Unterhaltsame Bildung

Von Thomas Gith · 02.03.2013
In vielen TV-Serien und Filmen aus den USA werden Wissenschaftsthemen behandelt. Oft so anregend und spannend, dass die präsentierten Disziplinen und Berufe in der realen Welt populär werden. Aber wie korrekt ist der Umgang mit der Forschung im Fiktionalen wirklich?
Der Arzt Dr. Gregory House ist nicht unbedingt das, was man einen sympathischen Helden nennt: Seinen Patienten gegenüber ist er oft abweisend, zynisch, manchmal sogar boshaft. Doch seine medizinischen Fachkenntnisse und Fähigkeiten sind genial. Er ist Spezialist für medizinische Diagnostik und hat ein hervorragendes Gespür für außergewöhnliche Krankheitsbilder. Was er etwa bei der Untersuchung einer ernsthaft erkrankten jungen Frau beweist:

"Meine Theorie lautet, dass ihr Körper den Parasiten abwehren konnte, aber winzige Reste, die auf der Eihülle geblieben sind, auf dem Scan nicht zu sehen waren. Dieser mikroskopisch kleine Rest bewirkte bei Abbey eine allergische Reaktion, die da heißt: zerebellare Schistosomiasis mit verzögerter Hypersensitivität."

Höchste Forschungsstandards bei Dr. House
Dr. House wirft oft mit Fachvokabular um sich – das auf Anhieb vermutlich nur der medizinische Profi versteht. Kurz gesagt: Die junge Patientin leidet an einem Wurmbefall – für den Dr. House natürlich auch gleich noch die passende Behandlung kennt. Eine gebrochene, aber medizinisch imposante Figur, die durchaus den Stand der Forschung wiedergibt.

"Dr. House wird eben von den Hochschulmedizinern dafür gelobt, dass es das höchste Wissensniveau, was medizinische Diagnoseverfahren angeht, repräsentiert. Dr. House ist hervorragend ausgestattet, hat modernstes Equipment, um den Krankheiten auf die Spur zu kommen. Die Diagnosen selbst sind einzigartig und repräsentierten tatsächlich das höchste Niveau der medizinischen Forschung."

Professorin Marion Esch von der Technischen Universität Berlin hat in ausführlichen Studien untersucht, wie Wissenschaft und Technik in Unterhaltungssendungen dargestellt werden. Etwa in medizinischen Geschichten wie der von Dr. House – die Wissenschaft spannend und zugleich exakt erzählen. In vielen Fernsehserien über Ärzte und Ärztinnen ist die Wissenschaft jedoch eher ein Randaspekt: In deutschen Produktionen etwa spielt sie kaum eine Rolle:

"Krankenhaus- und Arztserien werden in Deutschland eher als Familienserien erzählt. Im Zentrum steht die Familie des Bergdoktors, des Landarztes, des Doktor Kleist, die Beziehungen der Kollegen. Im Nebenbei gibt es durchaus auch mal einen Patienten zu behandeln, aber das steht nicht im Zentrum. Die amerikanischen Arztserien werden wie ein Krimi erzählt. Man ist dabei, mit den modernsten Methoden, den Krankheiten wirklich auf die Spur zu kommen. Die deutschen Serien erzählen eher rührige Geschichten aus dem Umfeld."

Einen Grund dafür hat Marion Esch auch ausgemacht: Wissenschaft gilt vielen deutschen Fernsehproduzenten als nicht spannend genug. Hinzu kommt, dass sich komplexe Wissenschaftsthemen ohne fachkundige Beratung kaum glaubwürdig darstellen lassen. Doch dass das funktionieren kann, beweisen US-Serien wie Dr. House und CSI - die Wissenschaft als Ausgangspunkt für einen regelrechten Krimi nehmen.

Um die Geschichten fesselnd und inhaltlich richtig zu erzählen, arbeiten US-Film- und Fernsehmacher mit Forschern zusammen, sagt David Allen Kirby vom Zentrum für Wissenschaftsgeschichte in Manchester:

"Wenn man sich die Filme der vergangenen Jahre ansieht, in denen Wissenschaft ein Thema war, dann haben Sie alle einen wissenschaftlichen Berater genutzt. Genauso ist es bei den Fernsehserien. Tatsächlich wäre es in Hollywood eher überraschend, wenn bei einer Fernsehserie oder einem Film mit Forschungsthemen kein wissenschaftlicher Berater engagiert würde."

Und bei der Beratung geht es keineswegs ausschließlich um genaue Fakten und korrekt ausgesprochene Begriffe. Die Film- und Fernsehmacher wollen auch das Verhalten der Forscher imitieren.

In dem 2008 entstandenen Film "Der Tag, an dem die Erde stillstand" etwa spielt Keanu Reeves einen Außerirdischen. Der sieht nicht nur aus wie ein Mensch, sondern verfügt auch über geniale mathematische Fähigkeiten. In einer Szene etwa schreibt er mit Kreide in hoher Geschwindigkeit eine Gleichung an eine Tafel.

"”Interessant ist, dass Keanu Reeves diese Gleichung niemals schreiben könnte. Und selbst wenn er es könnte, würde er sie sehr viel langsamer schreiben. Stattdessen haben sie einen Wissenschaftsberater engagiert, der die Gleichung mit einem Stift auf die Tafel vorgeschrieben hat. Und Keanu Reeves hat dann einfach im Film mit Kreide drübergeschrieben. Durch Editiertechniken wurde die Szene schließlich noch schneller gezeigt. Dieses Beispiel verdeutlicht sehr schön, dass Wissenschaft nicht nur aus Fakten besteht, sondern das die Filmtechnik es möglich macht, Keanu Reeves wie einen echten Mathematiker aussehen zu lassen.""

Faszination statt Faktenwissen
David Allen Kirby weiß, wovon er spricht. Er selbst hat jahrelang als Genforscher gearbeitet. Eine Pipette zu halten, war für ihn selbstverständlich. Schauspielern, die wie Genfoscher aussehen wollen, muss man das aber erst beibringen - auch dafür werden die Wissenschaftsberater engagiert. Unterhaltungssendungen und Filmen wollen also vor allem ein Gefühl dafür entstehen lassen, in welcher Atmosphäre Wissenschaft stattfindet und mit welchen Rätseln sich die Forscher beschäftigen, sagt Marion Esch:

"Es geht nicht darum, Faktenwissen wiederabrufbar zu vermitteln. Was die Fiktion vermittelt ist: Was macht ein Wissenschaftler? Mit welchen Fragen beschäftigt er sich? Ist das nützlich, welchen Wert hat das, dass sie das tun? Mit welchen Methoden tun sie das und ist es wünschenswert? Und dann auch noch mitzuerleben, mit welchen inneren Gefühlen, mit welchen Motivationen diese Menschen agieren. Das ist etwas, was an Informationen außerordentlich wichtig ist und tatsächlich nur fiktional zu vermitteln ist."

Die Identifikation mit einem Wissenschaftler kann in einem gut gemachten Unterhaltungsfilm also sehr groß sein. Fiktionale Filme und Serien vermitteln dabei vor allem, in was für einem Umfeld Wissenschaft stattfindet, wozu sie nützlich ist. Natürlich werden dabei oft auch Charaktere überzeichnet.

Überzogene Klischees von verschrobenen Wissenschaftlern etwa treten bei den Simpsons auf. Physiker Professor Paul Halpern hat ein Buch über den wissenschaftlichen Gehalt der Zeichentrickserie geschrieben, die seit Ende der 80er-Jahre gesendet wird:

"Bei den Simpsons gibt es eine große Bandbreite an Wissenschaftlern. Der bekannteste ist Professor Frink. Er wird als eine sonderbare Figur dargestellt. Er ist sehr intellektuell, weiß aber überhaupt nicht, wie er mit anderen Menschen umgehen soll. Auf der anderen Seite gibt es dann Leute wie Dr. Hippert, den Hausarzt der Simpsons, der die gute Seite der Wissenschaft repräsentiert, die, die dabei hilft, Menschen zu heilen."

Auch an den Simpsons arbeiten zahlreiche Wissenschaftler mit. Faktisches Wissen vermittelt so eine Serie dabei aber eher nicht, sagt Professor Halpern. Allerdings: Sie kann den Zuschauer für Natur und Wissenschaft faszinieren.

In einer Simpsons-Folge aus dem vergangenen Jahr etwa rettet das Simpsons-Baby Maggie einen Schmetterling. Sie befreit ihn aus einem geschlossenen Raum, lässt ihn nach vielen Turbulenzen schließlich durch ein Fenster davon fliegen.

"In dem Film sehen wir, dass Maggie von der Natur fasziniert ist, besonders von Schmetterlingen. Sie ist in einem Kindergarten gefangen, hat dort keine Freunde, freundet sie sich dann aber mit einem Schmetterling an. Unglücklicherweise versucht ein anderes Baby, alle kleinen Lebewesen zu zerstören. Und so beginnt der Kampf um ökologischen Schutz. Und auch wenn Maggie noch nicht sprechen kann: Ihr Ruf, die Natur zu schützen, ist laut und deutlich."

Hightech-Forensik bei CSI
Wie sehr wissenschaftliche Themen in Unterhaltungssendungen faszinieren können, beweist besonders eindrücklich die US-amerikanische Serie CSI. Mittelpunkt sind dabei Verbrechens- und Todesfälle, die von Kriminalisten aufgeklärt werden. Gentechnik spielt bei den Ermittlungen oft eine zentrale Rolle:

"Mann: "Die DNS-Analyse zeigt: Das Blut von Lindey Parkers Autoscheibe stimmt mit dem Samen von allen Vergewaltigungen überein."
Frau: "Das bedeutet, es ist nicht von Todd Chums."
Mann: "Auch nicht Kevin Chums und auch kein anderer der Gebrüder Grimm.""


Doch bei dieser Ermittlung bleiben Zweifel: Schließlich hatte das Vergewaltigungsopfer Todd Chums als Täter identifiziert. Was also bedeutet die Erbgutanalyse? Und wie lässt sich ein zweiter DNS-Test einordnen, der ins Feld geführt wird.

"Mann: "Ich habe die DNS von dem Haar, das du auf Lindey gefunden hast. Festhalten: Es ist von Todd Chums."
Frau: "Zumindest war er an der Leiche."
Mann 2: "Kein Beweis für Vergewaltigung."
Frau: "Ich lass ihn noch mal herbringen.""

Die Ermittlungen laufen auf ihren Höhepunkt zu. Naturwissenschaftliche Methoden stehen dabei im Zentrum. Im Jahr 2000 startete die Serie in den USA und sie hat die angewandte Forensik sehr populär gemacht, sagt Marion Esch:

"CSI hat die Forensik überhaupt erstmals ins Zentrum gesetzt. Wir hatten vorher ein bisschen Gerichtsmedizin in den amerikanischen Serien. CSI macht das gesamte Spektrum der Spurensicherung auf. Macht da eben auch die anderen naturwissenschaftlich-technologischen Möglichkeiten von der Tatortsicherung her, den Tätern auf die Spur zu kommen, wirklich sehr plastisch. Und insofern ist das ein wirklicher Impuls gewesen, etwas in den Horizont zu bringen, worüber man eigentlich nichts wusste."

Auch CSI wird von Experten bescheinigt: Die Serie spiegelt den höchsten aktuellen Forschungsstand wieder. Sie zeigt, was prinzipiell möglich ist – auch wenn bei Weitem nicht alle Ermittlungslabore so gut ausgestattet sind wie die der fiktiven CSI-Ermittler. Faszinieren kann die Serie, bei der vor allem Forensikerinnen im Mittelpunkt stehen, allemal: Denn die Anzahl von Frauen in forensischen Studiengängen ist in den USA seit dem Jahr 2000 um mehr als 60 Prozent angestiegen. Und auch in Deutschland hat das Interesse an forensischen Berufen durch CSI zugenommen.

Spannend erzählte Wissenschaftsthemen in Unterhaltungssendungen können sich also unmittelbar auf das Berufsleben auswirken.
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