Unkrautvernichter

Streit um die Zulassung von Glyphosat

Hamburg
Demonstration gegen den Einsatz des Pflanzenschutzmittels Glyphosat am 15. März in Hamburg. © picture-alliance / dpa / Foto: Axel Heimken
Von Philip Banse · 28.04.2016
Im Mai wird ein EU-Ausschuss entscheiden, ob der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat weiter zugelassen wird. Die Weltgesundheitsorganisation stufte Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Die deutsche Zulassungsbehörde, das BfR, hat hingegen keine Bedenken.
"Ich habe diese Studien alle gelesen und bin fast vom Stuhl gefallen, als ich gesehen habe, wie hier gefälscht worden ist."
Eberhard Greiser ist wütend. Der Pensionär war Professor für Epidemiologie an der Universität Bremen und ist überzeugt: Industrie und Zulassungsbehörden haben geschummelt und betrogen mit dem Ziel, das Krebsrisiko des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat herunterzuspielen und eine erneute Zulassung in Europa zu erreichen. Im Kern wirft Greiser der Industrie und der deutschen Zulassungsbehörde vor, a) Ergebnisse von "Tierversuchen" falsch zu interpretieren und b) Studien "aussortiert" zu haben, die nahelegen, dass Glyphosat Krebs "beim Menschen" erzeugen kann. Wäre alles korrekt gelaufen, so Epidemiologe Greiser:
"Dann wäre das gleiche rausgekommen, wie das, was das Krebsforschungszentrum der Weltgesundheitsorganisation festgestellt hat, nämlich, dass diese Studien belegen, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen ist. Und das ist die zweithöchste Stufe überhaupt. Für die Zulassung würde das bedeuten, das Zeug ist vom Markt. Definitiv."
Wenn die Industrie ein Pflanzenschutzmittel in der EU zulassen will, muss es bei der nationalen Kontrollbehörde verschiedene Studien einreichen: Einmal Studien, die die Industrie selbst erstellt. Die Studien sind geheim, aber Vorgaben der OECD sollen sicherstellen, dass wissenschaftliche Standards eingehalten werden. Darüber hinaus muss die Industrie auch unabhängige, veröffentlichte Studien einreichen. Diese unabhängigen Studien hätten ergeben, dass Glyphosat beim Menschen Krebs erzeugen kann, sagt Epidemiologe Greiser. Die zuständige deutsche Kontrollbehörde, das Bundesinstitut für Risikobewertung, habe diese Studien jedoch als "nicht verlässlich" eingestuft. Greiser sagt, er haben diese angeblich unzuverlässigen Studien gelesen, sein Fazit:
"Besser kann man es nicht machen. Und trotzdem wurden sie alle als nicht zuverlässig abqualifiziert. Und das kann man nur als eine grandiose und dreiste Fälschung bezeichnen."
Dass die Industrie versuche, nicht genehme Studien aus dem Zulassungsverfahren auszuschließen, verwundere ihn nicht, sagt Greiser:
"Aber dass eine Bundesoberbehörde etwas, was man auf den ersten Blick sehen kann als gefälscht, einfach passieren lässt, ist ein wahnsinniger politischer Skandal."
"Ja, da muss man sagen, Herr Greiser hat unsere Monografie nicht gelesen oder er hat sie gelesen und dann missverstanden."

Das BfR bewerte die Studien als unzuverlässig

Sagt Rudolf Pfeil, Fachgruppenleiter Toxikologie im kritisierten Bundesinstitut für Risikobewertung und damit auch zuständig für die Bewertung von Glyphosat. Der Epidemiologe Greiser behauptet: Das BfR bewerte die Studien als unzuverlässig, weil die Wissenschaftler ihre Probanden angeblich nicht gefragt hätten, ob es außer Glyphosat noch andere Krebsrisiken gebe, etwa: Sind sie Raucher. Greiser hat dann festgestellt: Die Studien haben das sehr wohl abgefragt. Stimmt, sagt der kritisierte Toxikologe Pfeil vom BfR:
"Die Angaben wurden in den meisten Fällen abgefragt, aber der Einfluss auf das Studienergebnis, der wurde nicht berichtet in den meisten Veröffentlichungen."
Die Wissenschaftler wussten, wer Ihrer Probanden Raucher ist, aber wie sich das auf den Tumor auswirkt, sei nicht dargelegt worden, sagt Pfeil:
"Also wenn zum Beispiel in einer Studie 30 Leute mit Glyphosat umgegangen sind, dann wurde nicht berichtet, wie viele von diesen Leuten waren Raucher oder Nichtraucher oder wie viel Alkohol haben die Leute getrunken oder mit welchen Pestiziden hatten diese Leute auch noch Umgang – obwohl diese Informationen abgefragt wurden."

Glyphosat ist eindeutig krebserregend

Deswegen habe er diese Studien als nicht belastbar bewertet, sagt BfR-Mann Pfeil. Umweltorganisationen machen den staatlichen Kontrolleuren noch einen weiteren Vorwurf. Sophia Guttenberger, Biologin vom Umweltinstitut München, einem wissenschaftlichen Umweltschutz-Verein, sagt: Studien an Mäusen hätten gezeigt, dass Glyphosat eindeutig krebserregend ist.
"Wenn man nach den sogenannten OECD-Richtlinien diese Studien auswertet, so wie es auch vorgeschrieben ist, dann sieht man ganz klar einen Anstieg bei den Tumoren bei den Mäusen bei Gabe von Glyphosat-haltigem Futter."
"Das stimmt nicht, das ist Unsinn."
Sagt Rudolf Pfeil vom kritisierten Bundesinstitut. Und doch kommt auch das IARC, das Krebsforschungsinstitut der Weltgesundheitsorganisation, zu dem Schluss, dass Glyphosat beim Menschen "wahrscheinlich krebserregend" ist.
"Vereinfacht gesagt, der Unterschied liegt darin, wie die Tierversuchsergebnisse interpretiert werden."
Sagt BfR-Prüfer Pfeil und erklärt das so: Die erwähnten OECD-Richtlinien sähen mehrere Methoden zur statistischen Auswertung solcher Tierversuche vor. Entscheidend sei, dass sich Wissenschaftler vor ihren Experimenten entscheiden, welche dieser Methoden sie anwenden:
"Es ist nicht in Ordnung, wenn man die Studie durchführt und am Ende die Ergebnisse vorliegen hat und dann erst verschiedene Testmethoden durchprobiert und dann guckt, welche hat denn ein statistisch signifikantes Ergebnis gebracht. So ist aber das IARC, so sind unsere Kritiker von NGOS vorgegangen. Die haben die Ergebnisse gesehen, haben dann verschiedene Tests durchgeführt und festgestellt, ja, wenn man den Trend-Test durchführt, hat man bei einigen Studien einen signifikanten Trend."

"Es kann nicht sein, dass die Industrie ihre Studien selber macht"

So ein Vorgehen führe jedoch nicht zu wissenschaftlich belastbaren Erkenntnissen. Außerdem hätten die Krebsforscher der Weltgesundheitsorganisation nur Zusammenfassungen veröffentlichter Studien berücksichtigt, nicht die Studien selbst und schon gar nicht die Studien der Industrie, den die sind ja geheim. Gift-Bewerter Rudolf Pfeil vom Bundesinstitut für Risikobewertung plädiert daher dafür, dass die Industrie ihre Studien veröffentlichen muss. Doch Transparenz alleine reiche nicht, entgegnet Helmut Burtscher von der österreichischen Umweltorganisation Global 2000:
"Es kann auch nicht sein, dass die Industrie ihre Studien selber macht, sich aussucht, wo sie einreicht, welches Labor die Studien macht. Hier braucht es ein ganz anderes Verfahren."
Mehr zum Thema