Unsere Fußball-Frauen
Während die deutschen Profikicker ihren einstigen Nimbus weitgehend eingebüßt haben, sind ihre Kolleginnen im Weltfußball inzwischen das Maß aller Dinge. Laufen die Birgit Prinz und Steffie Jones am Ende den Ballacks und Kahns noch den Rang ab? Früher wurde Frauenfußball nur als eine eher komikreife Veranstaltung wahrgenommen, ein wenig eckig ausschauend, dazu in unflotten Trikots gespielt. Selbst die Erfolgsnachricht vom EM-Titel am Sonntag kommentierte Günter Netzer noch immer ein wenig herablassend: Die Frauen kickten mittlerweile recht ansehnlich und würden nicht mehr wie in früherer Zeit nur "unkoordiniert aufeinander losrennen".
In diesen Tagen ist sogar eine Wanderausstellung zur Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland zu sehen. Der Titel: "Verlacht, verboten und gefeiert." Darin wird der steinige Weg bis zur Gleichheit vor dem Ball dokumentiert. Zwar wurde schon in der Weimarer Republik der erste deutsche Frauenfußballverein in Frankfurt gegründet. Doch unter den Nazis war weibliches Kicken strikt verboten, weil es sich nicht der völkischen Bestimmung der Frau "im Muttersein" fügte.
Auch in der Nachkriegszeit hatten die Kickerinnen noch einen Wust von Ressentiments und chauvinistischen Klischees zu umdribbeln. Ausgegrenzt und verspottet wurden sie lange Zeit. Reporter leisteten sich bei der Beschreibung ihrer Fußballkünste sexistische Kalauer in Serie. Immerhin setzten sich die Spielerinnen über ein offizielles Verbot des Deutschen Fußball-Bundes hinweg, das von 1955 bis 1970 Bestand hatte und Vereinen untersagte, Frauen Spielfelder zur Verfügung zu stellen. Doch sie spielten, wo immer sich die Möglichkeit bot, auch wenn sie dazu touren mussten, bis auch der DFB ein Einsehen hatte.
Beim siegreichen Weltmeisterschaftsfinale 2003 schaffte das deutsche Team von Tina Theune-Meyer sogar den Sprung in die Prime Time des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Plötzlich war nicht mehr diskriminierend vom "Lesbensport" die Rede, sondern von unseren "Golden Girls", die den international nur noch mittelmäßigen deutschen Kickern zeigten, wo der Pass in den freien Raum langgeht.
Der derzeitige Boom des Frauenfußballs hat aber nicht nur damit zu tun, dass die Spielerinnen jene Titel und Pokale holen, auf die in früheren Jahren die Spieler der deutschen Nationalmannschaft abonniert zu sein schienen. Andere Gründe werden ins Feld geführt: Da ist zunächst der romantische Blick auf einen sauberen Sport, die Sehnsucht nach einer heilen Rasenwelt, in der echte Begeisterung noch spürbar und von astronomischen Transfersummen nicht die Rede ist. Dynamik, gepaart mit Ordnung, sind gefragt in diesen fragilen Zeiten, da bei den Männern nach jedem halbwegs missratenen Länderspiel sterile Aufgeregtheit herrscht, der Trainer in Frage gestellt wird und Krisenstäbe im Anmarsch sind. Wer sich nach Konstanz statt Instabilität sehnt und - ganz altmodisch - an einer Vorbildfunktion des Sportes festhält, wird von den deutschen Fußballdamen derzeit bestens bedient.
Natürlich gibt es auch die ökonomische Perspektive, aus welcher der Frauenfußball wie eine noch marktmäßig unerschlossene Goldgrube erscheinen mag. Mit der gewachsenen Professionalität und dem steten internationalen Erfolg wächst auch die merkantile Hoffnung auf eine wettbewerbsmäßige Ausdehnung des Damensports.
Und wie beurteilen Frauen diese Fußballerfolge? Zwei kämpferische Meinungen stehen sich gegenüber: Auf der einen Seite die feministische Diagnose mit der Voyeurismuskeule: Danach goutierten Männer nunmehr gönnerhaft weibliche Kickversuche, wie sie sich zuvor schon schenkelschlagend Schlammschlachten unter Frauen zu Gemüte führten oder sich an der gewalttätigen Schlagkraft von Boxerinnen zu delektieren pflegen. Demgegenüber raten selbstbewusste Kritikerinnen einer Gleichstellung davon ab, unterschiedslos in ausgesprochene Männerdomänen - wie zum Beispiel dem Fußball - vordringen zu wollen. Schließlich werfe die Angleichung der Geschlechter schon genügend gesellschaftliche Probleme auf.
Man mag es drehen und wenden. Auch wenn unsere Fußballdamen noch so erfolgreich sind, dürften sie doch immer an den Männern gemessen werden. Solange diese uns aber mit ihrem täglichen Mediengezänk um Misserfolge und Marktanteile, Transfers und TV-Rechte zu langweilen beginnen, bewahren unsere erfrischend aufspielenden Fußball-Amazonen wenigstens die Illusion von einem authentischen Sport.
Norbert Seitz, geboren 1950 in Wiesbaden, promovierter Politologe, ist verantwortlicher Redakteur der politischen Kulturzeitschrift "Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte"; schreibt u. a. für den "Tagesspiegel", die "Frankfurter Rundschau" und verschiedene Magazine. Letzte Buchveröffentlichung: "Die Kanzler und die Künste. Die Geschichte einer schwierigen Beziehung" (2005).
Auch in der Nachkriegszeit hatten die Kickerinnen noch einen Wust von Ressentiments und chauvinistischen Klischees zu umdribbeln. Ausgegrenzt und verspottet wurden sie lange Zeit. Reporter leisteten sich bei der Beschreibung ihrer Fußballkünste sexistische Kalauer in Serie. Immerhin setzten sich die Spielerinnen über ein offizielles Verbot des Deutschen Fußball-Bundes hinweg, das von 1955 bis 1970 Bestand hatte und Vereinen untersagte, Frauen Spielfelder zur Verfügung zu stellen. Doch sie spielten, wo immer sich die Möglichkeit bot, auch wenn sie dazu touren mussten, bis auch der DFB ein Einsehen hatte.
Beim siegreichen Weltmeisterschaftsfinale 2003 schaffte das deutsche Team von Tina Theune-Meyer sogar den Sprung in die Prime Time des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Plötzlich war nicht mehr diskriminierend vom "Lesbensport" die Rede, sondern von unseren "Golden Girls", die den international nur noch mittelmäßigen deutschen Kickern zeigten, wo der Pass in den freien Raum langgeht.
Der derzeitige Boom des Frauenfußballs hat aber nicht nur damit zu tun, dass die Spielerinnen jene Titel und Pokale holen, auf die in früheren Jahren die Spieler der deutschen Nationalmannschaft abonniert zu sein schienen. Andere Gründe werden ins Feld geführt: Da ist zunächst der romantische Blick auf einen sauberen Sport, die Sehnsucht nach einer heilen Rasenwelt, in der echte Begeisterung noch spürbar und von astronomischen Transfersummen nicht die Rede ist. Dynamik, gepaart mit Ordnung, sind gefragt in diesen fragilen Zeiten, da bei den Männern nach jedem halbwegs missratenen Länderspiel sterile Aufgeregtheit herrscht, der Trainer in Frage gestellt wird und Krisenstäbe im Anmarsch sind. Wer sich nach Konstanz statt Instabilität sehnt und - ganz altmodisch - an einer Vorbildfunktion des Sportes festhält, wird von den deutschen Fußballdamen derzeit bestens bedient.
Natürlich gibt es auch die ökonomische Perspektive, aus welcher der Frauenfußball wie eine noch marktmäßig unerschlossene Goldgrube erscheinen mag. Mit der gewachsenen Professionalität und dem steten internationalen Erfolg wächst auch die merkantile Hoffnung auf eine wettbewerbsmäßige Ausdehnung des Damensports.
Und wie beurteilen Frauen diese Fußballerfolge? Zwei kämpferische Meinungen stehen sich gegenüber: Auf der einen Seite die feministische Diagnose mit der Voyeurismuskeule: Danach goutierten Männer nunmehr gönnerhaft weibliche Kickversuche, wie sie sich zuvor schon schenkelschlagend Schlammschlachten unter Frauen zu Gemüte führten oder sich an der gewalttätigen Schlagkraft von Boxerinnen zu delektieren pflegen. Demgegenüber raten selbstbewusste Kritikerinnen einer Gleichstellung davon ab, unterschiedslos in ausgesprochene Männerdomänen - wie zum Beispiel dem Fußball - vordringen zu wollen. Schließlich werfe die Angleichung der Geschlechter schon genügend gesellschaftliche Probleme auf.
Man mag es drehen und wenden. Auch wenn unsere Fußballdamen noch so erfolgreich sind, dürften sie doch immer an den Männern gemessen werden. Solange diese uns aber mit ihrem täglichen Mediengezänk um Misserfolge und Marktanteile, Transfers und TV-Rechte zu langweilen beginnen, bewahren unsere erfrischend aufspielenden Fußball-Amazonen wenigstens die Illusion von einem authentischen Sport.
Norbert Seitz, geboren 1950 in Wiesbaden, promovierter Politologe, ist verantwortlicher Redakteur der politischen Kulturzeitschrift "Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte"; schreibt u. a. für den "Tagesspiegel", die "Frankfurter Rundschau" und verschiedene Magazine. Letzte Buchveröffentlichung: "Die Kanzler und die Künste. Die Geschichte einer schwierigen Beziehung" (2005).