Unter Brüdern
„Kardinal Faulhaber reiste in einer schwarzen Limousine an, wie wir sie noch nie gesehen hatten im Dorf. Der Fahrer hielt an, doch die Tür ging nicht auf, bis unser Vater, der Gendarm, sie öffnete. Als Hochwürden ausstieg und die Menge majestätisch überblickte, sagte mein vierjähriger Bruder lakonisch: ‚Ich werd mal Kardinal.‘“
Der Junge sollte recht behalten. Und als er am 19. April 2005 um 18:40 Uhr auch noch Papst wurde, Benedikt XVI., woraufhin bei seinem älterer Bruder Georg in Regensburg pausenlos das Telefon klingelte, da dachte dieser: „Rutscht mir doch alle den Buckel runter! und bin nicht drangegangen. Auch nicht, als der Josef dran war.“
Es sind solche Anekdoten, die Domkapellmeister Georg Ratzingers Erinnerungen 271 Seiten lang vergnüglich lesbar machen. Eher bayerisch-herzig als intellektuell-analytisch plaudert der ehemalige Dirigent der Regensburger Domspatzen über den fromm-gradlinigen Vater im Widerstand gegen Hitler, über Josefs Monate bei der Hitlerjugend und als Flakhelfer.
Er schildert mit Rührung in der Stimme ihre gemeinsame Priesterweihe 1951, erzählt von der zunächst abgelehnten Habilitationsschrift seines Bruders und dem dramatischen Durchbruch zum jüngsten Theologieprofessor Deutschlands, vom reformbegeisterten 35-jährigen Assistenten des Kölner Erzbischofs Frings beim II. Vatikanischen Konzil in Rom 1962, wo er ausgerechnet jenen Kardinal Ottaviani öffentlich zu Fall brachte, dessen Nachfolger er als Präfekt der Glaubenskongregation später werden sollte.
Und natürlich erzählt er von der tiefen Freundschaft zu Karol Wojtyla. „Papst Johannes Paul II. und Josef Ratzinger verkörperten immer das, was der andere nicht war und ergänzten sich dadurch perfekt. Der charismatische, extrovertierte, herzenswarme Pole und der schmächtige, öffentlichkeitsscheue, messerscharf argumentierende Deutsche.“
Zu allen biografischen Fakten, die man bei Wikipedia oder in den bereits erschienenen Büchern über Josef Ratzinger nachlesen kann, liefert Bruder Georg mit diesen Memoiren das Milieu, die Mentalität, das menschlich-menschelnde und – natürlich seine Sicht der Dinge. Im letzten Teil (ab Seite 213) – da geht es um die Professur in Tübingen, den Bruch mit Reformer Hans Küng und um die 68er, denen beide Ratzinger-Brüder völlig verständnislos gegenüberstanden – wird das Buch wieder so konservativ triumphalkatholisch, wie es Ko-Autor Michael Hesemann in einem schwer erträglichen Vorwort begonnen hatte.
Der Düsseldorfer Korrespondent des „Vatikan Magazins“ fügt den Anekdoten zwar viele historisch und theologisch notwendige Erläuterungen hinzu, aber Tränen der Ergriffenheit trüben nun mal den Blick. Selbst dort, wo Georg Ratzinger ganz bodenständig nüchtern auf seinen Bruder Josef schaut.
Besprochen von Andreas Malessa
Georg Ratzinger: Mein Bruder, der Papst
Aufgezeichnet von Michael Hesemann
Herbig Verlag, München 2011
271 Seiten, 19,99 Euro
Es sind solche Anekdoten, die Domkapellmeister Georg Ratzingers Erinnerungen 271 Seiten lang vergnüglich lesbar machen. Eher bayerisch-herzig als intellektuell-analytisch plaudert der ehemalige Dirigent der Regensburger Domspatzen über den fromm-gradlinigen Vater im Widerstand gegen Hitler, über Josefs Monate bei der Hitlerjugend und als Flakhelfer.
Er schildert mit Rührung in der Stimme ihre gemeinsame Priesterweihe 1951, erzählt von der zunächst abgelehnten Habilitationsschrift seines Bruders und dem dramatischen Durchbruch zum jüngsten Theologieprofessor Deutschlands, vom reformbegeisterten 35-jährigen Assistenten des Kölner Erzbischofs Frings beim II. Vatikanischen Konzil in Rom 1962, wo er ausgerechnet jenen Kardinal Ottaviani öffentlich zu Fall brachte, dessen Nachfolger er als Präfekt der Glaubenskongregation später werden sollte.
Und natürlich erzählt er von der tiefen Freundschaft zu Karol Wojtyla. „Papst Johannes Paul II. und Josef Ratzinger verkörperten immer das, was der andere nicht war und ergänzten sich dadurch perfekt. Der charismatische, extrovertierte, herzenswarme Pole und der schmächtige, öffentlichkeitsscheue, messerscharf argumentierende Deutsche.“
Zu allen biografischen Fakten, die man bei Wikipedia oder in den bereits erschienenen Büchern über Josef Ratzinger nachlesen kann, liefert Bruder Georg mit diesen Memoiren das Milieu, die Mentalität, das menschlich-menschelnde und – natürlich seine Sicht der Dinge. Im letzten Teil (ab Seite 213) – da geht es um die Professur in Tübingen, den Bruch mit Reformer Hans Küng und um die 68er, denen beide Ratzinger-Brüder völlig verständnislos gegenüberstanden – wird das Buch wieder so konservativ triumphalkatholisch, wie es Ko-Autor Michael Hesemann in einem schwer erträglichen Vorwort begonnen hatte.
Der Düsseldorfer Korrespondent des „Vatikan Magazins“ fügt den Anekdoten zwar viele historisch und theologisch notwendige Erläuterungen hinzu, aber Tränen der Ergriffenheit trüben nun mal den Blick. Selbst dort, wo Georg Ratzinger ganz bodenständig nüchtern auf seinen Bruder Josef schaut.
Besprochen von Andreas Malessa
Georg Ratzinger: Mein Bruder, der Papst
Aufgezeichnet von Michael Hesemann
Herbig Verlag, München 2011
271 Seiten, 19,99 Euro