#unteilbar-Demonstration in Berlin

Sich nicht gegeneinander ausspielen lassen

07:30 Minuten
Unteilbar-Großdemonstration am 04.09.2021 in Berlin. Menschen mit Demo-Plakaten ziehen durch die Straße des 17. Juni.
Weniger Teilnehmer als erwartet, aber eine gute Stimmung: #Unteilbar-Großdemonstration am 4. September 2021 in Berlin. © imago / Future Image / Jean MW /
Sabine Nuss im Gespräch mit Britta Bürger · 04.09.2021
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2018 brachte das Bündnis "Unteilbar" bei einer Demo laut eigenen Angaben knapp eine Viertelmillion Menschen auf die Straße. An diesem Wochenende kamen nun deutlich weniger. Verlegerin Sabine Nuss stellt dennoch keine Schwächung der Grundidee fest.
Das Bündnis "#unteilbar - Für eine offene und freie Gesellschaft - Solidarität statt Ausgrenzung" gründete sich als Reaktion auf Rassismus und politische Tendenzen zur Ausgrenzung gesellschaftlicher Gruppen in Deutschland. Getragen wird es von einer Vielzahl von Initiativen, Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften. Laut eigenen Angaben gingen 2018 zur Großdemo in Berlin knapp eine Viertelmillion Menschen auf die Straße.
An diesem Wochenende sollen es lediglich bis zu 30.000 Menschen gewesen sein. Die Journalistin und Verlegerin Sabine Nuss ist mitgelaufen und hielt auch selbst eine Rede. Sie sagt, dass sie bei der Demonstration dennoch keine Schwächung habe spüren können. Es habe eine sehr nette und angenehme Atmosphäre geherrscht, die sich gegen die "Jeder-gegen-Jeden-Stimmung" gewendet habe, die man zurzeit in der Gesellschaft feststellen könne.

Verschiedene Teilinteressen miteinander verknüpfen

Die geringe Teilnehmerzahl habe verschiedene Ursachen, vermutet Nuss, da seien die Pandemie schuld, der Bahnstreik und auch der Vorwahlkampf. Den Eindruck, dass die Bewegung durch die Vielzahl der beteiligten Gruppen mittlerweile etwas unübersichtlich geworden sei, kann die Journalistin nachvollziehen. Dazu trage auch bei, dass die verschiedenen Blöcke coronabedingt mit einem gewissen Abstand voneinander laufen mussten.
"Das Interessante an dieser Initiative ist", unterstreicht Nuss, "dass sie versucht, diese unterschiedlichen Kämpfe und Auseinandersetzungen miteinander zu verbinden, also etwas Gemeinsames zu finden. Dass man gesagt hat, man möchte beispielsweise die soziale Frage und Flucht und Migration nicht gegeneinander ausspielen, man möchte das miteinander verbinden." Genau das sei auch in den Redebeiträgen gut gelungen.
Sie habe in ihrem eigenen Redebeitrag darauf hingewiesen, wie wichtig eben dieser Gedanke sei. "Weil wir de facto teilbar sind. Wir sind in dieser Gesellschaft und in dieser Ökonomie gegeneinander ausspielbar. Deshalb ist es so wichtig, dass wir versuchen, uns darüber hinwegzusetzen, und uns darüber bewusst werden, was uns da teilt und warum es wichtig ist, das zu überwinden."

Soziale Ungleichheit als zugrunde liegendes Problem

Bei der Abschlusskundgebung der Demo hat sich Nuss auf die soziale Ungleichheit konzentriert. Man dürfe die Menschen grundsätzlich, und das betreffe auch Migrantinnen und Migranten, nicht nach "Rentabilitätsniveau" aussortieren. "Sich darüber bewusst zu werden, in welcher Wirtschaftsform wir eigentlich leben, und das nicht getrennt zu sehen von der Politik, das ist etwas, worauf man sich viel mehr fokussieren muss."
Die "Demokratieforderungen" sollten nicht nur an die Politik gerichtet werden und an politische Rechte geknüpft werden, sondern man müsse Politik und Ökonomie gemeinsam betrachten und die Ökonomie als einen Ort der Demokratie begreifen. Dafür sei der Berliner Volksentscheid der "Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen" ein gutes Beispiel. Sie habe den Eindruck, dass viele Menschen dem Grundgedanken zustimmten, aber vor dem Begriff Enteignung zurückschreckten.
"Das ist auch ein bisschen zwiespältig, weil der Begriff juristisch falsch ist. Die jetzigen Eigentümer könnten juristisch gesehen auch weiterhin Eigentümer bleiben. Es geht um Vergesellschaftung, das bedeutet also nicht, dass man jemandem etwas wegnimmt, sondern dass man den Zweck des Unternehmens von der reinen Renditemaximierung wegbringt und stattdessen ein gemeinnütziges Ziel vorschreibt. Das ist etwas völlig anderes."
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