"Unsere Glaubwürdigkeit werden wir natürlich nicht aufs Spiel setzen"

Hanns Ostermann im Gespräch mit Ulrich Maurer · 20.05.2010
Der Linken-Politiker Ulrich Maurer sieht in Nordrhein-Westfalen Übereinstimmungen in den Positionen seiner Partei, der SPD und den Grünen. Eine Ablehnung des Sozialabbaus im Bundesrat sei entscheidend, sagt Maurer vor den Sondierungsgesprächen.
Hanns Ostermann: Hop oder top, heute wollen in Düsseldorf Sozialdemokraten, Bündnisgrüne und Linke zu Sondierungsgesprächen zusammenkommen. Nachdem die FDP der SPD einen Korb gegeben hat, bleiben allzu viele Varianten nicht mehr übrig. Sicher, eine Große Koalition ist immer noch möglich, die CDU will sie auch, aber Rot-Rot-Grün als künftiges Gegenmodell für ein bürgerliches Lager – so manchem wäre das sicher nicht unrecht.

Die Frage ist nur, wie regierungsfähig ist die Linke, die erstmals in den Landtag von Nordrhein-Westfalen eingezogen ist. Ich habe darüber mit Ulrich Maurer gesprochen, dem Fraktionsvize der Linken im Bundestag und Beauftragten für den Parteiaufbau West. Er sitzt mit in der Sondierungsrunde. Meine erste Frage: Worin sehen Sie eigentlich Ihre Rolle bei den Gesprächen?

Ulrich Maurer: Ich bin sozusagen das Signal, dass entgegen aller möglicher Behauptungen im Vorfeld die Linke im Bund und die Linke in NRW völlig geschlossen sind, eine gemeinsame Strategie verfolgen, gemeinsame Ziele haben und dass zwischen uns kein Blatt Papier passt.

Ostermann: Aber was wissen Sie, was die Genossen nicht wissen oder nicht wissen können?

Maurer: Noch mal: Das ist ein Signal der Geschlossenheit, und das zweite Signal ist auch ein Signal an die, die mit uns verhandeln, nämlich das Signal, dass wir es ernst meinen und konstruktiv in diese Sache reingehen sollen. Das sind die beiden Signale.

Wir sind in Nordrhein-Westfalen eine sehr junge Partei, sehr, sehr junge Partei. Ich finde, es hat was sehr Positives. Andere Leute meinen ja, sie müssen da drüber herziehen, wir machen auch noch manchmal Fehler und wir sind unbefangen und manchmal tappen wir auch in alle möglichen Fallen von irgendwelchen Magazinen.

Was ich mitbringe und zur Verfügung stelle, ist mein Rat und meine Erfahrung aus vielen Jahren in der Politik und meine Kenntnis von solchen Verhandlungssituationen. Aber damit das auch klar ist, geführt werden diese Verhandlungen von den Linken Nordrhein-Westfalen und ihren gewählten Vertreterinnen und Vertretern. Und wie gesagt, ich stehe da mit meinem Rat zur Seite. Im Übrigen haben wir das gemacht, nachdem die Grünen entschieden haben, den parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Volker Beck, in ihre Delegation zu berufen, und dann haben unsere Leute in Nordrhein-Westfalen gesagt, na ja, dann holen wir uns den Maurer dazu.

Ostermann: Sie haben eben von Feinden der Magazine gesprochen, gibt es bei Ihnen nicht doch immer noch relativ viele, die beispielsweise in der DDR einen Rechtsstaat sehen? Das zeigt doch, dass einige in Ihrer Partei noch nicht im Hier und Heute angekommen sind.

Maurer: Ach, ich weiß nicht. Also im Unterschied zu Ihnen kenne ich auch die Teile der Äußerungen, die in diesem berühmten Reportmagazin weggeschnitten worden sind, die ja gefragt worden, haben sich sehr viel differenzierter geäußert. Also das war ziemlich übler Journalismus, der da gemacht worden ist. Wenn Sie erfahren gewesen wären, hätten Sie gewusst, dass bei manchen Magazinsendungen das halt so ist.

Ostermann: Wo sehen Sie denn jetzt gemeinsame, tragfähige Schnittmengen?

Maurer: Also ich vertraue zunächst einmal drauf, dass ich an das glauben darf, was in den Wahlprogrammen der Grünen und der SPD steht. Und wenn ich da dran glauben darf, dann steht da drin, Abschaffung der Studiengebühren – allerdings bei der SPD ein bisschen spät, das geht, glaube ich, so nicht. Da steht da drin Schulreform, längeres gemeinsames Lernen.

Da steht da drin Energiewende, da steht drin eine klare Haltung gegen von der Bundesregierung beabsichtigten Sozialabbau, das wird eine sehr wichtige Frage werden, dass das Land Nordrhein-Westfalen – Schwarz-Gelb hat ja damit jetzt die Bundesratsmehrheit verloren – sich als Anwalt auch im Bereich des Sozialen und einer fortschrittlichen Arbeitsmarktpolitik im Bundesrat präsentiert. Wenn die dazu stehen, was sie den Wählerinnen und Wählern versprochen haben, und auch das ernst nehmen, was wir versprochen haben, was wir auch einlösen wollen, dann gibt es da eine Chance.

Ostermann: Sie wollen einlösen beispielsweise die Vergesellschaftung der Energieriesen RWE und E.on. Ist das nicht, mit Verlaub, Traumtänzerei?

Maurer: Wir wollen Rekommunalisierung. Ich sage es Ihnen mal am Beispiel meiner Heimatstadt Stuttgart. Da sehnen sich die Menschen geradezu zurück nach der Zeit, als sie ihren Strom von den Technischen Werken der Stadt Stuttgart bekommen haben.

Die Zahl der Bürgermeister, die sagen, wir wollen uns aus diesen Konzessionsverträgen lösen, die steigt von Tag zu Tag, und ich denke, da sollte dann ein Land auch an der Seite sein all derer, die versuchen, wieder bürgernahe Politik zu machen, das zu verknüpfen auch mit einer Energiewende, mit Wärmekraftkopplung, mit Einsatz alternativer Energien. Und mir hat noch keiner gesagt, warum das nicht eine gute Sache sein soll.

Ostermann: Herr Maurer, wann wäre der Preis aus Ihrer Sicht für die Linken zu hoch, eine gemeinsame Koalition mit Sozialdemokraten und Bündnisgrünen einzugehen?

Maurer: Also ich führe jetzt nicht am Telefon Koalitionsverhandlungen. Für unsere Partei ist ihre Glaubwürdigkeit von zentraler Bedeutung. Wir haben auf allen Ebenen, und wir haben ja schon in Hessen verhandelt – woran das gescheitert ist, ist bekannt –, wir haben an der Saar verhandelt, das ist daran gescheitert, dass die Grünen gekauft wurden von einem Großunternehmer dort. Wir sagen, wenn wirklich Richtungswechsel erfolgt und sichtbar wird, dann geht das, aber unsere Glaubwürdigkeit werden wir natürlich nicht aufs Spiel setzen.

Ostermann: Aber die Frage wäre für mich immer noch, wann ist Ihre Glaubwürdigkeit gefährdet, an welchem Punkt, auch wenn Sie hier keine Koalitionsverhandlungen führen wollen? Wo ist die Schmerzgrenze?

Maurer: Wir haben immer gesagt, Ablehnung des Sozialabbaus im Bundesrat ist für uns entscheidend, keine Privatisierung mehr, kein Arbeitsplatzabbau. Das sind so wichtige Forderungen. Und wir haben auch eine ganze Reihe von Positivprojekten, von denen ich glaube, dass sie auch sehr wohl gemacht werden können.

Ostermann: Vor den heutigen Sondierungsgesprächen in Düsseldorf der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Ulrich Maurer. Herr Maurer, danke Ihnen für das Gespräch!

Maurer: Ja, danke!