Unter Giftzwergen

Von Udo Pollmer · 11.09.2011
Es ist still geworden um die Nanotechnologie. Viele Bürger beschleicht ein ungutes Gefühl, wenn sie an die möglichen Nebenwirkungen denken. Denn jede neue Technologie hat selbstredend auch neue Risiken im Gefolge.
Allmählich befasst sich die Wissenschaft nicht nur mit den Möglichkeiten der Nanotechnologie, sondern auch mit ihren Nebenwirkungen. Dabei ist es gar nicht so einfach Licht in das Dunkel der Effekte zu bringen, denn die Nanotechnologie ist nicht nur die Wissenschaft der superkleinen Partikel, sondern sie nutzt häufig Effekte, die mit dem gesunden Menschenverstand gar nicht nachvollziehbar sind. Sie basiert auf der Quantenphysik und viele Anwendungen sind nur mit mathematischen Methoden verständlich.

Nanotechnologie findet sich heute bereits in vielen Produkten für den Endverbraucher. Angefangen von Textilien wie Socken mit Nano-Silber über Lebensmittel mit Nano-Carotin bis hin zu Kosmetika mit Zinkoxid-Partikeln als Sonnenschutz. An sich ist diese Technologie uralt. Man findet schon bei den alten Römern Materialien, die solche Effekte nutzten. Dazu gehört der berühmte, über 2000 Jahre alte Kelch des Lykurg, der je nachdem ob das Licht von innen oder außen kommt, mal grün und mal rot leuchtet. Ursache ist unter anderem sein Gehalt an Nano-Silber. In mittelalterlichen Kirchenfenstern bewirkt ein geringer Zusatz an Nano-Gold das leuchtende Rot.

Vor einiger Zeit haben Nanostäube in Tonerkartuschen für Laserdrucker etwas Aufregung verursacht. Aber nicht nur die Farben für Drucker enthalten Nanopartikel, gerade fanden dänische Forscher, dass in handelsüblichen Farben für Tattoos die darin enthaltenen Pigmente ebenfalls als Nanopartikel vorliegen. Die gehen dann direkt unter die Haut. Eine ganz wichtige Nanoschleuder ist der Toaster in der Küche. Er produziert massenhaft Nanoröhrchen aus Kohlenstoff – und niemand weiß warum.

Die Mehrzahl der Untersuchungen findet bisher wenig Verdächtiges, aber das hängt auch damit zusammen, dass man noch nicht so recht weiß, wonach man suchen soll. Inzwischen geben Tierversuche erste Hinweise. Schmiert man Nano-Zinkoxid aus Sonnenmilch Versuchstieren auf die Haut, sinkt der Gehalt an Collagen, an Bindegewebe. Verabreicht man Nano-Titandioxid oder Nano-Silikat intravenös an trächtige Mäuslein, bremst es das Wachstum des Nachwuchses. Bei der etwas größeren "Normalversion" der Stoffe bleiben diese Effekte aus. Das belegt, dass sich Stoffe in nanopartikulierter Form anders verhalten können als in gewöhnlicher Ausführung.

Bei vielen Nanomaterialien handelt es sich um Stoffe, die schon lange als Zusätze für Lebensmittel und Kosmetika zugelassen sind - und die nun in Nanoform hergestellt und auch für andere Zwecke verwendet werden. Dazu zählen Titandioxid, Zinkoxid, Eisenoxid, Aluminiumoxid und Silikate. Wenn Nanopartikel schließlich mit dem Abwasser in die Umwelt gelangen, dann können sie dort von Nutzpflanzen aufgenommen werden. Doch über ihr Vorkommen in Lebensmitteln ist bis heute so gut wie nichts bekannt. Mir wäre erheblich wohler, wenn wir den Verbleib wüssten.

Da Nanopartikel sehr fein sind, werden sie aber nicht nur mit der Nahrung im Darm aufgenommen sondern auch über die Atemluft. Und hier gibt es neben der Lunge einen wichtigen Pfad in den Körper: Die Nase. Über den Riechnerv besteht eine Verbindung zum Gehirn. Schon lange ist bekannt, dass dieser Nerv vielen Materialien wie eine Art Transportband dient. Auf diesem Wege gelangen Metallstäube, Lösungsmittel ja sogar Viren bis ins Riechhirn. Es ist sicher kein Zufall, dass verschiedene neurologische Erkrankungen, namentlich Demenzerkrankungen mit einer Schädigung des Riechhirns verbunden sind. Die Gesellschaft täte gut daran, diesen Aufnahmepfad genauso gründlich zu prüfen, wie die Aufnahme über die Nahrung. Mahlzeit!

Literatur:
Yamashita K et al: Silica and titanium dioxide nanoparticles cause pregnancy complications in mice. Nature Nanotechnology 2011; 6: 321-328
Hogsberg T et al: Tattoo inks of general usage contain nanoparticles. British Journal of Dermatology 2011/epub ahead of print
Zhang L et al: The dose-dependent toxicological effects and potential perturbation on the neurotransmitter secretion in brain following intranasal instillation of copper nanoparticles. Nanotoxicology 2011; epub ahead of print
Surekha P et al: Repeated dose dermaö toxicity study of nano zinc oxide with Sprague-Dawley rats. Cutaneous and Ocular Toxicology 2011; epub ahead of print
Wen Z et al: Brain targeting and toxicity study of odorranalectin-conjugated nanoparticles following intranasal administration. Drug Delivery 2011; Epub ahead of print
Zhu MT et al: Endothelial dysfuction and inflammation induced by iron oxide nanoparticle exposure: Risk factors for early atherosclerosis. Toxicology Letters 2011; 203: 162-171
Sabo-Attwood T et al: Uptake, distribution and toxicity of gold nanoparticles in tobacco (Nicotiana xanthi) seedlings. Nanotoxicology 2011; epub ahead of print
Som C et al: Environmental and health effects of nanomaterials in nanotextiles and facade coatings. Environment International 2011; 37: 1131-1142
Croteau MN et al: A novel approach reveals that zinc oxide nanoparticles are bioavailable and toxic after dietary exposures. Nanotoxicology 2011; 5: 79-90
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