Unter dem Banner des Islam

Rezensiert von Peter Merseburger · 20.04.2007
Einige Wissenschaftler sprechen von einer schleichenden Islamisierung Westeuropas. Migration und Demographie könnten nun das schaffen, was der bisherige "Imperialismus im Namen Allahs" - so der Titel des neuen Buches von Efraim Karsh - nicht vermochte. Karsh zeichnet in seinem Werk den heiligen Krieg der Moslems vom Propheten Mohammed bis zu Osama bin Laden nach.
Wird Europa in 100 Jahren muselmanisch sein – und zwar nicht, weil es keinen polnischen König Stanislaus mehr gibt, der die Türken vor Wien zurückschlagen könnte, sondern weil sich die Islamisierung Europas schleichend vollzieht? Bernard Lewis, der in Amerika lebende Doyen unter den angelsächsischen Orientalisten, prophezeit uns dies, schon weil es bei uns areligiös gewordenen Europäern nicht mehr die Kraft der christlichen Religion gebe, sich gegen den Vormarsch der Korangläubigen vehement zur Wehr zu setzen. Dafür, dass Europa Teil des muslimischen Westens werde, sorgten allein schon Migration und Demographie.

Türken in Deutschland, Araber in Frankreich und Pakistaner in England heiraten früh und zeugen viele Kinder, schon 2050, errechnet der Brite Timothy Savage, würden Moslems deshalb 20 Prozent der westeuropäischen Bevölkerung ausmachen.

Basam Tibi, der in Syrien geborene Göttinger Islamwissenschaftler, warnt nicht nur vor der demographischen Islamisierung Europas – er sieht die Gefahr vor allem in der Integrationsverweigerung der Zuwanderer, die zur Entstehung von Parallelgesellschaften führe. Nicht wenige Moscheevereine verstünden sich als "Speerspitze der Islamisierung", und nicht nur militante Islamisten, auch orthodoxe Moslems träumten von einem islamischen Europa, das den Gesetzen der Scharia unterworfen sei. Werden wir Europäer Opfer unserer offenen Gesellschaft, gehen wir eines Tages unserer bürgerlichen Freiheiten verlustig, weil unsere demokratischen Institutionen gegen uns von zielstrebigen Islamisten instrumentalisiert werden?

Etliche werden dies Horrorszenarien nennen, viele einwenden, hier werde unverantwortlich mit Ängsten und Befürchtungen gespielt. Aber wahr ist nun einmal, dass es bis heute eine republikanisch-demokratische Version des Islam, die sich mit unserem europäischen Verfassungsverständnis verträgt, nicht gibt. Mitten in diese Islamisierungs-Diskussion platzt nun Efraim Karsh mit einem Buch, das Ängste eher bestärken denn besänftigen kann. "Imperialismus im Namen Allahs" heißt sein Werk, in dem er den heiligen Krieg der Moslems vom Propheten Mohammed bis zu Osama bin Laden beschreibt.

"Als universelle Religion strebt der Islam nach einer globalen politischen Ordnung, in der alle Menschen entweder als Gläubige oder als Untertanengemeinschaft unter der Herrschaft des Islam leben. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es die Pflicht aller freien, männlichen und erwachsenen Muslime, einen bedingungslosen Kampf 'auf dem Wege Gottes' oder Jihad zu führen. Das wiederum macht die Gegenden auf der Welt, die noch nicht vom Haus des Islam erobert wurden, zum Schauplatz eine permanenten Auseinandersetzung ... die nur mit dem Triumph des Islam ein Ende finden wird."

Karsh ist in Israel geboren und leitet heute das Programm für mediterrane Studien am Kings College in London. Nahezu enzyklopädisch führt er die Eroberungs- und Expansionszüge auf, mit denen es den Moslems gelang, ihr riesiges Imperium aufzubauen, das von Indus bis an den Atlantik reicht und in dem arabisch Herrschaftssprache wird wie einst Lateinisch im Imperium Romanum.

Nach dem Niedergang des osmanischen Reichs sind es die Muslimbrüder, die an diesen universellen Auftrag anknüpfen – Hasan al Bana etwa, Lehrer und Uhrmacher in Ägypten, der eine wahrhaft islamische Regierung für eine kollektive und gesellschaftliche Renaissance fordert. Seine Organisation hat bald nicht nur Anhänger in Ägypten, sondern in Syrien und Jordanien, im Jemen, in Palästina und im Sudan. Hitler und Mussolini sind für ihn die großen Vorbilder, die ihre Völker zu Einheit und Ordnung, zu Macht und Ruhm führen. Unter Bana zählen die Muslimbrüder bald über Millionen Sympathisanten, werden zum Staat im Staat, der über Zeitungen, Fabriken, Krankenhäuser und Finanzunternehmen und selbst eine Privatarmee verfügt. Es ist eine Bewegung, die sich aus Studenten, Akademikern und Beamten der neuen Mittelschicht rekrutiert, die zum reinen Islam zurückfinden will, und ihr Credo lautet:

"Gott ist unser Ziel; der Koran ist unsere Verfassung; der Prophet ist unser Führer; der Kampf ist unser Mittel; der Dschihad ist unser Weg; Sterben auf dem Wege Allahs ist unser oberstes Bestreben."

Inzwischen sind die Muslimbrüder in Ägypten zu einer geduldeten parlamentarischen Oppositionsgruppe geworden, die radikale islamistische Opposition gegen das Regierung Mubarak ist längst auf neue, militantere ägyptische Gruppen übergegangen.

Aber Karsh zieht die Linie von den radikalen Lehren ihres Gründers Bana und ihres Vordenkers Sayid Qubt hin zu bin Laden und der palästinensischen Hamas, einem Zweig der Muslimbrüder. Für die Hamas ist Qubt ein Vorbild, weil er die gesamte Menschheit unter dem Banner des Islam versammeln wollte, um zu etablieren, was er "Gottes Souveränität auf Erden" nannte und was übersetzt wohl heißt Gottes Reich auf Erden. Wenn es stimmt, dass Hamas so universell islamistisch denkt wie Qubt, wenn es stimmt, dass sie nicht nur Palästina von der so genannten zionistischen Besatzung befreien will, sondern einen großislamischen Staat anstrebt, dann wäre wohl jede Hoffnung auf Nahost-Verhandlungen mit einer Abbas-Regierung, in der Hamas vertreten ist, vergebens und auf Sand gebaut. Karsh meint denn auch:

"Die Palästinafrage ist weder ein Territorialstreit zwischen zwei Nationalbewegungen noch der Kampf der einheimischen Bevölkerung gegen einen fremden Besatzer. Es ist vielmehr ein Heiliger Krieg der weltweiten islamischen UMMA, um den Verlust eines Teiles des Hauses des Islam an die Ungläubigen zu verhindern."

Wenn Feinde sich islamischen Gebiets bemächtigen, schreibt Karsh, werde der jihad zur verbindlichen Pflicht für alle Muslime – und damit werde der gegenwärtige Kampf um Palästina zu einer direkten Fortsetzung des historischen Kampfes des Islam gegen seine beiden schärfsten mittelalterlichen Feinde, die Kreuzritter und die Mongolen. Karshs Buch gleicht einer riesigen Fleißarbeit, akribisch werden Kalifen und Sultane, ihre Siege und Niederlagen über die Jahrhunderte aufgeführt, ausführlich ist die Zeit des Niedergangs und das Ende des osmanischen Reiches, der letzten Großmacht des Islam beschrieben, das zur ohnmächtigen Wut vieler Moslems gegen den Westen beigetragen hat. Mag das alles mit Fakten überladen scheinen, liest es sich für den interessierte doch leicht und hält manche Pointe bereit. Trost für uns allerdings nicht.

In Deutschland, schreibt Karsh, haben sich die Muslimbrüder mit großzügiger finanzieller Unterstützung aus Saudi-Arabien als die eigentliche Stimme der drei Millionen im Land lebenden Muslime etabliert und beherrschen die Moscheen. Zwar sind es nicht mehr jene Moslembrüder, die Bomben gegen Nasser warfen. Aber einen europäischen Islam, der mit unseren Vorstellungen von Demokratie und Freiheit vereinbar wäre, repräsentiert die Bruderschaft nicht. Das christliche gebt des Kaisers, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist bleibt ihnen bis heute fremd, ihr erklärtes Ziel ist eine Gesellschaft unter der Herrschaft der Scharia. Als Hauptziel nennt die Organisation auf ihrer englischen Web-Site die Wiederherstellung des Kalifats – also einer Herrschaftsform, in der säkulare und geistliche Führerschaft in einer Person vereint sind, aber auch "die Eroberung der Welt durch den Islam". Mohammed, der kriegerische Prophet, unterwarf mit den Lanzen und Schwertern seiner Reiter; kriegerische Expansion war das Kennzeichen des Islam, bis er vor Wien zurückgeschlagen wurde. Falls Bernard Lewis recht behalten sollte, - und ich hoffe, er irrt - dann dürfte die Unterwerfung bei uns im 21. Jahrhundert vor allem mittels Demographie geschehen.

Efraim Karsh: Imperialismus im Namen Allahs
Von Muhammed bis Osama bin Laden

Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007
Efraim Karsh: Imperialismus im Namen Allahs
Efraim Karsh: Imperialismus im Namen Allahs© DVA