"Unteilbar"-Demonstration in Berlin

Protest mit zu großer Themenfülle?

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Teilnehmer laufen auf der Demonstration des Bündnisses Unteilbar mit dem Motto «Für eine offene und solidarische Gesellschaft» über die Leipziger Straße in Berlin.
Die Zahl der Demonstranten blieb in Berlin weit unter der Erwartungen der Veranstalter von "Unteilbar". © dpa / Fabian Sommer
Bettina Gaus im Gespräch mit Nicole Dittmer · 04.09.2021
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Die Publizistin Bettina Gaus begrüßt, dass sich bei der "Unteilbar-Demonstration" in Berlin so viele verschiedene Gruppen zusammenfinden, weil sie den kleinsten gemeinsamen Nenner suchten. Das sei in Zeiten von Hass und Agressivität sehr wichtig.
An der Großdemonstration der Aktionsplattform "Unteilbar" für einen stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt beteiligten sich heute deutlich weniger Menschen als erwartet. Die Veranstalter hatten zunächst mit mehreren Zehntausend Teilnehmern gerechnet. Nach Angaben der Polizei blieben die Zahlen aber weit darunter.
Aufgerufen hatten sehr unterschiedliche Organisationen, vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) über die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bis hin zur Klimabewegung Fridays for Future und dem Berliner Mieterverein.
Die Journalistin Bettina Gaus
Die Journalistin Bettina Gaus kritisiert die zu große Themenpalette der Demonstranten. © picture alliance / SvenSimon / Malte Ossowski
"Das Stichwort 'Unteilbar' besagt ja, wir haben einen kleinsten gemeinsamen Nenner", sagt die Publizistin Bettina Gaus. Sie erinnert an die erste Demonstration von "Unteilbar" 2018 gegen Rassismus, die unter dem Eindruck des begründeten Entsetzens angesichts der Übergriffe auf Flüchtlingsheime zustande gekommen sei. "Ich fand das von Anfang an eine gute Idee."

CDU geht nicht hin

In vielen anderen Fragen seien diese Organisationen, die "Unteilbar" unterstützten, völlig unterschiedlicher Meinung, unterstreicht Gaus. Das sei auch der Grund, warum sich beispielsweise die CDU nicht beteilige. "Es gab CDU-Politiker, die mal überlegt haben, das zu unterstützen." Sie hätten sich dann wieder distanziert, weil sie nicht Seite an Seite mit "Linksextremen" marschieren wollten. "Das fand ich falsch", sagt Gaus.

Kleinster gemeinsamer Nenner

Gerade in einer Gesellschaft, in der sich Hass immer mehr Bahn breche und die Aggressivität spürbar anschwelle, sei es ein guter Ansatz, nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu schauen. Bei einem so allgemein formulierten Ziel sollte man in Kauf nehmen, dass da auch Leute mitliefen, die einem nicht gefielen, sagt die Publizistin. "Man kann es auch umgekehrt formulieren: Will man sich wirklich von einzelnen Organisationen eine solche Initiative zertrampeln lassen?"
Wenn ein Aktionsbündnis so breit aufgestellt sei, machten sich das leider auch Leute zunutze, so Gaus Sie wollten dann gerne unter dieser Flagge mitsegeln, um ihr Süppchen zu kochen. "Damit muss man leben, sonst kann es keine Initiative geben, die aus so unterschiedlichen Gruppen besteht mit so unterschiedlichen prinzipiellen Vorstellungen."
Gaus bedauert allerdings, dass die Bandbreite der Themen bei der Demonstration sehr groß sei. "Je mehr Ziele man mit auf die Fahne schreibt und je mehr man versucht, ein gesamtgesellschaftliches Bild zu zeichnen bei einer solchen Initiative, desto mehr stößt man auch Leute vor den Kopf." Das finde sie schade.
Gerade ein Anliegen wie "Gegen Rassismus und gegen Ausländerfeindlichkeit" sei eigentlich wichtig genug, damit sich Leute unter einem Schirm versammelten. "Ich wünsche mir, dass man bei dem kleinsten gemeinsamen Nenner bleibt."

Bettina Gaus war viele Jahre politische Korrespondentin der "tageszeitung" (taz) in Berlin. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung. Sie absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München und war danach von 1983 bis 1989 Politikredakteurin beim deutschsprachigen Programm der Deutschen Welle. Von 1989 bis 1996 berichtete sie als Korrespondentin in Nairobi für ARD-Sender und Nachrichtenagenturen über Afrika. Seit Kurzem arbeitet sie für "Der Spiegel".

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