungefähr so: Das öffentliche Eigentum Griechenlands wird in einer Treuhand zusammengefasst und an die Europäische Union verkauft, dafür kriegt Griechenland Geld und kann damit einen Großteil seiner Schulden bezahlen. In den nächsten 15 Jahren wird dann saniert, privatisiert und hoffentlich mit Gewinn verkauft. Den bekommt wiederum Griechenland, ist dann sein Staatseigentum zwar los, aber eben saniert. Ich spreche jetzt mit Markus Krall von der Unternehmensberatung Roland Berger, er hat das Modell entwickelt und durchgerechnet – guten Morgen, Herr Krall!

Markus Krall: Guten Morgen!

Ricke: Darf man es in der Kürze so laienhaft zusammenfassen?

Krall: Das kann man ungefähr so sagen. Es ist vielleicht in Ergänzung noch ein wichtiger Hinweis, dass dieses Sanieren auch ein Investitionsprogramm umfasst und dass dieses Investitionsprogramm ein wesentlicher Baustein ist, um Griechenland aus der Rezession zu holen, damit wieder Arbeit entsteht, damit wieder Wachstum entsteht und die Steuereinnahmen auch steigen und so eine Rückzahlung der übrigen Schulden dann in Zukunft auch ermöglicht wird.

Ricke: Wenn sich das so einfach erklären lässt, warum wird es dann nicht längst schon so gemacht?

Krall: Nun, Sie müssen sehen, dass ein Konzept zwar ökonomisch gut aufgehen kann, dass es aber auch politisch kommuniziert und umgesetzt werden muss. Und hier haben wir bisher die Haupthürde zu überwinden. Es gibt sehr viele Vorschläge, es gibt sehr viele Vorurteile auch gegenüber dem Thema Privatisierung, und es gibt auch sehr viele Vorurteile, die zwischen den europäischen Partnern sich aufgebaut haben. Und um diese alle zu überwinden, ist eine intensive Kommunikationsarbeit nötig, an der sind wir gerade dran, machen aber sehr, sehr gute Fortschritte. Und wir sind auch zuversichtlich, dass am Ende ein Konzept wie das unsere zum Zuge kommen wird, weil es keine wirkliche Alternative dazu gibt, Griechenland zu sanieren.

Ricke: Wie schwierig die Situation ist, hat sich erst gestern Abend gezeigt, dass Frankreichs Präsident Sarkozy sehr überraschend nach Frankfurt zur Trichet-Verabschiedung, zur EZB kam, um noch mal zu reden. Das zeigt, wie tief auch der Graben in Europa ist. Wird dieses Konzept möglicherweise diesen Graben überbrücken können?

Krall: Geeignet dafür ist es auf jeden Fall, denn der Graben, der sich im Moment auftut, der tut sich vor allen Dingen deswegen auf, weil man diesen Schuldenschnitt vorschlägt, ohne sich wirklich darüber im Klaren zu sein, was das konkret bedeutet. Nicht nur die Leute auf der Straße in Athen sind sich nicht darüber im Klaren, was es bedeutet, sondern eben auch viele Entscheidungsträger in der Politik scheinen sich nicht darüber im Klaren zu sein, dass sie hier ein enormes Risiko eingehen, nicht nur für Griechenland und seine Konjunktur und seine Banken, sondern auch für die europäischen Banken und für die Ansteckungsgefahr an die anderen Länder in Südeuropa. Und unser Vorschlag ist durchaus geeignet, genau diese Brücke zu bauen, weil er eben diese Risiken vermeidet, weil er die Ansteckungsgefahr deutlich senkt und weil er vor allen Dingen eines sicherstellt, nämlich dass keine Bankenrettung nötig ist mit neuen Steuergeldern.

Ricke: Herr Krall, es gibt ja die volkswirtschaftliche Weisheit, das Geld ist nicht weg, das Geld ist nur woanders. Wenn man jetzt so ein Modell anwendet und das wirklich funktioniert, muss ja irgendjemand die Zeche zahlen, es ist ja kein Perpetuum mobile. Wer muss denn in diesem Modell bluten?

Krall: Nein, es ist kein Perpetuum mobile, sondern es ist so, dass das bisher weitgehend brachliegende und unprofitable Staatsvermögen des griechischen Staates, das zum Teil auch quasi missbraucht wurde, um die Korruption zu ernähren, dass dieses produktiv und aktiv gemacht wird. Und diese Energiequelle sozusagen ist auch das, wo die Maschine sich daraus speist. Perpetuum mobile gibt es in der Wirtschaft auch nicht, aber diese Quelle ist bisher nicht so angezapft und umgesetzt worden, dass man eben das gewinnen kann daraus, was man gewinnen könnte, und unser Vorschlag tut auch genau das.

Ricke: Ich sehe aber jetzt als Laie durchaus ein Opfer, und zwar die Griechen. Die müssen ja alles, was der Staat besitzt, quasi hergeben, und wir haben es gerade gehört, die Griechen fühlen sich als Marionetten, als Teil eines Experiments. Wie kann man denn diese Angst nehmen?

Krall: Also in Griechenland ist die Diskussion um EUREKA ja schon sehr viel weiter als bei uns, und dort sehen eigentlich gerade die Griechen – der kleine Mann auf der Straße, der Mittelständler, der Manager –, dass unser Vorschlag genau eben nicht das ist, was man oft unterstellt, nämlich ein Bluten und ein Hergeben des ganzen Staatseigentums. Denn was sie sehen werden, ist, dass die Privatisierung, die dort vorgeschlagen wird, dazu führen wird, dass dieses Staatseigentum endlich zurück in die Hände der Griechen kommt. Bisher war dieses Staatseigentum weitgehend ungenutzt, und wo es genutzt wurde, war es oft Gegenstand von Korruption. Und dieses zu beenden, ist eigentlich von Vorteil für die Griechen. Und insofern glauben wir, dass die Diskussion dort sich auch in diese Richtung entwickeln wird. Gebt den Griechen ihr Eigentum zurück, damit sie es produktiv machen können und damit sie damit Wohlstand und Arbeit schaffen können – das ist die Devise.

Ricke: Wie unsicher die Politik ist, erleben wir ja gerade im Augenblick in der Diskussion um den Hebel, um ein finanzmarktpolitisches Instrument, das vor ein paar Wochen von einigen Parteien noch ausgeschlossen worden ist und nun quasi schon verkündet wurde. Würde uns denn dieses EUREKA-Prinzip auch dieses Hebelrisiko ersparen?

Krall: Das ist wahrscheinlich so. EUREKA würde zunächst mal dazu führen, dass das griechische Problem definitiv gelöst wäre, und mit dieser definitiven Lösung wären die Märkte wahrscheinlich sehr viel mehr zu beeindrucken als mit ewig neuen Rettungsschirmen. Zumal Sie auch sehen müssen, dass das Risiko des europäischen und damit auch des deutschen Steuerzahlers bei unserem Vorschlag um 90 Prozent oder mehr als 90 Prozent gegenüber dem jetzigen sinkt. Und insofern wird es wahrscheinlich eher so sein, dass EUREKA nicht nur Griechenlands Probleme löst, sondern auch für die anderen Fälle Zeit kauft, zumal EUREKA zu erheblichen Verlusten für die Spekulanten führen würde, die gegen Europa und gegen Griechenland spekuliert haben.

Ricke: Politik ist ja immer die Kunst des Kompromisses – kann man denn dieses EUREKA-Prinzip mit den anderen Dingen, die in der Diskussion sind, vielleicht sogar verbinden, also zum Beispiel eine Kombination aus Entschuldung und Sanierung, wir nehmen das Beste aus beiden Welten?

Krall: Man könnte darüber nachdenken, allerdings kann man EUREKA wahrscheinlich nur sehr schwer kombinieren mit einem weiteren Schuldenschnitt, der höchstwahrscheinlich nicht freiwillig sein könnte. Der Schuldenschnitt vom 21.07. um 20 Prozent war ja gerade noch so hinzubiegen, dass man sagen konnte, der ist freiwillig und hat damit nicht die Kreditausfallversicherungen, die sogenannten CDS ausgelöst und hat nicht dazu geführt, dass die Ratingagenturen ein D vergeben haben. Einen weiteren Schuldenschnitt dieser Art auf freiwilliger Basis zu konstruieren, wird sehr schwer, vielleicht sogar unmöglich sein. Damit es zu kombinieren, wird auch sehr schwer, aber mit einem freiwilligen Schuldenschnitt in der Größenordnung dessen, was am 21.07. verkündet worden ist, kann man es durchaus verbinden.

Ricke: Jetzt haben wir den EU-Gipfel am Sonntag, glauben Sie, dass die Staats- und Regierungschefs durch die Tür kommen werden und laut EUREKA! rufen?

Krall: Das ist sehr schwer zu sagen, aber sie werden hoffentlich zunächst mal nicht durch die Tür kommen, um einen weiteren Schuldenschnitt zu verkünden, der mit erheblichen Risiken für Griechenland und Europas Steuerzahler verbunden wäre.

Ricke: Markus Krall von der Unternehmensberatung Roland Berger. Vielen Dank, Herr Krall!

Krall: Sehr gerne!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Weitere Beiträge zur Situation Griechenlands und der Eurozone finden Sie in unserem Sammelportal Eurokrise