Unter ständiger Beobachtung
Westdeutsche Journalisten hatten es in der ehemaligen DDR schwer: Sie wurden überwacht, in ihrer Büros wurde eingebrochen und jeder ihrer Schritte verfolgt. Drei Autoren haben in „Operation Fernsehen“ die Stasi-Aktivitäten gegenüber BRD-Medien unter die Lupe genommen und ein spannendes, aber teilweise auch mühsam zu lesendes Werk herausgebracht.
Zwanzig Jahre nach der Wende sind Überraschungen über die Stasi-Arbeit selten geworden. Aus einem ungewohnten Blickwinkel betrachtet können Berichte von ihren Methoden aber immer noch fesseln. Drei Autoren des Forschungsverbunds SED-Staat haben die Überwachung von Radio und Fernsehen durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR untersucht.
Das Buch ist das Ergebnis einer gemeinsamen Studie dieses Verbunds mit der Historischen Kommission der ARD, aus der auch ein dreiteiliger Fernsehbericht über die „Operation Fernsehen“ hervorging.
Der grundsätzlichen Einschätzung von Westmedien durch die Stasi lag die Projektion der Verhältnisse im eigenen Land zugrunde: Bis 1989 galt die Annahme, man habe es mit vom BND gelenkten Organisationen zu tun, deren Redakteure in Wahrheit Agenten der BRD seien. So meinten die Stasi-Mitarbeiter, die Sendungen der auch im Osten zu empfangenden Sender seien nur darauf ausgerichtet, die DDR-Bürger zu verwirren und vom Weg des Sozialismus abzubringen.
„Diversion“ lautete die Lieblingsbezeichnung dessen, was die Menschen in der Berliner Normannenstraße, dem Stasi-Hauptquartier, auszuwerten hatten. Dabei ging es meistens gar nicht um rein politische Sendungen, auch alltägliche Fernsehprogramme wurden protokolliert. Waren sie DDR-freundlich gehalten, stimmte das die Stasi nicht versöhnlich: Sie witterte dahinter neue Finten des „Feindes“. Viele der „Erkenntnisse“ stammten aus öffentlich zugänglichen Quellen, bis hin zu Programmzeitschriften.
Insgesamt kommen die Autoren des Buches zu dem Schluss, dass es die DDR-Agenten trotz unterschiedlichster Methoden, die bis zur Unterschriftenfälschung und dem Ausstreuen glatter Lügen reichte, nicht fertig brachten, die westdeutschen Sender in ihrem Programm zu beeinflussen.
Auch saßen erstaunlich wenige Inoffizielle Mitarbeiter (IM) in den Redaktionen. Besonderes Interesse der Stasi galt dem Deutschlandfunk, dem RIAS, der Deutschen Welle, dem SFB, der ARD samt ihren dritten Programmen und dem ZDF.
Mit dem deutsch-deutschen Grundlagenvertrag von 1972 änderte sich die journalistische Situation und damit der Aufgabenbereich der Stasi: Nun waren neben den Reisejournalisten akkreditierte Korrespondenten im Land zugelassen, denen die DDR erhöhte Aufmerksamkeit widmete. Rund 100 geheime Kräfte waren zur Überwachung der westdeutschen Journalisten in der DDR eingesetzt.
Das ARD-Studio wurde rund um die Uhr aus einem Überwachungsbüro ein paar Häuser weiter beobachtet. Die Korrespondenten wurden abgehört, in ihre Büros wurde unauffällig eingebrochen, jeder ihrer Schritte verfolgt. Eine Journalistenverordnung der DDR konnte zudem jede eigenständige Arbeit von Korrespondenten lahm legen.
Am ARD-Korrespondenten Fritz Pleitgen, der auch das Vorwort zum Buch schrieb, störte die Ermittler besonders, dass er aus seiner vorherigen Tätigkeit in Moskau noch gute Kontakte zu den Sowjets hatte, und sie sich da weder horchend noch guckend einmischen konnten.
Das Buch bietet keine durchgehend einfache Lektüre. Es ist spannend, wenn ehemalige Korrespondenten zu Wort kommen und erzählen, wie sie es trotz aller Einschränkungen schafften, entsprechend ihren Überzeugungen journalistisch zu arbeiten und objektiv zu berichten, ohne DDR-Bürger zu gefährden oder die Staatsmacht allzu sehr gegen sich aufzubringen.
Aber es ist auch ein wissenschaftliches Werk, das mühsam zu lesen ist, wenn aus den Stasi-Protokollen zitiert wird. Die dürre, bürokratische Sprache des Ministeriums und seiner Zuträger macht die Lektüre phasenweise anstrengend. Die wohl wichtigste Erkenntnis des Buches ist, wie Fritz Pleitgen schreibt, „dass ein ideologisch gleichgeschaltetes Medienmonopol der pluralistischen Medienwelt einer offenen Gesellschaft nicht gewachsen ist“.
Rezensensiert von Stefan May
Jochen Staadt/Tobias Voigt/Stefan Wolle: Operation Fernsehen – Die Stasi und die Medien in Ost und West
Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 2008
448 Seiten, 29,90 Euro
Hinweis: Das Buch ist aufgrund eines Rechtsstreits zur Zeit im Buchhandel nicht erhältlich.
Das Buch ist das Ergebnis einer gemeinsamen Studie dieses Verbunds mit der Historischen Kommission der ARD, aus der auch ein dreiteiliger Fernsehbericht über die „Operation Fernsehen“ hervorging.
Der grundsätzlichen Einschätzung von Westmedien durch die Stasi lag die Projektion der Verhältnisse im eigenen Land zugrunde: Bis 1989 galt die Annahme, man habe es mit vom BND gelenkten Organisationen zu tun, deren Redakteure in Wahrheit Agenten der BRD seien. So meinten die Stasi-Mitarbeiter, die Sendungen der auch im Osten zu empfangenden Sender seien nur darauf ausgerichtet, die DDR-Bürger zu verwirren und vom Weg des Sozialismus abzubringen.
„Diversion“ lautete die Lieblingsbezeichnung dessen, was die Menschen in der Berliner Normannenstraße, dem Stasi-Hauptquartier, auszuwerten hatten. Dabei ging es meistens gar nicht um rein politische Sendungen, auch alltägliche Fernsehprogramme wurden protokolliert. Waren sie DDR-freundlich gehalten, stimmte das die Stasi nicht versöhnlich: Sie witterte dahinter neue Finten des „Feindes“. Viele der „Erkenntnisse“ stammten aus öffentlich zugänglichen Quellen, bis hin zu Programmzeitschriften.
Insgesamt kommen die Autoren des Buches zu dem Schluss, dass es die DDR-Agenten trotz unterschiedlichster Methoden, die bis zur Unterschriftenfälschung und dem Ausstreuen glatter Lügen reichte, nicht fertig brachten, die westdeutschen Sender in ihrem Programm zu beeinflussen.
Auch saßen erstaunlich wenige Inoffizielle Mitarbeiter (IM) in den Redaktionen. Besonderes Interesse der Stasi galt dem Deutschlandfunk, dem RIAS, der Deutschen Welle, dem SFB, der ARD samt ihren dritten Programmen und dem ZDF.
Mit dem deutsch-deutschen Grundlagenvertrag von 1972 änderte sich die journalistische Situation und damit der Aufgabenbereich der Stasi: Nun waren neben den Reisejournalisten akkreditierte Korrespondenten im Land zugelassen, denen die DDR erhöhte Aufmerksamkeit widmete. Rund 100 geheime Kräfte waren zur Überwachung der westdeutschen Journalisten in der DDR eingesetzt.
Das ARD-Studio wurde rund um die Uhr aus einem Überwachungsbüro ein paar Häuser weiter beobachtet. Die Korrespondenten wurden abgehört, in ihre Büros wurde unauffällig eingebrochen, jeder ihrer Schritte verfolgt. Eine Journalistenverordnung der DDR konnte zudem jede eigenständige Arbeit von Korrespondenten lahm legen.
Am ARD-Korrespondenten Fritz Pleitgen, der auch das Vorwort zum Buch schrieb, störte die Ermittler besonders, dass er aus seiner vorherigen Tätigkeit in Moskau noch gute Kontakte zu den Sowjets hatte, und sie sich da weder horchend noch guckend einmischen konnten.
Das Buch bietet keine durchgehend einfache Lektüre. Es ist spannend, wenn ehemalige Korrespondenten zu Wort kommen und erzählen, wie sie es trotz aller Einschränkungen schafften, entsprechend ihren Überzeugungen journalistisch zu arbeiten und objektiv zu berichten, ohne DDR-Bürger zu gefährden oder die Staatsmacht allzu sehr gegen sich aufzubringen.
Aber es ist auch ein wissenschaftliches Werk, das mühsam zu lesen ist, wenn aus den Stasi-Protokollen zitiert wird. Die dürre, bürokratische Sprache des Ministeriums und seiner Zuträger macht die Lektüre phasenweise anstrengend. Die wohl wichtigste Erkenntnis des Buches ist, wie Fritz Pleitgen schreibt, „dass ein ideologisch gleichgeschaltetes Medienmonopol der pluralistischen Medienwelt einer offenen Gesellschaft nicht gewachsen ist“.
Rezensensiert von Stefan May
Jochen Staadt/Tobias Voigt/Stefan Wolle: Operation Fernsehen – Die Stasi und die Medien in Ost und West
Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 2008
448 Seiten, 29,90 Euro
Hinweis: Das Buch ist aufgrund eines Rechtsstreits zur Zeit im Buchhandel nicht erhältlich.