#Unteilbar-Demonstration

Die Kulturszene begehrt auf

05:28 Minuten
Porträtfoto des Schauspielers Benno Fürmann vor blauem Hintergrund während einer Pressekonferenz.
"Ich habe ein Problem damit, zu glauben, dass all unsere Probleme gelöst sind, wenn der letzte Migrant Deutschland verlassen hat." Klare Worte des #unteilbar-Unterstützers Benno Fürmann. © dpa
Von Manfred Götzke · 11.10.2018
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Das Bündnis #unteilbar ruft zur Demonstration in Berlin am Samstag auf: für eine offene und freie Gesellschaft, für Solidarität statt Ausgrenzung. Zahlreiche Kulturschaffende unterstützen den Aufruf. Unter ihnen Schauspieler Benno Fürmann.
Wenn an diesem Samstag die erwarteten 40.000 Menschen zur #unteilbar-Demo kommen, wird es ein Aufstand der Vielen sein. Vor allem aber ein Aufstand der Kultur. Deutlich wie lange nicht mehr haben sich Künstler, Musiker, Publizisten und Schauspieler in den letzten Tagen an- und zu Wort gemeldet. Der Schauspieler Benno Fürmann zum Beispiel.
"Ich habe ein Problem damit, zu glauben, dass all unsere Probleme gelöst sind, wenn der letzte Migrant Deutschland verlassen hat."

Sozialstaat und Migration werden gegeneinander ausgespielt

Fürmann brachte auf einer Pressekonferenz zur Demo das Anliegen von #unteilbar damit twittergerecht auf den Punkt. "Solidarität statt Ausgrenzung – für eine offene und freie Gesellschaft" – so haben die Organisatoren die Großdemonstration gelabelt. Eine Demo gegen Rechtsruck, Rechtspopulismus und vor allem gegen die wachsende Tendenz, Sozialstaat und Migration gegeneinander auszuspielen.
"Ich glaube, dass wir eine große Ungerechtigkeit haben, die berühmten zwei Prozent, denen die Hälfte des Erdballs gehört. Manager die Firmen gegen die Wand fahren, dafür Boni in Millionenhöhe bekommen. Wir haben auf der anderen Seite Firmen, die im großen Stil keine Steuern zahlen – in Milliardenhöhe. Und das sind für mich die wirklichen Ursachen. Ich finde es immer wieder faszinierend, wie nach unten getreten wird, statt nach oben zu schauen."
Stattdessen hätten in den vergangenen Jahren Parteien wie AfD und CSU ebenso wie weite Teile der Gesellschaft Flüchtlinge, Migranten, Asylsuchende – mehr oder weniger alle Nichtdeutschen – für die wachsende soziale Spaltung verantwortlich gemacht, sagt Fürmann.
"Die Zeiten, wo Deutschsein aufgrund der genetischen Herkunft gemessen wird, sind auch vorbei, Gott sei Dank. Und ich bin dagegen, dass Existenz und Abstiegsängste als Konflikt zwischen In- und Ausländern gespielt werden."
Fast 9.000 Organisationen und Einzelpersonen haben sich im Netz zu #unteilbar bekannt, darunter neben den üblichen Verdächtigen – Jan Böhmermann, den Ärzten oder Publizistin Carolin Emcke – auch vermeintlich unpolitischere Kulturschaffende wie Schriftsteller Tilmann Rammstedt, die Rapper von KIZ oder eben Benno Fürmann.
Seit Wochen läuft eine Nominierungsaktion á la Ice-Bucket-Challenge, um möglichst viele Menschen für die Demo zu mobilisieren.
"Ich unterstütze #unteilbar, weil ich mich nur in einer vielfältigen Gesellschaft beschützt fühle. Ich nominiere Judith Holofernes, Clemens Setz, Thomas Hitzelsperger" – twitterte Carolin Emcke.
Auf der Abschlusskundgebung werden neben Konstantin Wecker und Dirk von Lotzow dann auch Dota Kehr und Herbert Grönemeyer auftreten.

Ein Klima der Menschenverachtung

Da wird also ein ziemlich plurales Bündnis gegen die wachsende Ablehnung von Pluralität auf die Straße gehen, die die Sozialwissenschaftlerin und Integrationsforscherin Naika Foroutan beklagt.
"Wir sehen, es gibt ein Klima der Menschenverachtung und das richtet sich nicht nur gegen Migration, sondern gegen jegliche Form pluraler Lebens- und Gesellschaftsentwürfe und was wir beobachten können, ist eine neue Bipolarität zwischen jenen, die Pluralität anerkennen und jenen die sie zutiefst abwehren."
Die neue wachsende Rechte in Deutschland und Europa richtet sich, meint Foroutan, gegen eine EU als pluralen Raum jenseits der engen nationalstaatlichen Gebilde, gegen Genderpluralität und immer wieder auch gegen sogenannte kosmopolitische Eliten.
"Eine Erzählfigur, die sehr stark an antisemitische Rhetorik und auch vaterlandslose Gesellen erinnert."

Eine Ungleichheit in der Gesellschaft wie zuletzt 1913

Ursache für wachsenden Hass und Menschenverachtung sei – und da ist Foroutan bei Fürmann – ein Niveau an Ungleichheit in der Gesellschaft, das es so zuletzt 1913 gegeben hat. Und das, obwohl Gleichheits- und Teilhaberechte das Grundgesetz durchziehen. Ostdeutsche, die kaum Vermögen erwirtschaften konnten, ihren Kindern nichts vererben können, eine Armutsgefährdung von Migranten, die doppelt so hoch liegt, Frauen, die 20 Prozent weniger als Männer verdienen. Normen und Realität klaffen immer weiter auseinander.
"Und dieser Missmatch zwischen Realität und Norm, auf den kann man auf zweierlei Weise reagieren. Entweder man mobilisiert Ressourcen, die Politik, die Gesellschaft, jeder Einzelne kann Ressourcen mobilisieren, um diese Realität der Norm anzugleichen – oder man senkt die Norm ab. Und das, was wir im Moment beobachten, ist eine kollektive Normabsenkung. Dagegen möchten wir aufstehen."
Ein erster Schritt für das Angleichen von Norm und Wirklichkeit kann die #unteilbar-Demo am Samstag sein – die mehr sein soll als die übliche "gegen-rechts-Demo", wie Benno Fürmann betont.
"Die Zeit, dagegen zu sein, sollte vorbei sein, die Zeit des Auskotzens. Und die Zeit des Proaktiven Miteinanders, des Dialoges, der Empathie, wenn man so will – das würde ich mir für uns alle wünschen. Stephan Hawkins hat einen Satz gesagt, den ich wirklich groß finde: Empathie wird das Entscheidende für das Überleben der Menschheit sein, alles andere können Maschinen eh schon besser."
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